TE OGH 1993/3/31 7Ob535/93(7Ob536/93)

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Veröffentlicht am 31.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. I. Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Patricia H*****, und Nina H*****, vertreten durch ihre Mutter Christa H*****, diese vertreten durch Dr. Elisabeth Constanze Schaller, Rechtsanwalt in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Christian H*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 23. Dezember 1992, GZ R 585, 910/92-48, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen ON 36, 42 und 48 werden im Umfang der Anfechtung, das ist hinsichtlich des Unterhaltserhöhungsbegehrens für die Zeit vom 1.1.1990 bis 31.3.1991, aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Unterhaltserhöhungsantrag für diesen Zeitraum nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die mj. Patricia und Nina stammen aus der am 11.6.1987 im Einvernehmen geschiedenen Ehe des Christian und der Christa H*****. In dem anläßlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleich vom selben Tag wurde die Obsorge der Mutter zugeteilt. Der Vater verpflichtete sich, ab 1.6.1987 monatliche Unterhaltsbeiträge von je S 3.500,-- für die Kinder zu zahlen. Diese Vergleichspunkte wurden am 1.9.1987 pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Hinsichtlich der den Eltern je zur Hälfte gehörenden Liegenschaft mit dem darauf errichteten, von der Familie bewohnten Haus wurde folgende Vereinbarung getroffen: Die Mutter übertrug ihren Hälfteanteil an den Vater, der ihr als Gegenleistung ein Gebrauchsrecht bis zum 31.5.2002 einräumte. Die Mutter verpflichtete sich, während der Ausübung des Gebrauchsrechtes die Darlehensrate aus der Wohnbauförderung zurückzuzahlen, die Betriebskosten zu leisten und für die Erhaltung des derzeitigen Zustandes zu sorgen, während für die Erhaltung der Substanz des Hauses der Vater aufkommen sollte.

Von Oktober 1987 bis 13.3.1991 wohnte der Vater wieder in diesem Haus bei seinen Kindern und seiner geschiedenen Ehefrau, mit der er eine Lebensgemeinschaft führte.

Am 14.6.1991 beantragte die Mutter, die Unterhaltsbeiträge für Patricia für die Zeit vom 1.6.1989 bis inklusive Mai 1991 auf S 4.500,-- und ab 1.6.1991 auf S 5.000,-- und für Nina für die Zeit ab 1.6.1989 bis inklusive Mai 1991 auf S 4.000,-- und ab 1.6.1991 auf S 4.500,-- je samt 4 % Zinsen ab Antragstag zu erhöhen. Dieser Antrag wurde in der Folge mehrmals modifiziert (ON 16, ON 33). Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 31.7.1991 wurden zunächst ab 1.6.1991 monatliche Unterhaltsbeiträge von S 5.000,-- für Patricia und S 4.500,-- für Nina zuerkannt. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 19.11.1991 wurde dem inzwischen gestellten weiteren Erhöhungsantrag auf S 8.000,-- für Patricia und S 7.000,-- für Nina ab 1.6.1991 teilweise entsprochen; es wurden ab diesem Zeitpunkt monatliche Beträge von S 6.000,-- für Patricia und S 5.500,-- für Nina festgelegt. Diese Unterhaltsfestsetzung ab 1.6.1991 ist in Rechtskraft erwachsen.

Für den davor liegenden Zeitraum beantragte die Mutter am 6.9.1991 bereits eine Erhöhung ab 1.1.1989, und zwar zunächst auf S 5.000,-- pro Kind und ab 1.1.1990 auf S 7.500,-- für Nina und auf S 6.000,-- für Patricia. Mit am 20.3.1992 eingelangten Antrag begehrte sie schließlich ab 1.1.1989 bis 31.5.1991 S 5.000,-- monatlich für Patricia und S 4.500,-- für Nina.

Der Vater sprach sich gegen jede Erhöhung aus und behauptete im wesentlichen, den Unterhaltsbedarf der Kinder während der Zeit der Lebensgemeinschaft durch Geld- und Naturalleistungen zur Gänze abgedeckt zu haben.

Die Mutter bestritt dies und brachte vor, der Vater habe sie gezwungen, auf je S 2.000,-- monatlich übersteigende Unterhaltszahlungen zu verzichten; er habe keine wesentlichen sonstigen Beiträge zu den gemeinsamen Haushaltskosten geleistet.

