TE OGH 1993/2/24 9ObA321/92

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Veröffentlicht am 24.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und AR Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** M*****, Vertragsbediensteter, ***** vertreten durch Dr.*****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Marktgemeinde G*****, vertreten durch Dr.*****, Dr.***** und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,537.176,90 sA und Feststellung (Streitwert S 261.498,16), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.September 1992, GZ 32 Ra 142/91-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14.August 1991, GZ 21 Cga 5001/91-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 22.579,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.763,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die wegen Nichtzulassung der vom Kläger zur Richtigkeit der von ihm vorgebrachten Kritik angebotenen Beweise geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO). Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz durch unrichtige Anwendung prozessualer Vorschriften (hier: § 179 ZPO), deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können auch im Verfahren in Arbeitsrechtssachen nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden (RZ 1989/16; 9 Ob A 269/92 ua).

Da auch die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend war den Ausführungen des Rekurswerbers noch folgendes zu erwidern:

Der Kläger als politischer Mandatar (Gemeinderat) und Vertragsbediensteter der Beklagten; er hat in dem an alle G***** Haushalte verteilten "G***** Gemeindekurier" Nummer *****, in dem er als Verantwortlicher und die Wahlgemeinschaft Liste M***** als Herausgeberin aufschien, anläßlich der Kritik an den Kosten der Kanalisation alternativ zwei Ursachen der seiner Ansicht nach doppelten Kosten aufgezeigt: "a) Der Amtsleiter versteht von der Kanal-Angelegenheit nichts. Dann ist er falsch am Platz. b) Er sagt den G***** Bürgern bewußt die Unwahrheit. Dann müßte der Bürgermeister als Chef des Personals die Konsequenzen ziehen. In der Privatwirtschaft nennt man so etwas Betrug, wenn man für einen Artikel zweimal bezahlen muß".

Zutreffend haben die Vorinstanzen die vom Kläger erkennbar gegen den Gemeindesekretär öffentlich erhobenen Vorwürfe der Lüge und des Betruges als erhebliche Ehrverletzung eines Vorgesetzten im Sinne des § 39 Abs 2 lit b nö GVBG qualifiziert. Damit hat er jedenfalls den Rahmen sachlicher und gerechtfertigter Kritik in Beleidigungsabsicht überschritten. Ob er mit der Gebührenvorschreibung oder sonstigen Verwaltungsakten im Zusammenhang mit der Kanalisation selbst etwas zu tun hatte, ist ohne Bedeutung. Hatte er damit nichts zu tun, so mußte er umso vorsichtiger mit seinen Äußerungen sein. Im übrigen konnte nicht festgestellt werden, daß die Kritik des Klägers an der Einhebung des Aufschließungsbeitrages und der Kanalgebühren auch nur im Ansatz richtig gewesen ist. Der Kläger hat sogar in dem gegen ihn geführten Strafverfahren im Vergleichswege die Unrechtmäßigkeit seiner Vorwürfe eingestanden und erklärt, sie nicht mehr aufrecht erhalten zu können. Diese Vergleichsergebnisse auch in diesem Verfahren zu berücksichtigen, kann nicht sittenwidrig sein. Der Kläger hat die unsachlichen und grob ehrverletzenden Vorwürfe erhoben, ohne die Einhebung der Gebühren im Rechtswege zu bekämpfen und das Ergebnis eines solchen Verfahrens abzuwarten. Sein Verhalten verstieß auch gegen § 4 GVBG, wonach der Vertragsbedienstete seinen Vorgesetzten und Mitbediensteten mit Achtung zu begegnen hat und sich sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes seiner Stellung angemessen betragen muß.

Diese Vorwürfe gegen den Gemeindesekretär konnten von der Beklagten nicht anders als mit dem sofortigen Abbruch der Beziehungen beantwortet werden und machten damit die Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar (Kuderna, Entlassungsrecht 77 f;

Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz AngG7 644 f; DRdA 1987, 432 f [Wachter];

JBl 1989, 599).

Selbst wenn die Kanalgebühren unrichtig vorgeschrieben worden wären, ging der Vorwurf der Lüge und der vorsätzlichen ungerechtfertigten Bereicherung über jede sachliche Kritik hinaus, weil selbst eine gesetzwidrige Gebührenvorschreibung noch nicht ein strafgesetzwidriges Verhalten in sich begreift. Die Prüfung der Richtigkeit der Kritik konnte daher im Gegensatz zur Meinung des Revisionswerbers unterbleiben.

Zutreffend verneinten die Vorinstanzen auch eine Exkulpierung des Klägers infolge seines Gemeinderatsmandates. Eine berufliche und außerberufliche Immunität kam dem Kläger nicht zu, weil eine dem Art 57 Abs 1 bzw 96 Abs 2 B-VG vergleichbare Regelung der beruflichen Immunität für Mitglieder des Gemeinderates fehlt (vgl Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, 225; Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechtes 166). Aber selbst bei analoger Anwendung der Bestimmungen über die berufliche (sachliche) Immunität wäre für den Kläger nichts gewonnen, bezieht sich diese doch nach herrschender Auffassung nur auf die Äußerungen bei Sitzungen des betreffenden Vertretungskörpers oder dessen Ausschüssen. Äußerungen außerhalb des Sitzungssaales, mögen sie sich auch auf dort behandelte Angelegenheiten beziehen, sind von der beruflichen Immunität nicht gedeckt. Die - für Mitglieder der Gemeinderäte gleichfalls nicht geltende - außerberufliche Immunität nach Art 57 Abs 3 B-VG bietet dem Abgeordneten zwar Schutz vor behördlicher Verfolgung wegen strafbarer Handlungen, die nicht vom Schutz der beruflichen Immunität erfaßt sind und die mit der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten in Zusammenhang stehen, bietet aber keinen Schutz gegen zivilrechtliche Klagen, auch wenn diese politische Angelegenheiten betreffen (Zagler, ÖVA 1970, 141 ff [148 f]; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 139 f; JBl 1989, 246 [Schmoller]). Auch wenn dem Kläger außerberufliche Immunität zukäme, würde sie ihn daher von der zivilrechtlichen Verantwortung als Vertragsbediensteter nicht befreien (RdW 1988, 85; JBl 1989, 599 f mwN).

Der Hinweis auf § 97 Abs 2 nö GBDO 1976, wonach ein Gemeindebeamter,

der zur Ausübung eines Mandates als Mitglied.......eines

Gemeinderates......berufen ist......wegen Ausübung seines Mandates

oder der Funktion........in keine Disziplinaruntersuchung gezogen

werden kann, schlägt nicht durch, weil der Kläger seine Äußerungen nicht in einer Gemeinderatssitzung, sondern außerhalb getätigt hat, so daß auch eine berufliche Immunität, wenn es sie für Gemeinderatsmitglieder gäbe, den Kläger nicht schützen könnte (JBl 1989, 599).

Selbst wenn man auf das Amt des Klägers als Gemeinderat Bedacht nimmt, kann seine Äußerung keine andere Gewichtung erfahren, weil er mit dem Vorwurf einer vorsätzlichen strafbaren Handlung die Grenzen einer berechtigten politischen Kritik überschritten hat.

Aus diesem Grunde unterliegen die Äußerungen des Klägers auch nicht dem Schutz der Art 13 StGG und 10 MRK. Das Recht der freien Meinungsäußerung und auch der politischen Kritik ist kein schrankenloses und ungebundenes. Es findet seine Grenze im Schutz des guten Rufes des Beleidigten (Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Komm 226, 238; ÖBl 1990, 18).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E32432

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00321.92.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19930224_OGH0002_009OBA00321_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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