TE OGH 1993/4/6 11Os131/92

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Veröffentlicht am 06.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. April 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Hager, Dr. Schindler und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johannes K***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 30. September 1992, GZ 18 Vr 1385/89-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugemittelt.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johannes K***** (im zweiten Rechtsgang neuerlich) des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs 2 StGB (A) und des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Fussach

A) am 30. März 1989 in zwei Angriffen sowie abermals am 2. April 1989

jeweils durch Anzünden des in seinem Alleineigentum stehenden Einfamilienhauses in der (damals so genannten) Mühlwasenstraße 568 an einer eigenen Sache eine Feuersbrunst verursacht und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben sowie für das Eigentum Dritter in großem Ausmaß, nämlich der durch das Übergreifen des Feuers gefährdeten Nachbarobjekte sowie der Bewohner der Nachbarhäuser, herbeigeführt und

B) am 4. April 1989 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Ersten Allgemeinen Versicherungs-AG durch Erstellung und Unterfertigung eines durch Verschweigen seiner Eigenbrandstiftung zu Punkt A) des Schuldspruches unrichtigen Brandschadenserhebungsprotokolles, somit durch Nichtanführung eines die Leistungsfreiheit des Versicherten (richtig: Versicherers) begründenden Umstandes und damit durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Erbringung einer Versicherungsleistung in Höhe von jedenfalls drei Millionen S, zu verleiten versucht, wobei die Erste Allgemeine Versicherungs-AG einen 500.000 S übersteigenden Schaden an ihrem Vermögen erleiden sollte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung zahlreicher Beweisanträge Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt.

Mit dem Antrag auf Durchführung einer brandtechnischen Untersuchung durch einen Brandsachverständigen oder "die brandtechnische Untersuchungsanstalt in Linz unter Rekonstruktion der tatsächlichen Gegebenheiten" begehrt der Angeklagte der Sache nach die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen. Abgesehen davon, daß die Strafprozeßordnung nur unter bestimmten, gesetzlich determinierten Voraussetzungen (§§ 118 Abs 2, 125, 126 StPO) die ausnahmsweise Einholung des Gutachtens eines zweiten Sachverständigen vorsieht, wurden - wie die Beschwerde selbst einräumt - im gegenständlichen Strafverfahren schon mehrere Sachverständige gehört und vor allem im zweiten Rechtsgang - einem entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers folgend als sogenanntes "Obergutachten" das Gutachten eines weiteren Sachverständigen nämlich des Dr. L*****, eingeholt und der Verteidigung die Möglichkeit der ausführlichen Befragung (auch) dieses Sachverständigen eingeräumt. Insoweit übersieht der Beschwerdeführer, daß sich die im zweiten Rechtsgang befaßten Sachverständigen auf der Basis des Ergänzungsbefundes und Nachtragsgutachtens des Sachverständigen Ing. Ernst B***** (ON 68a) auch mit den - schon im ersten Rechtsgang vorgetragenen und nunmehr im zweiten Rechtsgang wiederholten - Hypothesen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt haben, weshalb mit diesem Teil der Beschwerde keine Aufklärungsrüge ausgeführt, vielmehr schon im Rahmen der Verfahrensrüge der Versuch unternommen wird, die Schlußfolgerungen des erkennenden Gerichtes aus dem von mehreren Sachverständigen aufbereiteten Sachverhalt in Frage zu stellen. Besonders deutlich wird das dort, wo die Beschwerde sich mit der Beweiskraft von Zeugenaussagen und anderen Beweisergebnissen auseinandersetzt.

Aus dem Gesagten erhellt aber auch, daß die übrigen Beweisanträge ohne Verletzung von Verteidigungsrechten des Angeklagten der Abweisung anheim fielen, weil - soweit das erkennende Gericht das angestrebte Beweisergebnis nicht ohnedies seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat - es sich bei den angeführten Beweisthemen um - von den Sachverständigen mitberücksichtigte - Hypothesen handelt, und der Beschwerdeführer zudem nicht darzutun vermochte, inwiefern aus der Aufnahme der von ihm beantragten (weiteren) Beweise eine wesentliche Erweiterung der Entscheidungsgrundlagen erwartet werden könnte. In Wahrheit kritisiert der Beschwerdeführer auch hiemit auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise nach Art einer Schuldberufung die beweiswürdigenden (§ 258 Abs 2 StPO) Schlußfolgerungen der erkennenden Richter.

Die Beschwerde rügt schließlich unter diesem Nichtigkeitsgrund die Abweisung des Antrags auf "Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Kinderpsychologie bzw Kinderpsychiatrie, in eventu die Rückverweisung des Aktes an den Untersuchungsrichter, damit der Untersuchungsrichter in Anwesenheit und unter Anleitung eines Kinderpsychologen bzw Kinderpsychiaters" die beiden Kinder Günther und Mark vernehme. Damit verkennt sie, daß die Beweiswürdigung gemäß dem § 258 StPO ausschließlich den erkennenden Richtern zukommt, die sich auf Grund des Beweisverfahrens, des persönlichen Eindruckes von Zeugen und Angeklagten sowie ihrer Berufs- und Lebenserfahrung über die Verläßlichkeit der Aussagen schlüssig zu werden haben. Das Gutachten eines Psychiaters oder Jugendpsychologen wäre demnach nur dann einzuholen, wenn die Tatrichter dies im Fall festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht, bei Vorliegen von Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten von Jugendlichen für erforderlich erachteten (siehe Mayerhofer-Rieder StPO3, ENr 117 ua zu § 281 Abs 1 Z 4).

