TE OGH 1993/4/6 11Os21/93

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Veröffentlicht am 06.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.April 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Valentin K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Einfuhr einer übergroßen Menge Suchtgift nach dem § 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Stanimir A***** sowie die Berufung des Angeklagten Laszlo Attila K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16.September 1992, GZ 8 Vr 928/92-61, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stanimir A***** wird teilweise Folge gegeben und (teils auch gemäß dem § 290 Abs 1 StPO, nämlich in Ansehung dieses Angeklagten zum Schuldspruchfaktum I)A) und in Ansehung der nachgenannten Mitangeklagten) das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchfaktum III) hinsichtlich Stanimir A***** sowie Valentin K***** und im Schuldspruchfaktum IV) hinsichtlich Nikolae O***** jeweils zur Gänze und hinsichtlich des Angeklagten Stanimir A***** im Schuldspruchfaktum I)A), hinsichtlich des Angeklagten Valentin K***** in den Schuldspruchfakten I)A), I)B)1) und I)C) sowie hinsichtlich des Angeklagten Nikolae O***** im Schuldspruchfaktum I)B)2) im Ausspruch, sie hätten bei der Einfuhr bzw. beim vollendeten oder versuchten Inverkehrsetzen von Suchtgift gewerbsmäßig gehandelt, sowie demgemäß in dem die genannten Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stanimir A***** zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Stanimir A***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Über die Berufung des Angeklagten Laszlo Attila K***** wird - vorbehaltlich einer Aktualität des § 296 Abs 1 StPO im zweiten Rechtsgang - das Oberlandesgericht Graz zu befinden haben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden u.a. Valentin K***** (I)A), I)B)1), I)C)) der Verbrechen der gewerbsmäßigen Einfuhr einer übergroßen Menge Suchtgift nach dem § 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG, des versuchten gewerbsmäßigen Inverkehrsetzens einer übergroßen Menge Suchtgift nach den §§ 15 StGB, 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG und des gewerbsmäßigen Verbrechens des Inverkehrsetzens einer übergroßen Menge Suchtgift nach dem § 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG (gemeint: des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1, 2 erster Fall, 3 Z 3 SGG, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB) und (III)) des Finanzvergehens des (gewerbsmäßigen) Schmuggels nach den §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG, Stanimir A***** (I)A)) des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1, 2 erster Fall und 3 SGG und (III)) des Finanzvergehens des Schmuggels nach den §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG, Nikolae O***** (I)B)2)) des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Inverkehrsetzens einer übergroßen Menge Suchtgift nach den §§ 15 StGB, 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG (gemeint: des Verbrechens nach § 12 Abs 1, 2 erster Fall und 3 Z 3 SGG in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB) und (IV)) des teils vollendeten, teils versuchten Finanzvergehens der vorsätzlichen Abgabenhehlerei nach den §§ 13, 37 Abs 1 lit a iVm § 38 Abs 1 lit a FinStrG (gemeint: des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten vorsätzlichen gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach den §§ 37 Abs 1 lit. a, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG) und Laszlo Attila K***** (II)B)) des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG (zu ergänzen: als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB) schuldig erkannt.

Der Schöffensenat ging im Schuldspruch wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 und 2 erster Fall, 3 Z 3 SGG in den Urteilsfakten I)A), I)B) und I)C) von der Annahme aus, die Angeklagten hätten jeweils den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer das 25-fache der großen Menge übersteigenden Menge gewerbsmäßig,

(I)A)) eingeführt, nämlich Valentin K***** und Stanimir A***** als Mittäter, indem sie am 18.März 1992 481 g Heroin im PKW des Valentin K***** über die jugoslawisch-ungarische und ungarisch-österreichische Grenze verbrachten, und Stanimir A***** darüberhinaus allein, indem er diese Menge am 17.März 1992 über die bulgarisch-jugoslawische Grenze verbrachte,

(I)B)) in Verkehr zu setzen versucht, nämlich Valentin K***** (1), indem er am 19.März 1992 in Graz 481 g Heroin und Nikolae O***** (2), indem er am 23.März 1992 in Graz 477 g Heroin an eine österreichische Abnehmergruppe übergeben wollte, wobei die Vollendung jeweils nur unterblieb, weil sie von observierenden Beamten betreten wurden, ferner

(II)C)) in Verkehr gesetzt, nämlich Valentin K*****, indem er im September 1991 in Graz 477 g Heroin an Nikolae O***** zur weiteren Verwahrung übergab.