Mit Beschluß vom 13. April 1992, ON 36, erhöhte das Erstgericht die Unterhaltsbeiträge für die Zeit vom 1.4.1991 bis 31.5.1991 auf S 5.000,-- monatlich für Patricia und auf S 4.500,-- monatlich für Nina und wies das Erhöhungsbegehren für die Zeit vom 1.1.1989 bis 31.3.1991 ab. Den Zuspruch begründete das Erstgericht damit, daß vom Vater ab dem auf die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft folgenden Monatsersten ausschließlich Geldunterhalt zu leisten sei, der in der begehrten Höhe seinen Einkommensverhältnissen angemessen sei.

Hinsichtlich des abweisenden Teiles der Entscheidung führte das Erstgericht aus:

Während der Lebensgemeinschaft hätten sich gegenüber der Zeit vor der Ehescheidung keinerlei Änderungen ergeben. Der Vereinbarung der Eltern, daß der Vater lediglich monatliche Unterhaltsbeiträge von je S 2.000,-- zu leisten habe, sei zugrunde gelegen, daß die Mutter mit ihrem Einkommen als Lehrerin für die gesamten Lebenskosten des Familienhaushaltes aufzukommen und der Vater sein Einkommen, soweit er es nicht verbraucht habe, zwecks Vermögensbildung auf ein Sparbuch zu legen habe. In einer mit 22.3.1991 datierten Verpflichtungserklärung habe die Mutter bestätigt, daß ihr der Unterhalt der Kinder in der Zeit vom 1.6.1987 bis inklusive April 1991 in voller Höhe zugegangen sei. Sie habe sich verpflichtet, den Vater bezüglich allenfalls darüber hinausgehender Unterhaltsansprüche schad- und klaglos zu halten. Der monatliche Beitrag des Vaters von S 4.000,-- sei auf ein auf beide Elternteile lautendes Konto überwiesen worden. Von diesem Konto seien durch Einziehungsaufträge alle Zahlungen, die für das Haus zu tätigen gewesen seien, geleistet worden. Neben diesen Geldunterhaltsleistungen habe der Vater Essensmarken seines Arbeitgebers im Wert von monatlich S 1.000,-- der Familie zur Verfügung gestellt. Er habe sich teilweise an den Lebensmitteleinkäufen für die Familie beteiligt. Die Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke seien von ihm angeschafft worden. Er sei auch für die Kosten der Sommerurlaube der Kinder aufgekommen. Der Vater habe 1989 insgesamt S 376.174,97, 1990 S 467.395,92 und im ersten Halbjahr 1991 S 280.019,84 netto bezogen. Die Mutter habe als Volksschullehrerin ein monatliches Nettoeinkommen von S 16.800,-- ohne Sonderzahlungen. Für die Zeit der Lebensgemeinschaft sei davon auszugehen, daß der Vater entsprechende Betreuungsleistungen für die Kinder erbracht habe. Unter Berücksichtigung der gerichtlich festgesetzten Unterhaltsbeiträge, der vom Vater erbrachten Natural- und Betreuungsleistungen und der von ihm an die Mutter weitergegebenen Familienbeihilfe seien die im Haushalt ihrer Eltern lebenden Kinder ausreichend versorgt worden. Dem Antrag für den Zeitraum vom 1. Jänner 1989 bis 31. März 1991 sei daher ein Erfolg zu versagen. Selbst unter der Annahme aber, daß die Bedürfnisse der Kinder durch die Beiträge des Vaters nicht voll gedeckt worden sein sollten, sei eine Unterhaltserhöhung für diese Zeit nicht gerechtfertigt. Unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes sei ein stillschweigender Verzicht der Mutter auf erhöhten Geldunterhalt für den Zeitraum der Lebensgemeinschaft anzunehmen, weil sie trotz ihrer Behauptung, der Vater habe keinen angemessenen Unterhalt geleistet, eine entsprechende Antragstellung unterlassen habe. Ihr schlüssiger Verzicht sei durch die Unterfertigung der Erklärung vom 22.3.1991 (den Vater hinsichtlich der S 2.000,-- pro Kind übersteigenden Beträge schad- und klaglos zu halten usw) bekräftigt worden.

Gegen den abweisenden Teil dieses Beschlusses erhob die Mutter eine Vorstellung mit dem Begehren, den Beschluß im Sinne einer Stattgebung

des Erhöhungsantrages ab 1.1.1989 abzuändern.

