TE OGH 1993/2/23 10ObS6/93

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Veröffentlicht am 23.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska und Dr.Raimund Zimmermann (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hildegard K*****, Pensionistin, *****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ruhens der Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.Oktober 1992, GZ 13 Rs 76/92-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18.Mai 1992, GZ 26 Cgs 7/92-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 21.4.1931 geborene Klägerin bezieht seit 12.10.1988 von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Witwenpension. Mit Bescheid vom 3.12.1991 sprach die Beklagte aus, daß diese Witwenpension vom 1.1. bis 31.3.1990 mit monatlich S 3.939,60 ruhe und der zuviel bezogene Vorschuß von S 1.313,10 gegen die Nachzahlung aufgerechnet werde.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage Folge und stellte fest, daß die Witwenpension der Klägerin im angegebenen Zeitraum nicht gemäß § 60 GSVG ruhe und daß die beklagte Partei schuldig sei, eine Verrechnung eines Vorschusses von S 1.313,10 mit der zu erbringenden Leistung und eine Aufrechnung des Vorschusses mit der Nachzahlung zu unterlassen. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Nach dem Tod ihres Gatten am 12.10.1988 führte die Klägerin dessen Inkassobüro bis zur Auflösung des Betriebes mit 31.3.1990 als Witwe fort. Im Jahr 1990 wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in steuerlicher Hinsicht von S 1,054.187,-- erzielt, wobei es sich zur Gänze um einen Veräußerungsgewinn im Sinn des § 24 EinkommensteuerG 1988 handelt. Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückes S*****. Für das Jahr 1990 ist ausgehend von einem Einheitswert von 62.000 S unter Berücksichtigung der bestehenden Pachtverhältnisse ein Pauschalwert von monatlich S 618 gemäß § 149 Abs. 5 GSVG als Einkommen zu berücksichtigen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, gemäß § 60 Abs. 2 GSVG (in der Fassung der 16.Novelle) würden im Jahr 1990 40 vH der Witwenpension mit 25 vH des Betrages ruhen, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von S 14.000 übersteige. Da die Witwenpension der Klägerin vor dem 31.12.1989 angefallen sei, sei diese Bestimmung gemäß Art II Abs. 3 der 16.GSVG-Novelle mit der Maßgabe anzuwenden, daß ein Ruhen höchstens mit dem Betrag eintrete, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 7.233 S übersteige. Ein Erwerbseinkommen der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb liege aber nicht vor, weil es sich zur Gänze um einen Veräußerungsgewinn handle. Die Veräußerung des Unternehmens bedeute nur eine Umschichtung des nach Beendigung der Erwerbstätigkeit vorhandenen Kapitals. Der erzielte Erlös sei Produkt des Kapitaleinsatzes und nicht der Arbeitsleistung. Anrechenbares Einkommen im Sinn des § 60 Abs. 3 GSVG sei daher nur das Einkommen aus der Verpachtung eines Grundstückes von monatlich 618 S, welches deshalb zu keinem Ruhen der Pension führe, weil damit der Grenzbetrag nicht überschritten werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 14.6.1991,

G 252,253/89 ua, ausgesprochen, daß § 60 GSVG in den Fassungen verschiedener Novellen, darunter der 15. und der 17.Novelle verfassungswidrig war. Aus den Gründen des Erkenntnisses ergebe sich, daß § 60 GSVG in der Fassung der 17.Novelle - obwohl erst nach der Antragstellung erlassen - ungeachtet der in den Anträgen zitierten