Dem Urteilsfaktum II)B) liegt zugrunde, daß der Angeklagte Laszlo Attila K***** zu der Nikolae O***** zu I)B)2) (versuchte Übergabe von 477 g Heroin am 23.März 1992) angelasteten Straftat dadurch beitrug, daß er Anfang März 1992 in Graz die Verbindung zwischen den Mitangeklagten Stefan D***** und Nikolae O***** sowie Gheorghe B***** herstellte, wobei Stefan D***** zusicherte, für Abnehmer des Heroins zu sorgen, und weiters mit Stefan D***** den Zeitpunkt der Übergabe festlegte und am 23.März 1992 Stefan D***** zur Herstellung der Verbindung mit den österreichischen Abnehmern in das Lokal "Triangel" begleitete.

Das Urteilsfaktum III) betrifft idealkonkurrierend mit dem Urteilsfaktum I)A) den Vorwurf gegen Valentin K***** und Stanimir A*****, sie hätten bei der Einfuhr der 481 g Heroin, auf welche Eingangsabgaben von insgesamt 93.245 S (Zoll 48.100 S, Einfuhrumsatzsteuer 44.620 S und Außenhandelsförderungsbeitrag 525 S) entfielen, eingangsabgabepflichtige Waren dem Zollverfahren entzogen.

Den Angeklagten Nikolae O***** trifft schließlich noch der Vorwurf aus dem Urteilsfaktum IV), er habe durch die Tathandlung zum Urteilsfaktum I)B)2) die 477 g Heroin, sohin eine eingangsabgabepflichtige Ware, hinsichtlich der Schmuggel begangen worden sei, an sich gebracht und zu verhandeln versucht (strafbestimmender Wertbetrag 91.740 S).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte Stanimir A***** bekämpft die ihn betreffenden Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde, wobei er die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 5 a und 10 (der Sache nach Z 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO geltend macht. Lediglich die Rechtsrüge ist berechtigt.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Verfahrensrüge (Z 4) hat das Schöffengericht den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Einholung einer Interpol-Auskunft (AS 333) zu Recht abgewiesen. Die Beweisaufnahme hätte ergeben sollen, daß der Beschwerdeführer nicht vorbestraft und niemals in Sofia in Strafhaft gewesen sei. Auf diese Weise hätten die Angaben des Mitangeklagten K*****, der Beschwerdeführer sei in Sofia verurteilt worden und mit ihm zusammen inhaftiert gewesen (AS 289), widerlegt werden können. Das vom Beschwerdeführer mit dem Beweisantrag ins Auge gefaßte Beweisthema betrifft indessen keinen für die Entscheidung erheblichen Umstand. Auch wenn sich herausstellte, daß der Beschwerdeführer nicht verurteilt und nicht gemeinsam mit K***** in Haft gewesen sei, und K***** daher mit diesen Angaben die Unwahrheit gesagt hätte, würde das nicht schlechthin seine Glaubwürdigkeit wesentlich herabsetzen oder verläßliche Rückschlüsse darauf zulassen, daß auch die den Beschwerdeführer zu den inkriminierten Taten belastenden Angaben K*****s unrichtig sind. Auch der Einwand, durch den Hinweis K*****s auf Vorstrafen des Beschwerdeführers sei das Persönlichkeitsbild negativ belastet, versagt aus der Sicht auf die Erheblichkeit des Beweisthemas für den Schuldspruch. Es wurden durch die Abweisung des Beweisantrages daher keine Verteidigungsrechte hintangesetzt.

