TE OGH 1993/2/23 4Ob90/92

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Veröffentlicht am 23.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****verband *****, vertreten durch Dr.Marcella Prunbauer und Dr.Martin Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Adolf Ortner und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 11. August 1992, GZ 2 R 212/92-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 19.Juni 1992, GZ 40 Cg 1024/92k-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß das Verbot wie folgt zu lauten hat:

"Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen und Ankündigungen wird der beklagten Partei für die Dauer dieses Rechtsstreites verboten, im Zusammenhang mit dem Versenden von Warenkatalogen und Bestellscheinen an namentlich angeschriebene Kunden Werbepreisausschreiben zu veranstalten, mit denen bei den angesprochenen Verkehrskreisen der unrichtige Eindruck erweckt wird, alle Personen, deren Teilnahmeschein eine bestimmte Nummer aufweist, hätten bereits einen Preis gewonnen, wenn mit der richtigen Nummer tatsächlich nur die Möglichkeit der Teilnahme an einer Gewinnermittlung, nicht aber der Gewinn eines Preises verbunden ist und darauf nur in kleinerer Schrift sowie mißverständlich hingewiesen wird".

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Beklagte betreibt den Versandhandel. Im Mai 1992 versandte sie - zusammen mit einem Warenkatalog und einem "Teilnahme-/Bestellzertifikat - die Ankündigung eines Gewinnspiels. Unter der Überschrift "Unter welcher Telefonnummer sind Sie zu erreichen? Senden Sie rasch ein!" kündigte sie Geldpreise von S 5.000, S 10.000, S 20.000 und S 125.000 in bar sowie als "Expreßpreis" einen Opel Astra GSi im Wert von ca 250.000 S oder S 250.000 in bar an. Daneben war unter der Überschrift "So wahren Sie alle Ihre Chancen" folgende "Spielanleitung" abgedruckt:

Unterhalb davon befanden sich folgende "Spielregeln für die Teilnahme an Kurfürst's Telefonkarten-Gewinnspiel 1992":

Die Rückseite der Ankündigung enthielt unter der Überschrift "Ein Vermögen wird ausbezahlt" eine "Telefonkarte", eine Aufstellung von Gewinnummern und der darauf entfallenden Preise, das "Kurfürst-Teilnahme-/Bestellzertifikat" sowie unter der Überschrift "Ich rufe jeden Gewinner innerhalb von 48 Stunden persönlich an" ein Begleitschreiben, sämtliche folgenden Inhaltes:

