TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/24 2005/02/0302

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Veröffentlicht am 24.02.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KDV 1967 §58 Abs1 Z2 litc;
KDV 1967 §58 Abs1 Z2 litd;
KDV 1967 §58;
StVO 1960 §46 Abs1;
StVO 1960 §46 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. März 2005, Zl. uvs-2005/27/0600-1, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (mitbeteiligte Partei: TS in K, Deutschland), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 22. Februar 2005 wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, er habe am 27. Juli 2004 um 20.25 Uhr in der Gemeinde Kundl, A 12 bei km 24,3, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten, "schleppenden" Fahrzeuges nicht dafür gesorgt, dass das Gespann unverzüglich bei der nächsten Abfahrt von der Autobahn abgefahren sei; der Reisebus sei zum angegebenen Zeitpunkt auf der angegebenen Fahrtstrecke geschleppt worden, obwohl ein Abfahren bereits bei der Abfahrt Kufstein Nord möglich gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 46 Abs. 3 StVO begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 23. März 2005 Folge, behob dieses Straferkenntnis und stellte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.

In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bestimmung des § 46 Abs. 3 StVO betreffe diejenigen Fälle, wo ein Fahrzeug wegen eines Gebrechens oder dergleichen auf der Autobahn angehalten werden müsse. Derartiges liege im gegenständlichen Fall nicht vor. Wie sich aus dem erstinstanzlichen Akt ergebe, sei mit dem vom Mitbeteiligten gelenkten Fahrzeug ein Reisebus von Deutschland über Österreich nach Italien geschleppt worden. Dieser Fall unterscheide sich sohin von dem im § 46 Abs. 3 StVO normierten Tatbestand, da der Reisebus nicht auf der Autobahn wegen eines Gebrechens oder dergleichen angehalten hätte werden müssen. Es habe sich vielmehr um eine geplante Überstellung eines beschädigten Reisebusses von Deutschland nach Italien gehandelt, wobei hiefür die österreichische Autobahn benützt worden sei.

Gemäß § 58 Abs. 2 Z. 2 lit. d KDV - so die belangte Behörde weiter - dürfe beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen durch Spezialkraftwagen für den Pannendienst oder durch Kfz für den Abschleppdienst mit einer in das Zugfahrzeug dauerhaft integrierten Abschleppeinrichtung (Hubbrille) - wobei das abgeschleppte Kfz teilweise hochgehoben sei und die nicht hoch gehobenen Räder auf der Autobahn liefen - auf Autobahnen bis zu 70 km/h gefahren und daher auch die Autobahn benützt werden. Diese Bestimmung richte sich zwar grundsätzlich an den Pannen- bzw. Abschleppdienst und wolle sohin zweifellos Fälle einer Panne oder eines notwendig gewordenen Abschleppens erfassen, wobei aber auch grundsätzlich fraglich sei, ob im gegenständlichen Fall überhaupt von einem Pannen- oder Abschleppdienst "im eigentlichen Sinn" gesprochen werden könne. Da sich aus dem erstinstanzlichen Akt ergebe, dass keine aktuelle Panne bei dem abgeschleppten Omnibus vorgelegen habe, sondern vielmehr in Deutschland ein beschädigter bzw. reparaturbedürftiger Reisebus erworben worden sei und nach Italien überstellt werden hätte sollen, liege keine Panne im eigentlichen Sinn vor.

Da sohin der gegenständliche Sachverhalt nicht den Tatbestand des § 46 Abs. 3 StVO erfülle, weil der gegenständliche Reisebus nicht wegen eines Gebrechens auf der Autobahn angehalten hätte werden müssen, sondern vielmehr von Deutschland nach Italien "durchgeliefert" worden sei, sei die dem Mitbeteiligten vorgeworfene Tat nicht vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützte Beschwerde des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 46 Abs. 3 StVO lautet:

"Muss auf der Autobahn ein Fahrzeug wegen eines Gebrechens u. dgl. angehalten werden, so ist es möglichst auf dem Pannenstreifen abzustellen. Der Lenker des Fahrzeuges hat dafür zu sorgen, dass er mit ihm die Fahrt ehestens fortsetzen kann. Ist dies nicht möglich, so ist das Fahrzeug unverzüglich über die nächste Abfahrtsstraße von der Autobahn zu entfernen."

Nach § 58 Abs. 1 KDV dürfen beim Verwenden von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr folgende Geschwindigkeiten nicht überschritten werden: ...

"2.

Im Hinblick auf das Ziehen von Anhängern und das Abschleppen von Kraftfahrzeugen ...

c)

beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen, außer in den in der lit. d angeführten Fällen ....................................