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer Aktenwidrigkeit und einander widersprechende Feststellungen. Das Erstgericht habe einerseits festgestellt (US 11), daß der Angeklagte K***** sich aus dem Handel einen Gewinn von 350.000 S versprochen habe, wogegen in den Entscheidungsgründen (US 20) der vom Beschwerdeführer erzielte Nutzen mit 250.000 S beziffert werde. Eine aktenwidrige Darstellung ist allerdings ersichtlich nicht gegeben. Die beiden einander gegenübergestellten Feststellungen können im übrigen nach den Denkgesetzen durchaus nebeneinander bestehen. Schließlich ist aber die Höhe des jeweils vom Angeklagten K***** erwarteten und vom Beschwerdeführer erzielten Nutzens für die Verantwortlichkeit des Angeklagten wegen der ihm angelasteten Delikte unerheblich. Auch mit dem Beschwerdeeinwand, daß nach den Angaben des Angeklagten K*****, er habe insgesamt 350.000 S erhalten und der Gewinn sei zwischen ihm und dem Beschwerdeführer zur Hälfte geteilt worden, sich nach Abzug der Einkaufskosten von etwa 200.000 S für den Beschwerdeführer nur ein anteiliger Gewinn von 75.000 S errechne, ist nichts zu gewinnen, weil ein formeller Begründungsmangel hinsichtlich entscheidungswesentlicher Feststellungen nicht vorliegt.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) sind schließlich ebenfalls nicht berechtigt. Sie erschöpfen sich in einer unzulässigen Anfechtung der Beweiswürdigung des Schöffensenates. Im Lichte intersubjektiver Überzeugungswerte gesehen, wie sie für den angesprochenen Nichtigkeitsgrund maßgeblich sind, vermögen die Einwände der Tatsachenrüge insgesamt Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen nicht zu erwecken.

Im Recht ist der Beschwerdeführer jedoch, wenn er in seiner Rechtsrüge bemängelt, das Schöffengericht habe zum Vorwurf des Finanzvergehens nach den §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG keine ausreichenden Feststellungen getroffen, auf denen die Annahme gewerbsmäßiger Begehung nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG basieren könnte. Mit der formell auf die Z 10 gestützten Rechtsrüge wird der Sache nach der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht, weil die Annahme der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit - bei der hier gegebenen Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages (§ 53 Abs 1 lit b, Abs 2 lit a FinStrG - überhaupt die entscheidende Voraussetzung dafür ist, daß das Finanzvergehen des Schmuggels in die gerichtliche Strafbarkeit fällt (§ 53 Abs 1 lit. a FinStrG; § 53 Abs 4 FinStrG greift ebenfalls nicht, weil auch beim Mittäter K***** die Gewerbsmäßigkeit mangelhaft festgestellt wurde). Tatsächlich fehlen im angefochtenen Urteil die notwendigen Feststellungen zum Qualifikationsmerkmal, der Beschwerdeführer habe in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 38 Abs 1 lit a FinStrG). Der Schöffensenat begnügt sich mit dem nicht ausreichenden Hinweis, der Beschwerdeführer sei "gewerbsmäßig" vorgegangen.

Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit des Finanzvergehens fehlen aber auch in den Fällen der Angeklagten K***** und O*****. An den entsprechenden Feststellungen mangelt es in gleicher Weise für das Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz zu der vom Schöffengericht angenommenen Gewerbsmäßigkeit nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG hinsichtlich des Beschwerdeführers (I)A)), aber auch der Mitangeklagten K***** (I)A), I)B), I)C)) und O***** (I)B)2)).

Soweit die aufgezeigten Feststellungsmängel nicht ohnehin mit der Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden, sind sie gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen aufzugreifen, weil das Schöffengericht das Strafgesetz zum Nachteil der jeweils betroffenen Angeklagten unrichtig angewendet hat.

Es zeigt sich, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht eintreten kann, sodaß das Urteil bereits in nichtöffentlicher Sitzung gemäß den §§ 285 e, 290 Abs 1 StPO aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen war.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO zurückzuweisen.

Aufgrund der auch den Strafausspruch erfassenden Teilaufhebung ist die Berufung des Angeklagten Stanimir A***** gegenstandslos. Über die Berufung des Angeklagten Laszlo Attila K*****, der von einer Aufhebung nicht betroffen ist, wird das Oberlandesgericht Graz - zweckmäßigerweise nach der Neudurchführung des Verfahrens gegen die anderen Angeklagten - zu entscheiden haben, sofern nicht in einem zweiten Rechtsgang die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nach § 296 Abs 1 StPO notwendig wird.

Anmerkung

E32946

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0110OS00021.9300007.0406.000

Dokumentnummer

JJT_19930406_OGH0002_0110OS00021_9300007_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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