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt der klagende Wettbewerbsverband, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Werbepreisausschreiben zu veranstalten, in denen bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, alle jene persönlich Angeschriebenen, die im Besitz einer bestimmten "Nummer" sind, hätten bereits einen Preis gewonnen, wenn tatsächlich diese Kunden dadurch nur die Möglichkeit der Teilnahme an einem Gewinnspiel erworben und noch keinen Preis gewonnen haben, worauf nur klein bzw mißverständlich hingewiesen wird. Die Beklagte veranstalte wiederholt Werbepreisausschreiben, um damit größere Aufmerksamkeit auf ihr Unternehmen zu lenken; dabei schreibe sie potentielle Kunden namentlich an. Durch die Art der Werbeankündigung, insbesondere durch mißverständliche Formulierungen, werde der unrichtige Eindruck erweckt, daß alle jene Personen, deren Prospekt eine bestimmte "Gewinnummer" aufweist, bereits einen Preis gewonnen hätten. Diese Art der Werbung sei grob irreführend und verstoße gegen §§ 1 und 2 UWG.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Die von ihr in dieser Art bereits seit dem Jahr 1976 durchgeführten Gewinnspiele seien in den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt, äußerst beliebt und durchaus branchenüblich; sie dienten nur dazu, die üblichen schriftlichen Warenangebote im Versandhandel von der sonstigen "Papierflut" im Werbewesen abzuheben. Die beanstandete Ankündigung lasse klar erkennen, daß mit der Gewinnummer noch kein sicherer Gewinn, sondern nur die Möglichkeit der Teilnahme an einer Verlosung verbunden ist; damit werde der Kaufentschluß in keiner Weise beeinflußt. In dieser Aussendung werde an mehreren Stellen darauf hingewiesen, daß die Teilnahme an dem Gewinnspiel von einer Warenbestellung unabhängig sei. Ein allfälliger Irrtum über den Gewinn betreffe nicht das "Angebot" und sei daher auch nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 2 UWG. Die Ankündigung verstoße auch nicht gegen die guten Sitten: Durch die kostenlose Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel erleide kein Mitspieler einen Schaden; ein Zusammenhang mit dem Warenvertrieb werde nicht hergestellt. Schließlich sei der Sicherungsantrag wegen Fehlens einer konkreten Angabe, wodurch der unrichtige oder irreführende Eindruck erweckt werde, zu unbestimmt, um einen tauglichen Exekutionstitel bilden zu können. Da die beantragte einstweilige Verfügung tief in die Interessen der Beklagten eingreifen würde, wäre zur Vermeidung von Schäden eine Sicherheitsleistung von zumindest S 300.000 geboten.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. § 2 UWG sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar; die beanstandeten Ankündigungen beträfen nicht das Warenangebot der Beklagten, sondern nur ein von ihr veranstaltetes Gewinnspiel. Durch dieses Spiel werde - insbesondere wegen des Hinweises darauf, daß die Teilnahme daran nicht von einer Bestellung abhänge - keinerlei Kaufzwang ausgeübt, so daß auch ein Verstoß gegen § 1 UWG nicht in Betracht komme. Auch sonst würden die Kunden nicht in eine solche Lage gebracht, in der es unangenehm erscheine, nichts zu bestellen.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Gewinnspiel der Beklagten verstoße nicht gegen § 28 UWG, weil die Teilnahme daran in keiner Weise mit dem Warenbezug gekoppelt sei. Auch ein Verstoß gegen § 2 UWG sei nicht gegeben, weil sich die beanstandete Irreführungseignung nicht auf die in § 2 Abs 1 UWG angeführten Angaben, sondern ausschließlich auf die näheren Umstände des Gewinnspiels bezögen. Die Vorgangsweise der Beklagten verstoße aber wegen übertriebenen Anlockens gegen § 1 UWG: Das Erwecken der Aufmerksamkeit des Publikums durch Mittel, die sich nicht auf die Preiswürdigkeit und Qualität der Waren beziehen, sei zwar in gewissen Grenzen zulässig; seien die Anlockeffekte aber unangemessen, dann seien sie auch sittenwidrig. Das treffe etwa dann zu, wenn der Anlockeffekt so stark ist, daß er das Urteil der angesprochenen Konsumenten trüben und zu einem Kaufentschluß aus unsachgemäßen Gründen führen könne. Die hier angekündigten Gewinne seien zwar nicht übermäßig, doch bediene sich die Beklagte zum Zweck des Anlockens von Kunden einer Irreführung über die Größe der Gewinnchance. Beim flüchtigen Lesen könne der unrichtige Eindruck entstehen, daß der Umworbene bereits einen hohen Geldpreis gewonnen habe, wenn auf seinem Teilnahmeschein eine bestimmte Gewinnummer abgedruckt ist; dagegen enthalte das Werbeschreiben keinen klaren Hinweis darauf, daß unter den eingesandten Gewinnummern erst eine Verlosung oder sonstige Gewinnermittlung stattfinden werde. Durch die falsche Vorstellung, einen hohen Geldpreis bereits gewonnen zu haben, werde das angesprochene Publikum dem Unternehmen der Beklagten mehr Aufmerksamkeit schenken, und genau das habe die Beklagte mit ihrer Ankündigung auch bezweckt. Damit verstoße sie aber gegen den das gesamte Wettbewerbsrecht beherrschenden Wahrheitsgrundsatz. Auf eine Branchenübung könne sich die Beklagte dabei nicht berufen.

Der Kläger habe also Anspruch auf Unterlassung solcher irreführender Angaben. Der Sicherungsantrag sei trotz seiner allgemeinen Fassung hinlänglich konkretisiert; eine genauere Umschreibung des zu unterlassenden wettbewerbswidrigen Verhaltens sei nicht möglich, weil es hier auf den Gesamteindruck einer umfangreichen Werbeaussendung ankomme. Ob eine weitere Werbeaussendung der Beklagten in gleicher Weise irreführend ist, könne erst im Rahmen eines Exekutionsverfahrens geprüft werden. Eine Sicherheitsleistung sei entbehrlich, weil eine Änderung der klaren und unbestrittenen Tatsachengrundlage im Hauptverfahren nicht zu erwarten sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses der ersten Instanz abzuändern; hilfsweise beantragt die Beklagte, die einstweilige Verfügung nur gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von S 300.000 zu bewilligen.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu der hier entscheidungswesentlichen Frage, ob der durch eine - gemeinsam mit einem Bestellschein versandten - Ankündigung eines Gewinnspiels erweckte unrichtige Eindruck, bereits einen Gewinn erlangt zu haben, zu den "Angaben über geschäftliche Verhältnisse" iS des § 2 UWG gehört, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; er ist jedoch nicht berechtigt.

