TE OGH 1993/3/31 9ObA64/93

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Veröffentlicht am 31.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Ignaz Gattringer und Dr.Alfred Hoppi als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl W*****, Kraftfahrer, *****, vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Karl R*****, Unternehmer, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 51.593,03 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Jänner 1993, GZ 7 Ra 103/92-18, womit der Beschluß des Landesgerichtes Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13.August 1992, GZ 35 Cga 58/91-11, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Der Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles vom 13.6.1991, GZ 35 Cga 58/91-4, wird abgewiesen."

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Dem Rekursgericht wird die Fortsetzung des Rekursverfahrens über den unerledigten Teil des Rekurses des Beklagten aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Beklagte erschien bei der 1.Tagsatzung am 25.4.1991 persönlich und bestritt das Klagebegehren. Die Ladung zur Tagsatzung zur mündlichen Steitverhandlung vom 13.6.1991 wurde dem Beklagten durch Hinterlegung zugestellt und die Verständigung von der Hinterlegung nach dem Bericht des Zustellers in den Briefkasten eingelegt. Da der Beklagte nicht zur Verhandlung erschien, erließ das Erstgericht ein Versäumungsurteil, das dem Beklagten am 15.6.1991 durch Hinterlegung zugestellt wurde. Diesmal wurde die Verständigung von der Hinterlegung nach dem Bericht des Zustellers in das Hausbrieffach eingelegt.

Am 11.Juni 1992 beantragte der Beklagte, die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles aufzuheben und eine Streitverhandlung anzuberaumen oder zumindest das Versäumungsurteil zuzustellen und hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 13.6.1991 und der Frist zur Erhebung des Widerspruches gegen das Versäumungsurteil zu bewilligen. Gleichzeitig erhob er Widerspruch. Er habe wegen Fehlern bei der Zustellung weder die Ladung zur Verhandlung noch das Versäumungsurteil erhalten.

Das Erstgericht wies nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens sämtliche Anträge zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte die Zurückweisung des Antrages auf Anberaumung einer neuerlichen Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung, hob die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung auf und trug dem Erstgericht auf, das Versäumungsurteil dem Vertreter des Beklagten zuzustellen. Mit seinen weiteren Eventualanträgen wurde er auf diese Entscheidung verwiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Abänderungsantrag, den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit zurück (richtig: ab-)zuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Gemäß § 17 Abs 2 ZustG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen. Der Zusteller hat also die Wahl, ob er die Hinterlegungsanzeige in einen Briefkasten, einen Briefeinwurfschlitz in der Wohnungstüre oder ein Hausbrieffach einlegt (Walter-Mayer, Zustellrecht Anm 20 zu § 17 ZustG). Es muß nur die objektive Gewähr gegeben sein, daß die Verständigung den Empfänger erreichen kann.

Zutreffend zeigt der Rekurswerber auf, daß die unterschiedliche Beschreibung der Vorrichtung, die die Zusteller zum Einlegen der Verständigung von der Hinterlegung benützten, einmal als "Briefkasten" und einmal als "Hausbrieffach" keine Nichtigkeit des Zustellvorganges begründet.

Ob die Zusteller an der Abgabestelle tatsächlich eine Wahlmöglichkeit zwischen einem "Briefkasten" und einem "Hausbrieffach" zum Einlegen der Verständigung vorfanden (wofür das Bescheinigungsverfahren keinen Anhaltspunkt ergab) oder ob sie die zum Einlegen der Postsendungen vorhandene Vorrichtung im Zustellbericht nur unterschiedlich bezeichnet haben, kann auch auf sich beruhen, weil die Gültigkeit der Zustellung in beiden Fällen nicht beeinträchtigt wurde.

Dasselbe gilt für die Verwendung verschiedener Schreibutensilien oder unterschiedlicher Schriftbilder, die der Zusteller damit erklärte, daß er die Rückscheine vorgeschrieben hat. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ergab sich daher kein konkreter Anhaltspunkt für eine mangelhafte Zustellung.

Da eine im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung gemäß § 17 Abs 4 ZustG auch dann gültig ist, wenn die in § 17 Abs 2 leg cit genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde, wird die Wirksamkeit der Zustellungen auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Verständigungen dem Zustellempfänger (nach seinen Behauptungen) nicht zugekommen sind. Die Unkenntnis von einer gesetzmäßigen Zustellung könnte lediglich einen Wiedereinsetzungsgrund bilden (SZ 47/99; EFSlg 55.725 ua).

Dem Revisionsrekurs des Klägers ist daher Folge zu geben und der Antrag auf Aufhebung der Rechtskrafts- und Vollstreckbarkeitsbestätigung abzuweisen.

Da das Rekursgericht infolge seiner Rechtsansicht über den Rekurs des Beklagten, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 13.6.1991 und der Frist zur Erhebung des Widerspruches gegen das Versäumungsurteil sowie gegen die Zurückweisung des Widerspruches richtete, nicht entschieden hat, sondern den Rekurswerber auf seine Entscheidung verwies, war der zweiten Instanz die Fortsetzung des Rekursverfahrens aufzutragen.

Der Zuspruch der Kosten dieses Zwischenverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E32381

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00064.93.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19930331_OGH0002_009OBA00064_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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