Die Verfahrensrüge geht sohin zur Gänze fehl.

Aber auch die Mängelrüge (Z 5) ist nicht im Recht.

Behauptet wird damit, die Urteilsbegründung sei aktenwidrig, unzureichend (mangelhaft), nicht logisch, unvollständig und undeutlich im Sinn des angeführten Nichtigkeitsgrundes.

Zunächst zur Aktenwidrigkeit:

Dieser Begründungsmangel liegt nur vor, wenn in den Entscheidungsgründen der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 185 zu § 281 Abs 1 Z 5). In keinem der von der Beschwerde als aktenwidrig bezeichneten Fälle liegt derartiges vor. Zum Teil handelt es sich nämlich nicht - wie die Beschwerde behauptet - um Zitate von Aussagen oder Urkunden, sondern um die in bezug auf zahlreiche Konstatierungen aufgestellte Behauptung, aus den verwerteten Beweisen ließen sich die tatsächlich gezogenen Schlußfolgerungen nicht ableiten (ohne daß allerdings eine unterlaufene Denkgesetzwidrigkeit nachgewiesen würde) oder aber, es wären günstigere Schlußfolgerungen möglich. Zum Teil sind von den behaupteten Aktenwidrigkeiten keine entscheidungswesentlichen Tatsachen berührt, oder die Ausführungen erschöpfen sich (neuerlich) in der Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung. Entgegen den Beschwerdebehauptungen hat das Schöffengericht denkfolgerichtig und im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung, sohin mängelfrei dargelegt, aus welchen Erwägungen es die leugnende Verantwortung des Angeklagten verwarf. Da es sich dabei auch mit sämtlichen vorliegenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat, ist es seiner Begründungspflicht iSd § 270 Abs 2 Z 5 StPO nachgekommen. Der in der Mängelrüge unternommene Versuch, unter Übergehung maßgeblicher Urteilserwägungen einzelnen Argumenten ausreichende Tragfähigkeit für die Schuldsprüche abzusprechen und die Möglichkeit günstigerer Schlußfolgerungen aufzuzeigen, ist nicht geeignet, eine Urteilsnichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO darzutun (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 147 zu § 281 Abs 1 Z 5). Die Stichhältigkeit einer von der Tatsacheninstanz aus dem Zusammenwirken von Indizien abgeleiteten Überzeugung kann nämlich nur unter Einbeziehung aller verwerteten Verfahrensumstände und nicht in isolierter Betrachtung einzelner aus dem Zusammenhang gelöster Ergebnisse geprüft werden. Außerdem läuft das Verlangen nach anderen Urteilsannahmen und anderen Schlußfolgerungen, als sie dem angefochtenen Erkenntnis zugrundeliegen, seinem Inhalt und seiner Zielsetzung nach ebenfalls auf eine bloße Kritik an der erstrichterlichen Beweiswürdigung und demnach nicht auf die prozeßordnungsmäßige Geltendmachung eines formalen Begründungsmangels hinaus, zumal sich das Schöffengericht entgegen der Beschwerdebehauptung ohnedies ausführlich mit den Widersprüchen der eingeholten Sachverständigengutachten auseinandergesetzt und sie in den entscheidungswesentlichen Punkten auch aufgeklärt hat.

Auch mit dem Hinweis auf angebliche Widersprüche zwischen Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten erschöpft sich die Beschwerde der Sache nach bloß im Versuch, die Beweisergebnisse einer anderen Deutung zu unterziehen, als es den denklogischen Überlegungen des Schöffensenates entspricht.

Nach eingehender Prüfung der im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) vorgebrachten - weitgehend eine Wiederholung der Verantwortung des Angeklagten und der Argumente der Mängelrüge darstellenden - Einwände ergaben sich insgesamt aus den Akten gegen die Richtigkeit der von den Tatrichtern ihrem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen keine erheblichen Bedenken.

Mit der Behauptung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich, dem Urteil seien keine Konstatierungen über die für die Tatbestandsverwirklichung nach § 169 Abs 2 StGB vorauszusetzende (konkrete) Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) des anderen oder eines Dritten oder für das Eigentum eines Dritten in großem Ausmaß zu entnehmen, übergeht die Beschwerde die Urteilsannahmen (US 8), wonach bei allen drei Bränden eine (von der Beschwerde nicht bestrittene) Feuersbrunst vorlag, die bei ungehinderter Ausbreitung eine entsprechende Wärmestrahlung und Wärmekonvektion in Richtung der Nachbarhäuser verursacht hätte, sodaß das Verhalten des Angeklagte eine (konkrete) Gefahr für Leib und Leben der Bewohner dieser Häuser sowie für das Eigentum der Nachbarn in großem Ausmaß herbeigeführt hat, und ist daher nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zur Gänze bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Über die Berufung wird demgemäß das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in der angeführten Gesetzesstelle begründet.

Anmerkung

E34504

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0110OS00131.9200006.0406.000

Dokumentnummer

JJT_19930406_OGH0002_0110OS00131_9200006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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