Mit Beschluß vom 15. Mai 1992, ON 42, gab das Erstgericht der Vorstellung nicht Folge.

Die Mutter bekämpfte nun sowohl den Beschluß ON 36, soweit er ihr Erhöhungsbegehren abwies, als auch den Beschluß ON 42 mit Rekurs.

Mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 23. Dezember 1992, ON 48, wurde der Rekurs der Mutter, soweit er gegen die Sachentscheidung ON 36 gerichtet war, zurückgewiesen. Im übrigen wurde dem Rekurs teilweise Folge gegeben und in teilweiser Stattgebung der Vorstellung in der Sache dahin entschieden, daß die Unterhaltsbeiträge für die Zeit vom 1.1.1990 bis 31.3.1991 für Patricia auf S 5.000,-- und für Nina auf S 4.500,-- erhöht wurden, das Erhöhungsbegehren für die Zeit vom 1.1.1989 bis 31.12.1989 aber abgewiesen wurde. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs hinsichtlich beider Entscheidungen nicht zulässig sei. Auszugehen sei von einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von S 29.368,-- im Jahr 1989, von S 39.202,-- im Jahr 1990 und von S 46.839,-- im Jahr 1991, je ohne Familienbeihilfe. Das Erhöhungsbegehren sei insbesondere wegen des Einkommenssprunges in Höhe von ca S 10.000,-- von 1989 auf 1990 ab 1990 gerechtfertigt. Zu berücksichtigen sei gewesen, daß der Vater in der Zeit vom 1.1.1989 bis 31.3.1991 seiner Familie Essensmarken im Wert von monatlich S 1.000,-- zur Verfügung gestellt habe, für die Kosten der Sommerurlaube aufgekommen sei und auch eine Naturalleistung durch teilweise Beistellung der Ehewohnung geleistet habe. Eine Erhöhung für 1989 sei daher nicht gerechtfertigt.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs bekämpft der Vater jenen Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes, mit dem dem Erhöhungsantrag der Mutter für die Zeit vom 1.1.1990 bis 31.3.1991 entsprochen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Vor Eingehen in die Ausführungen des Revisionsrekurses ist festzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung mit dem Rekurs gemäß § 9 Abs 4 AußStrG nicht bloß die Entscheidung über die Vorstellung, sondern auch der dieser zugrunde gelegene, nur mit der Vorstellung angefochtene Beschluß bekämpft werden kann, und zwar binnen 14 Tagen vom Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses über die Vorstellung (SZ 14/130, SZ 26/9, JBl 1953, 663; EvBl 1957/422, 661; 6 Ob 799/77, 5 Ob 531/83, 2 Ob 527/83, 6 Ob 594/84).

Die (in Rechtskraft erwachsene) Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluß ON 36 bewirkte im vorliegenden Fall aber nicht, daß der Beschluß ON 36 rechtskräftig wurde. Denn die Mutter hat nicht von der Wahlmöglichkeit, entweder die eine oder die andere Entscheidung zu bekämpfen, Gebrauch gemacht, sondern beide Beschlüsse bekämpft. Da auch der Rekurs gegen den über die Vorstellung ergehenden Beschluß sachlich zu erledigen ist und bei einer Häufung der Rechtsmittel jedenfalls auf einen der beiden Rekurse sachlich einzugehen ist, kann die Zurückweisung des einen oder anderen Rechtsmittels - hier: des Rekurses gegen den die Vorstellung erledigenden Beschluß - nicht schaden (vgl JBl 1974, 323 mit zustimmender Äußerung von König in JBl 1974, 303 ff).

Der Vater wendet sich im wesentlichen dagegen, daß das Berufungsgericht seine Behauptung, während aufrechter Lebensgemeinschaft entsprechende Naturalleistungen erbracht zu haben, unbeachtet gelassen und das bisherige Unterbleiben seiner Einvernahme nicht als Verfahrensmangel erkannt habe. Es gehe nicht um die Frage der Unterhaltsbemessung, sondern darum, ob die Kinder auch für die Zeit der aufrechten Lebensgemeinschaft ihrer Eltern, während der sie im gemeinsamen Familienverband Naturalleistungen empfangen hätten, Unterhalt fordern könnten und ob die Abänderung des Geldunterhaltes in einen Naturalunterhalt unter diesen Umständen einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe. Dies hätte das Rekursgericht bei richtiger rechtlicher Beurteilung verneinen müssen.