 

40 km/h,

d)

beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen durch Spezialkraftwagen für den Pannendienst oder durch Kraftfahrzeuge für den Abschleppdienst mit einer in das Zugfahrzeug dauerhaft integrierten Abschleppeinrichtung (Hubbrille), wobei das abgeschleppte Kraftfahrzeug teilweise hoch gehoben ist und die nicht hoch gehobenen Räder auf der Fahrbahn laufen ...........................................................

       

60 km/h,

 

auf Autobahnen und Autostraßen ................................

70 km/h ..."

Gemäß § 46 Abs. 1 erster Satz StVO dürfen Autobahnen nur mit Kraftfahrzeugen benützt werden, die eine Bauartgeschwindigkeit von mindestens 60 km/h aufweisen und mit denen diese Geschwindigkeit überschritten werden darf ... .

Zu Recht verweist der Beschwerdeführer zunächst darauf, es könne aus § 58 Abs. 1 Z. 2 lit. d KDV und § 46 Abs. 1 StVO nicht geschlossen werden, dass das Abschleppen mit Hubbrille auf der Autobahn (generell) zulässig wäre. Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet der Auffassung des Beschwerdeführers bei, dass diese Bestimmungen mit der Vorschrift des § 46 Abs. 3 StVO nicht in Zusammenhang zu bringen sind. § 58 Abs. 1 Z. 2 lit. d KDV iVm § 46 Abs. 3 StVO ist vielmehr dahin zu verstehen, dass auch bei einem Abschleppvorgang mit einer höchstzulässigen Geschwindigkeit von 70 km/h die Autobahn bei Vorliegen der in § 46 Abs. 3 StVO angeführten Voraussetzungen über die nächste Abfahrtsstraße zu verlassen ist, zumal die höchstzulässige Geschwindigkeit nach § 58 KDV mit den in § 46 Abs. 3 StVO normierten Pflichten nichts zu tun hat (sodass im Übrigen bei Anwendbarkeit des § 58 Abs. 1 Z. 2 lit. c KDV Gleiches gilt). Die gegenteilige, vom Mitbeteiligten in der Gegenschrift ins Treffen geführte Rechtsanschauung von verschiedenen Ämtern der Landesregierung vermag der Gerichtshof daher ebenso wenig zu teilen wie - von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitiert - jene von Pürstl-Somereder, Straßenverkehrsordnung, 11. Auflage, Anm. 3 Ende zu § 46 Abs. 3.

Wohl ist im Beschwerdefall davon auszugehen, dass das "Gebrechen" am geschleppten Fahrzeug (Bus) nicht auf der Autobahn (in Österreich) eingetreten ist, sondern die Auffahrt offenbar bereits in Deutschland (in diesem Zustand des Busses) erfolgte. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war der Mitbeteiligte auch in diesem Fall - ob ein "gewerblicher" Transport und eine "geplante Überstellung" des Busses vorlag, ist rechtlich unerheblich - verpflichtet, das Gebot des § 46 Abs. 3 dritter Satz StVO zu beachten. Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht würde nämlich - auch darin ist dem Beschwerdeführer Recht zu geben - zu dem, dem Schutzzweck des § 46 Abs. 3 StVO (d.i. die Verkehrssicherheit auf Autobahnen) entgegenstehenden geradezu abwegigen Ergebnis führen, dass zwar ein Fahrzeug, bei welchem das Gebrechen auf der Autobahn aufgetreten ist, über die nächste Abfahrtsstraße zu entfernen wäre, ein Fahrzeug aber, das bereits vorher ein solches Gebrechen hatte, die Autobahn weiter benützen, ja sogar auf diese auffahren dürfte.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, was ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet.

Dem Vorbringen des Mitbeteiligten in der Gegenschrift, womit er auf die oben zitierte Rechtsanschauung von verschiedenen Ämtern der Landesregierung verweist und damit sein Verschulden an der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung bestreitet (er habe somit "keinesfalls fahrlässig oder vorsätzlich" gehandelt), ist zu erwidern, dass es sich bei diesem Vorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt:

Ein derartiges Vorbringen im Verwaltungsverfahren stammt nämlich nicht vom Mitbeteiligten selbst, sondern von einem unbeteiligten Dritten. Dass aber der Mitbeteiligte bei der Begehung der vorgeworfenen Tat in Kenntnis dieser (unrichtigen - vgl. oben) Rechtsanschauung war, lässt sich weder aus dem erwähnten Vorbringen dieses Dritten, noch aus dem übrigen Verwaltungsgeschehen entnehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 24. Februar 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005020302.X00

Im RIS seit

23.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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