TE OGH 1993/2/24 9ObA7/93

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Veröffentlicht am 24.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und AR Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers H***** K*****, Angestellter, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wider die Beklagte ***** W***** Versicherungsanstalt, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen S 290.480,77 brutto s. A. (im Revisionsverfahren S 197.920,67 brutto s.A.), infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. September 1992, GZ 31 Ra 66/92-17, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Jänner 1992, GZ 7 Cga 40/91-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 8.836,20 (darin S 1.472,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob dem Kläger die begehrte Kündigungsentschädigung und Urlaubsabfindung zusteht, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin in ihrer Rechtsrüge, sie habe am Kläger kein Interesse gehabt, sein Dienstverhältnis sei nur befristet bzw. nur auflösend bedingt gewesen, der Kläger sei vom Vertrag unberechtigt zurückgetreten, da er die vereinbarte Zahl von Arbeitnehmerübertritten nicht erreicht habe, wogegen sich die Beklagte stets vertragskonform verhalten habe, entgegenzuhalten, daß sie damit nicht vom maßgeblichen Sachverhalt ausgeht.

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen vereinbarten die Parteien am 2. Mai 1991, daß der Kläger ab 1. Juni 1991 auf unbestimmte Zeit bei der Beklagten angestellt werde. Nach der zugleich abgeschlossenen Zusatzvereinbarung sollte der Dienstvertrag aber nur dann "endgültig in Kraft treten", wenn es dem Kläger gelinge, daß mindestens 10 Außendienstmitarbeiter der ehemaligen "M*****-Mannschaft" spätestens mit 1. Juli 1991 ein Dienstverhältnis bei der Beklagten begründen. Die Beklagte hatte nämlich kein Interesse daran, daß nur der Kläger allein zu ihr wechsle. Sollten weniger als 10 Mitarbeiter bei der Beklagten eintreten, werde pro fehlender Person das Gehalt des Klägers um S 5.000,-- gekürzt. Falls nur sieben oder weniger Außendienstmitarbeiter der ehemaligen "M*****-Mannschaft" zur Beklagten wechselten, ende das Dienstverhältnis des Klägers mit 15. Juli 1991.

Der Kläger machte 14 Personen namhaft, die mit ihm ihre Tätigkeit bei der Beklagten beginnen sollten. Zu einer Besprechung Anfang Mai 1991 kamen fünf Interessenten, denen vorbereitete Dienstvertragsangebote ausgehändigt wurden. Aufgrund von nicht vom Kläger zu vertretenden Differenzen und wegen der Befürchtung, daß es dem Kläger nicht gelingen werde, eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern zum Übertritt zu bewegen, erklärte sich der Landesleiter für N***** Ende Mai 1991 nicht mehr bereit, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Der Vorstandsdirektor der Beklagten legte dem Kläger daraufhin nahe, von der getroffenen Vereinbarung einvernehmlich abzugehen. Damit war der Kläger aber nicht einverstanden. Er meldete sich am Montag, den 3. Juni 1991 zum Dienst in der Zentrale der Beklagten in G*****. Er konnte dort den Dienst jedoch nicht antreten, da er weggeschickt wurde. Er erhielt ein Schreiben ausgehändigt, in dem festgehalten wurde, daß das Dienstverhältnis wegen der Nichteinhaltung der Zusatzvereinbarung nicht zustande gekommen sei. Sollte dieser Standpunkt nicht zutreffen, trete die Beklagte hiemit aus wichtigem Grund zurück. Daraufhin erschien der Kläger nicht mehr zum Dienst bei der Beklagten.

Bei diesem Sachverhalt ist den Vorinstanzen vorerst darin beizupflichten, daß für die Beklagte ein Rücktrittsgrund im Sinne des § 30 Abs 2 AngG nicht gegeben war. Darum geht es auch nicht. Nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung hätte der Kläger Anfang Juni 1991 seinen Dienst bei der Beklagten antreten sollen. Die "endgültige" Wirksamkeit seines Dienstvertrages war aber dadurch aufschiebend bedingt, daß es ihm bis spätestens 1. Juli 1991 gelingt, mindestens 10 ehemalige Mitarbeiter zum Überwechseln zur Beklagten zu bewegen. Beide Vertragspartner waren durch diese Vereinbarung gebunden. Auch die Beklagte war demnach verpflichtet, an der Herbeiführung des Bedingungseintritts mitzuwirken; sie hätte alles vermeiden müssen, was zur Bedingungsvereitelung treuwidrig beitragen konnte (vgl. Rummel in Rummel, ABGB2 § 897 Rz 5). Da sie diese Pflicht dadurch verletzte, daß sie dem Kläger am 3. Juni 1991 den Dienstantritt verweigerte und damit auch die Bedingung, mindestens 10 ehemalige Mitarbeiter "mitzubringen" vereitelte, ist sie dem Kläger gegenüber (Erfüllungsfiktion) schadenersatzpflichtig (Rummel aaO Rz 7; SpR 234; JBl 1991, 382 uva.).

Die begehrte Kündigungsentschädigung und Urlaubsabfindung bestehen daher dem Grunde nach zu Recht. Hinsichtlich der Höhe der Ersatzansprüche des Klägers ist § 273 ZPO anzuwenden, wobei von den vereinbarten Entgeltregelungen auszugehen ist. Auch wenn sich das Berufungsgericht mit der Feststellung des Erstgerichts, daß es dem Kläger nach Dienstantritt möglich gewesen wäre, außer den vier tatsächlich übergetretenen jedenfalls noch mindestens acht ehemalige Mitarbeiter zum Eintritt bei der Beklagten zu gewinnen, aus rechtlichen Gründen nicht auseinandersetzte und diese Feststellung daher nicht übernahm, ist es andererseits auch nicht ausgeschlossen, daß es dem Kläger gelungen wäre, die im Zusatzvertrag geforderte Anzahl von Interessenten zum Übertritt zu bewegen. Welche Leistungen diese Dienstnehmer bei der Beklagten erbracht hätten, ist zufolge der nur hypothetisch möglichen Betrachtung nicht feststellbar, zumal offenbleibt, welchen Einfluß der Kläger als aktiver Landesleiterstellvertreter auf die Leistung seiner ehemaligen Mitarbeiter hätte nehmen können. Die Minderleistung der bereits vor dem vorgesehenen Dienstantritt des Klägers zur Beklagten übergewechselten ehemaligen Mitarbeiter des Klägers, die im übrigen nach den Feststellungen schon bei Arbeitsbeginn auf eine demotivierende Ablehnung stießen, ist daher nicht aussagekräftig. Soweit daher die Vorinstanzen insgesamt eine Sollerfüllung des hypothetischen Arbeitserfolges zu zwei Dritteln angenommen haben und die erfolgsabhängigen Entgeltbestandteile des Klägers dementsprechend kürzten, bestehen dagegen keine Bedenken. Die Revisionswerberin übersieht dabei, daß eben wegen der durch sie treuwidrig herbeigeführten Vereitelung der Bedingungen der Zusatzvereinbarung keine verlässlichen Feststellungen darüber möglich sind, welchen Leistungserfolg die nach Dienstantritt des Klägers angeworbenen weiteren Dienstnehmer tatsächlich erbracht hätten. Für Entgeltabzüge wegen "fehlender Mitarbeiter" besteht aus diesen Erwägungen ebenfalls kein Anlaß.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E32045

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00007.93.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19930224_OGH0002_009OBA00007_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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