Der Rekurswerber zeigt damit zu Recht auf, daß sich das Rekursgericht mit der hier wesentlichen Problematik nicht auseinandergesetzt hat.

Ungeachtet dessen ist zunächst festzuhalten, daß die Rechtsansicht des Erstgerichtes, die Mutter habe wirksam namens ihrer Kinder auf die vom Vater erbrachten Unterhaltsleistungen übersteigende Beträge im fraglichen Zeitraum jedenfalls verzichtet, nicht nur dem beiderseitigen Vorbringen der Elternteile widerspricht (vgl insbesondere das Vorbringen des Vaters in ON 13, AS 50), sondern auch daran scheitert, daß ein Unterhaltsverzicht zu Lasten Minderjähriger der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte (RpflSlg E 1989/163).

Ob die Anfechtung der Verpflichtungserklärung vom 22.3.1991 im Verfahren 1 C 104/91 des Erstgerichtes, in der die Mutter nach ihren Behauptungen Sittenwidrigkeit geltend machte, erfolgreich war, läßt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen. Ungeachtet dessen ist aus dieser Erklärung für den Antragsgegner im vorliegenden Unterhaltsverfahren nichts zu gewinnen. Diese Erklärung ließe nämlich, selbst wenn sie als rechtswirksam anzusehen wäre, nur den Schluß zu, daß die Mutter selbst Ersatz der allenfalls von ihr zugunsten der Kinder erbrachten Alimentationsleistungen, die der Vater zu erbringen gehabt hätte, nicht erwartet hat, sodaß nach dem bisherigen Akteninhalt nicht davon ausgegangen werden kann, daß der nun namens der Kinder erhobene Anspruch gegen den Vater erloschen sei (vgl JBl 1991, 309).

Zu der Frage, ob und allenfalls in welcher Art Sachleistungen, die der Unterhaltspflichtige neben dem ihm auferlegten bzw neben dem von ihm geleisteten Geldunterhalt in der Vergangenheit freiwillig erbracht hat, bei der die Vergangenheit betreffenden Ausmessung des gebührenden Unterhalts und damit der Beurteilung des Anspruches des Unterhaltsberechtigten auf höheren als den bisher zuerkannten Unterhalt für die Vergangenheit zu berücksichtigen sind, hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 8.10.1991, 5 Ob 544/91 in einem bezüglich dieses Problemkreises vergleichbaren Fall erwogen, daß die hiebei auftretende Problematik vor allem darin bestehe, daß allfällige Sachleistungen vom Unterhaltspflichtigen, soweit sie den auf Geldunterhalt lautenden Titel übersteigen, unter der Annahme ihrer Freiwilligkeit erbracht wurden, diese Leistungen nunmehr jedoch unter einem anderen Gesichtspunkt betrachtet werden müssen, nämlich dahin, ob sie bei Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von seiner Verpflichtung zur Leistung eines höheren Geldunterhaltes ebenfalls erbracht worden wären. Dazu kommt noch, daß die freiwillig erbrachten Naturalleistungen in der Regel irreversibel sind, also in Kenntnis der wahren Unterhaltsverpflichtung bzw des wahren Unterhaltsanspruches nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Unter diesen Umständen erscheine es im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Problematik durchaus vertretbar, die von den Gerichten zweiter Instanz bei Prüfung des Vorliegens einer Unterhaltsverletzung als Voraussetzung für die gerichtliche Unterhaltsfestsetzung entwickelte Rechtsprechung heranzuziehen und bei dieser Prüfung grundsätzlich alle Geld- und Naturalleistungen (mit Unterhaltscharakter) in Anschlag zu bringen. Davon ausgehend müsse - um rückblickend eine gerechte Lösung zu finden - geprüft werden, ob der Unterhaltspflichtige diese Naturalleistungen auch dann erbracht hätte, wenn er bereits zur Zeit deren Leistung von der ihn rückwirkend treffenden höheren Unterhaltsverpflichtung Kenntnis gehabt hätte. Im Zweifel sei eine solche Absicht des Unterhaltspflichtigen nicht zu vermuten. Inwieweit aber grundsätzlich anrechenbare Leistungen bei der rückwirkenden Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien, richte sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei der gesamte Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten, also alle seine Unterhaltsbedürfnisse, den Lebensverhältnissen entsprechend ausgewogen abgedeckt werden müssen und eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentation in einem Teilbereich nicht zur Kürzung in einem anderen Teilbereich der Bedürfnisse führen dürfe.