§ 28 UWG könnte auf den im Mai 1992 verwirklichten Sachverhalt entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht angewendet werden, weil diese Gesetzesstelle seit dem Inkrafttreten des Wettbewerbs-DeregulierungsG am 1.4.1992 nur noch den glückspielartigen Vertrieb einer Ware oder die Verrichtung einer Leistung selbst, nicht aber mehr einer neben der Ware oder einer Leistung zu gewährenden Zuwendung (Prämie) umfaßt; dieser früher gleichfalls in § 28 UWG (alt) geregelte Tatbestand wird nunmehr dem Zugabenverbot des § 9 a UWG unterstellt. Ein Verstoß dagegen kommt aber hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Teilnahme an dem Gewinnspiel nach der insoweit deutlichen Aufklärung auf dem "Teilnahme-/Bestellzertifikat" nicht von einer Warenbestellung abhängt, so daß der dafür erforderliche innere Zweckzusammenhang zwischen Hauptware (Leistung) und Zugabe fehlt (vgl dazu SZ 62/10 und F.Prunbauer, Das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz 1992, RdW 1992, 198 ff [202 f]); er ist aber auch gar nicht geltend gemacht worden.

Ob durch die Art der Ankündigung ein übertriebender Anlockeffekt im Sinne des § 1 UWG (vgl hiezu etwa Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 387 ff) erzielt wurde, ist hier nicht zu prüfen, weil der Sondertatbestand des § 2 UWG erfüllt ist:

Ungeachtet dessen, daß nach einem Teil des Inhaltes der beanstandeten

Werbeaussendung die angekündigten Geldpreise noch "auf dem Spiel

stehen", an Hand der Gewinnummer erst festgestellt werden könne, "um

welchen Geldpreis" der Umworbene "mitspielt" und daß er "vielleicht

Doppelgewinner" werde, können weitere Angaben wie "Sind Sie Gewinner

mit der Nummer:........, dann haben Sie Anspruch auf........",

"einziger rechtmäßiger Besitzer der Nummer......." und "Nach

Rücksendung der Gewinnummern werden die Geldpreise innerhalb von 48 Stunden ausbezahlt" bei den dafür maßgebenden durschnittlichen Interessenten beim flüchtigen Lesen den Eindruck erwecken, daß sie mit der richtigen Gewinnummer bereits einen der angegebenen Geldpreise gewonnen hätten. In jedem Fall muß die Beklagte nach der sog. "Unklarheitenregel", wonach der Ankündigende bei Mehrdeutigkeit seiner Ankündigung die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muß (Hohenecker-Friedl Wettbewerbsrecht 23), für diese beim flüchtigen Durchlesen durchaus mögliche Deutung ihrer Ankündigung einstehen, wurde doch an keiner Stelle der Werbeaussendung in unmißverständlicher Weise zum Ausdruck gebracht, daß das Vorhandensein einer richtigen Gewinnummer lediglich die Teilnahme an einer weiteren Verlosung des jeweiligen Geldpreises ermöglicht. Damit hat aber die Beklagte auch unrichtige Angaben über (eigene) geschäftliche Verhältnisse gemacht:

Zu den irreführenden Angaben über geschäftliche Verhältnisses iS des § 2 UWG zählen insbesondere Angaben über die Beschaffenheit, den Ursprung, die Herstellungsart oder die Preisbemessung einzelner Waren oder Leistungen oder des gesamten Angebotes, über Preislisten, über die Art des Bezuges oder die Bezugsquelle von Waren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder den Zweck des Verkaufes oder über die Menge der Vorräte. Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend; unter "geschäftlichen Verhältnissen" ist vielmehr alles zu verstehen, was mit dem Geschäftsbetrieb in irgendeinem Zusammenhang steht und die gewerbliche Tätigkeit im Wettbewerb fördern kann (Hohenecker-Friedl aaO 27; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 39); sie betreffen daher regelmäßig nur den Betrieb des Werbenden. Auch die Ankündigung von Umständen, die zwar in der Sphäre des Umworbenen liegen, deren Vorliegen aber vom Willen des Werbenden abhängt, betreffen dessen eigene geschäftlichen Verhältnisse (Baumbach-Hefermehl aaO 809 Rz 121 zu § 3 dUWG). So hat der BGH (GRUR 1975, 262) auch die Ankündigung, eine Ware nur gegen einen Geldschein mit bestimmter Markierung abzugeben, als eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse des Werbenden gewertet. Mit dem Erwecken des unrichtigen Anscheins, bereits einen hohen Geldpreis gewonnen zu haben, wurde aber auch ein für den Kaufentschluß relevanter Irrtum erzweckt.

Die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes war daher - unter gleichzeitiger Anpassung des Spruches an den geltend gemachten Sachverhalt - zu bestätigen.

Einer Sicherheitsleistung bedurfte es nicht, weil das Gebot irreführende Ankündigungen zu unterlassen, nicht in rechtlich geschützte Interessen der Beklagten eingreift.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

Anmerkung

E31267

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0040OB00090.92.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19930223_OGH0002_0040OB00090_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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