16. GSVG-Novelle deshalb als verfassungswidrig festgestellt worden sei, weil die 17.Novelle gemäß ihrem Art IV Abs. 2 Z 3 auf den 1.1.1990 so zurückwirkte, daß die 16.Novelle damit außer Kraft gesetzt worden sei. Damit sei die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung, soweit ihre Anwendung im vorliegenden Fall in Betracht komme, durchgehend festgestellt und eine neuerliche Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof ausgeschlossen. Es sei daher von der Anwendbarkeit des § 60 GSVG auszugehen, dessen Inhalt das Erstgericht richtig und von der beklagten Partei auch unbekämpft dargestellt habe. Streitentscheidend sei nur die Frage, ob und in welcher Höhe ein entsprechendes Erwerbseinkommen mit dem Witwenpensionsanspruch der Klägerin zusammentreffe. Einerseits seien bloße Einkünfte aus Kapitalerträgnissen von keiner Ruhensbestimmung erfaßt, andererseits werde in der gesetzlichen Definition des Erwerbseinkommens auf die Gleichzeitigkeit der ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit und Erhalt des Erwerbseinkommens besondere Bedeutung beigemessen. Die Veräußerung des Unternehmens bezwecke gerade nicht die Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform durch Verrichtung von Arbeitsleistungen, sondern die Beendigung dieser Tätigkeit und die Verwertung des vorhandenen Kapitals auf andere Art und Weise als durch Erbringung von Arbeitsleistungen in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Deshalb stelle die Veräußerung eines Unternehmens keine Erwerbstätigkeit im Sinn des § 60 GSVG dar. Es handle sich lediglich um eine Umschichtung des nach Beendigung der Erwerbstätigkeit vorhandenen Kapitals. Soweit vorhandenes Kapital auch Produkt der Arbeitsleistung sein sollte, resultiere ein dem allenfalls entsprechender Anteil des Veräußerungserlöses wohl nur aus der früher ausgeübten Erwerbstätigkeit in gewinnträchtigen Jahren. Im Lauf der Zeit hätten sich durch das Zusammenwirken zahlreicher steuerlicher Bewertungsregeln (Investitionsbegünstigungen, zu kurz bemessene Nutzungsdauer bei der Anlagenabschreibung, kein Ansatz von Materialrestwerten, Verbot einer Wertzuschreibung über die Anschaffungskosten, Aktivierungsverbot für selbst geschaffenen Firmenwert und für andere hergestellte immaterielle Wirtschaftsgüter usw) stille Reserven angesammelt. Es seien dies bilanzmäßig nicht dargestellte Vermögenszuwächse, die in der Vergangenheit legal vor der steuerlichen Erfassung abgeschirmt werden könnten. In den Verkaufsverhandlungen zeige sich dann, daß die in der Betriebsbilanz dargestellten Werte vielfach unter jenen Beträgen lägen, die der Erwerber des Betriebes zu zahlen bereit sei. Im Veräußerungsfall sei damit der letzte Moment gekommen, in dem die Finanzverwaltung einen Zugriff auf diese bisher unversteuerten Gewinne (Vermögenszuwächse) des Unternehmens geltend machen könne. Veräußerungsgewinn sei damit jener Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des steuerlichen Betriebsvermögens (steuerliches Eigenkapital) übersteige. Er zähle zu den außerordentlichen Einkünften und werde daher über Antrag mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert. Dies bestätige, daß es letztlich um die Verwertung von Vermögenswerten gehe, die in der Vergangenheit und nicht etwa - wie es im Hinblick auf das Erfordernis einer gleichzeitigen Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinn des § 60 Abs. 3 lit b GSVG erforderlich wäre - in den drei Monaten vom 1.1. bis 31.3.1990 durch diese Erwerbstätigkeit geschaffen worden seien. Wenngleich der Veräußerungsgewinn steuerlich zu den außerordentlichen Einkünften zähle und für die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit auf die Bestimmungen des EStG zurückzugreifen sei, könne dieser Veräußerungsgewinn jedenfalls nicht in zeitliche Übereinstimmung mit der ansonsten nicht gewinnträchtigen Erwerbstätigkeit der Klägerin in den ersten drei Monaten des Jahres 1990 gebracht werden. Damit seien die gesetzlichen Voraussetzungen für das Ruhen der Pension gemäß § 60 Abs. 3 GSVG für die ersten drei Monate des Jahres 1990 bis zur Veräußerung des Unternehmens nicht gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Gegenstand der Rechtsrüge ist nur die Frage, ob die Klägerin in den Monaten Jänner bis März 1990 ein Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit bezogen hat (§ 60 Abs. 1, 3 lit b GSVG). Dabei ist von der unbestrittenen Tatsache auszugehen, daß es sich bei den im Einkommensteuerbescheid 1990 vom 11.9.1991 ausgewiesenen Einkünften aus Gewerbebetrieb ausschließlich um einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 24 EStG 1988 handelt. Die Revisionswerberin meint, daß der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht zu eng gesehen werden dürfe. Nicht ausschließlich Tätigkeiten im engeren Sinn, die die Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform direkt bezweckten, sondern auch die verschiedensten Nebentätigkeiten, die untrennbar mit der selbständigen Erwerbstätigkeit verbunden seien, müßten als Teil dieser Erwerbstätigkeit betrachtet werden. So gehörte etwa auch der Verkauf des Unternehmens untrennbar zur selbständigen Erwerbstätigkeit, die ohne die erforderlichen Abschlußtätigkeiten gar nicht vorstellbar wäre. Die Veräußerung eines Unternehmens stelle einen letzten Akt zur vollständigen Erreichung des gesteckten Unternehmenszieles (Schaffung von Einkünften) dar. Erst durch den Veräußerungsakt werde dieser Teil des Unternehmergewinnes realisiert und somit erzielt, weshalb die geforderte Gleichzeitigkeit der Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit und der Ertragserzielung gegeben sei. Es handle sich um einen versteckten, vor der Veräußerung nicht behebbaren Gewinn aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit, der zeitlich nicht mehr genau zugeordnet werden könne, weil er buchhalterisch nicht entsprechend erfaßt worden sei. Im Hinblick auf die somit im Jahr 1990 erzielten Erwerbseinkünfte habe daher die Witwenpension der Klägerin in den genannten Monaten geruht.