Die Ausführungen der Unterinstanzen lassen eine Prüfung, ob und allenfalls inwieweit der Vater nach diesen Grundsätzen für den noch strittigen Zeitraum zu einem gegenüber dem Titel erhöhten Geldunterhalt herangezogen werden kann, nicht zu.

Die teils feststellenden, teils wertenden Ausführungen des Erstgerichtes hiezu sind teils in sich widersprüchlich und teils unvollständig, sodaß der hier wesentliche Sachverhalt noch nicht gesichert feststeht. Es ist insbesondere noch nicht klargestellt, in welchem Umfang der Vater nun tatsächlich Leistungen für den Unterhalt der Kinder erbracht hat.

Die Widersprüchlichkeit der erstgerichtlichen Entscheidung liegt vor allem darin, daß der Vater einerseits nur S 4.000,-- monatlich an Geldleistungen zur Verfügung gestellt haben soll, wobei dieser Betrag aber keineswegs den Kindern direkt zugute gekommen, sondern zur Deckung der laufenden Auslagen für das Haus verwendet worden sein soll. Andererseits sollen aber die Kinder "unter Berücksichtigung der gerichtlich festgesetzten Unterhaltsbeiträge" und der Natural- und Betreuungsleistung ausreichend versorgt worden sein. An Naturalleistungen des Vaters wurden aber lediglich die Essensmarken, die teilweise Beteiligung an Lebensmitteleinkäufen und die Finanzierung von Geschenken und Urlauben angeführt. Diese Aufzählung ist teilweise aktenwidrig, weil bislang weder die Mutter noch der Vater behauptet oder ausgesagt haben, der Vater hätte entsprechend ins Gewicht fallende Betreuungsleistungen erbracht, andererseits unvollständig, weil sich daraus nicht annähernd ableiten läßt, welchen Umfang die Lebensmitteleinkäufe usw hatten. Auf die Behauptungen des Vaters, er sei regelmäßig, zumindest alle zwei Monate bei der Firma M***** einkaufen gewesen, habe dort Großeinkäufe getätigt, sämtliche Grundnahrungsmittel, Toilettartikel, Getränke eingekauft; er habe etwa alle zwei bis drei Monate Großeinkäufe bei verschiedenen Fleischhauern getätigt, die Kinder jedes Jahr im Herbst komplett neu eingekleidet usw, wurde bisher in keiner Weise eingegangen. Soweit überhaupt Feststellungen getroffen wurden, beruhen sie auf einem mangelhaften Verfahren, weil bisher nur die Mutter, nicht aber der Vater zu den hier anstehenden, entscheidungswesentlichen Fragen einvernommen wurde. Unbeachtet blieb bisher auch die Behauptung der Mutter, der Vater habe das Sparbuch, das er indirekt durch seine Haushaltsersparnis speisen habe können, bei seinem Auszug mitgenommen. Sollte dies richtig sein, wären diese Gelder der Verwendung für den Unterhalt der Kinder entzogen.

Inwieweit der Vater durch die teilweise Beistellung der Wohnung zum Unterhalt der Kinder beigetragen haben soll, wie das Rekursgericht meint, ist weder den erstgerichtlichen Feststellungen noch den eigenen Behauptungen des Vaters zu entnehmen. Die anläßlich der Ehescheidung getroffene Vereinbarung der Eltern über das Gebrauchsrecht der Mutter und deren Verpflichtung, die laufenden Darlehensrückzahlungen und Auslagen für das Haus zu leisten, spricht vielmehr gegen die Annahme des Rekursgerichtes, der Vater habe der Familie für die Dauer der Lebensgemeinschaft seine Wohnung auf seine Kosten zur Verfügung gestellt.

Wegen der in beiden Instanzen unterlaufenen Feststellungs- und Verfahrensmängel waren daher die Entscheidungen der Untergerichte, soweit sie noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind, in Stattgebung des außerordentlichen Rekurses des Vaters aufzuheben.

Anmerkung

E34257

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00535.93.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19930331_OGH0002_0070OB00535_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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