Diesen Ausführungen ist nicht beizupflichten.

Der Oberste Gerichtshof hat sich erst kürzlich (15.12.1992, 10 Ob S 250/91) mit dem Veräußerungsgewinn beschäftigt und ausgesprochen, daß im Falle eines steuerrechtlich nach § 24 EStG 1972 errechneten Veräußerungsgewinnes keine echten Einkünfte im Sinne des Ausgleichszulagenrechtes vorlägen. Bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nach § 24 EStG handle es sich um die Besteuerung von - bilanzmäßigen - Wertsteigerungen an der Einkunftsquelle. Die steuerliche Erfassung des Veräußerungsgewinnes stelle eine Art Finalbesteuerung dar, durch die alle bis dahin unversteuert gebliebenen Vermögensvermehrungen anläßlich der Veräußerung (Aufgabe) des Betriebes einer Besteuerung unterzogen würden. § 24 Abs. 2 EStG 1972 ordne für die Ermittlung des Veräußerungsgewinnes einen Betriebsvermögensvergleich an. Dabei sei dem um die Veräußerungskosten verminderten Veräußerungserlös das nach § 6 - allenfalls unter Beachtung des § 5 - zu Buchwerten bewertete Betriebsvermögen gegenüberzustellen, wobei die Betriebsvermögensermittlung zu Buchwerten auf den Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw -aufgabe vorzunehmen sei und die Buchwerte um unterlassene AfA zu kürzen seien. Beim Veräußerungsgewinn im Sinn des § 24 EStG handle es sich um betriebliche Einkünfte im steuerrechtlichen Sinn, aber nicht auch um Einkünfte im ausgleichszulagenrechtlichen Sinn, vielmehr um den Erlös für die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen und damit für die Veräußerung der Vermögenssubstanz.

Diese Überlegungen gelten im wesentlichen auch für die Frage des Vorliegens von Erwerbseinkommen im Sinne des inzwischen vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärten § 60 GSVG. Es ist der Rechtsansicht der Vorinstanzen beizutreten, daß der steuerrechtliche Veräußerungsgewinn kein Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit darstellt. Gerade das Argument der Revisionswerberin, der Veräußerungsgewinn stelle eine stille Reserve dar, die sich im Lauf der selbständigen Erwerbstätigkeit durch das Zusammenwirken zahlreicher steuerlicher Bewertungsregeln angesammelt habe, zeigt deutlich, daß es sich nicht um Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit handelt, wobei diese Gleichzeitigkeit mit dem Zeitraum des Ruhens der Pensionsbezüge, also hier während der Monate Jänner bis März 1990 gegeben sein müßte. Das dagegen vorgebrachte Argument, die geforderte Gleichzeitigkeit sei deshalb gegeben, weil die Unternehmensveräußerung ein Teil der selbständigen Erwerbstätigkeit sei, überzeugt nicht: Selbst wenn man die Unternehmensveräußerung noch als Teil der Erwerbstätigkeit auffaßte, werden hiebei Vermögenswerte veräußert, die in der Vergangenheit und nicht etwa durch die gleichzeitige Ausübung der Erwerbstätigkeit geschaffen wurden. Die Revisionswerberin spricht selbst von einem vor der Veräußerung nicht behebbaren Gewinn aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit, der zeitlich nicht mehr genau zugeordnet werden kann.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E32236

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00006.93.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19930223_OGH0002_010OBS00006_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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