TE OGH 1993/4/14 9ObA601/93

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Veröffentlicht am 14.04.1993
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Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Stefan und Helga Kaindl als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, Wien 1, Deutschmeisterplatz 2, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Verband der Österreichischen Landes-Hypothekenbanken, Wien 4, Brucknerstraße 8, vertreten durch Dr.Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, über den nach § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird festgestellt, daß die bis 31.12.1992 eingetretenen Angestellten der Salzburger Landes-Hypothekenbank AG ab Jänner 1993 Anspruch auf Zahlung des um jenen Prozentsatz erhöhten Entgeltes haben, wie er den öffentlichen Bediensteten des Landes Salzburg anläßlich der Bezugssteigerung gewährt wird.

Text

Begründung:

Der Kollektivvertrag für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken vom 18.November 1983 (im folgenden auch: Kollektivvertrag oder KV) bestimmt ua folgendes:

"§ 8

Gehaltsregelung

(1).......................

(2) Die Besoldung erfolgt, soweit nicht durch Kollektivvertrag abweichende oder ergänzende Regelungen getroffen werden, analog dem Gehaltsschema der öffentlich Bediensteten des jeweiligen Bundeslandes entsprechend den Bestimmungen der §§ 3 bis 7, 8 Absatz 1 und Absatz 3, 12 a Absatz 1 bis Absatz 5 und Absatz 9, 28, 29, 31 bis 34 und 88 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54/56 in seiner für die Landesbeamten jeweils gültigen neuesten Fassung.

(6) Es steht jeder Bank frei, anstelle des obigen Besoldungsschemas ein nach ihren speziellen Bedürfnissen gewähltes Schema in der Betriebsvereinbarung festzulegen. Auch diesem Schema kommt volle Kollektivvertragswirkung zu, wenn der Gesamtjahresbezug des einzelnen Dienstnehmers mindestens dem Gesamtjahresbezug nach diesem Kollektivvertrag entspricht.

§ 57

Günstigkeitsklausel

Durch diesen Kollektivvertrag dürfen günstigere Regelungen, die in Betriebsvereinbarungen, Dienstrechten etc enthalten sind, nicht verschlechtert werden."

Während der zeitlichen Geltungsdauer des angeführten Kollektivvertrages (bzw des früheren Kollektivvertrages 1961; siehe 9 Ob A 215,216/89) galt die Betriebsvereinbarung vom 14.12.1981 und dann eine zweite vom 29.6.1990. Beide Betriebsvereinbarungen enthalten folgende gleichlautende Bestimmungen:

"§ 11 Allgemeines

In Anwendung der Möglichkeit des § 8 Abs 6 KV gilt für die Dienstnehmer der Bank die nachfolgende Besoldungsordnung, wobei jede Änderung der Bestimmungen des § 8 KV analoge Auswirkung auf diese Besoldungsordnung hat.

§ 12 Gehaltsschema

(1) Für die Dienstnehmer der Bank gilt das im Anhang enthaltene Gehaltsschema, das einen integrierenden Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung bildet.

.........."

Die jährlichen Gehaltsschemata, die die Gehaltsanhebung im Jänner

eines jeden Jahres analog der prozentuellen Erhöhung wie bei den

Landesbeamten auswiesen, hatten folgende Überschrift:

"Gehalteschema inklusive Verwaltungsdienstzulage gültig ab 1.1.

.......

(Beinhaltet die Valorisierung von........%).

Hiebei war jeweils das laufende Jahr (zB 1.1.1990) sowie ein bestimmter Prozentsatz (zB 2,990) angeführt. Daran schloß sich eine Tabelle mit den einzelnen aufgewerteten Entgeltbeträgen, gegliedert nach Gehaltsstufen und Verwendungsgruppen.

Der Antragsteller ist eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung der Arbeitnehmer, die gemäß § 4 Abs 2 ArbVG kollektivvertragsfähig ist (Cerny, Arbeitsverfassungsrecht II 55). Der Antragsgegner ist eine kollektivvertragsfähige freiwillige Berufsvereinigung der Arbeitgeber (Cerny, Arbeitsverfassungsrecht II 54). Beide Parteien sind daher im Sinne des § 54 Abs 2 letzter Satz ASGG als Parteien des besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.

Der Antragsteller begehrt die im Spruch angeführte Feststellung. Die strittige Rechtsfrage, ob die bis 31.12.1992 eingetretenen Angestellten der Salzburger Landes-Hypothekenbank AG ab Jänner 1993 Anspruch auf die Zahlung des um jenen Prozentsatz erhöhten Entgeltes haben, wie er den öffentlich Bediensteten des Landes Salzburg bei der Bezugssteigerung gewährt wird, sei für mehr als drei Angestellte von Bedeutung, weil der Arbeitgeber die Gehälter für das Jahr 1993 nicht um jenen Prozentsatz erhöht habe, wie ihn die öffentlich Bediensteten des Landes Salzburg erhalten.

Zur Begründung seines Feststellungsantrages brachte der Antragsteller vor:

Bei der Salzburger Landes-Hypothekenbank AG, die dem genannten Kollektivvertrag unterliege, sei es bis heute üblich, den Arbeitnehmern zu Beginn eines jeden Jahres mit der Gehaltsabrechnung für Jänner ein Gehaltsschema auszufolgen, das nach Verwendungsgruppen, Verwendungsgruppenjahren und dem dafür in Frage kommenden Gehalt gegliedert ist. Daraus könne der jeweilige Arbeitnehmer entnehmen, welche Gehaltserhöhung für das betreffende Jahr anfalle. Die Gehaltssteigerung decke sich zumindest seit 1970 mit der prozentuellen Erhöhung des Gehalts der öffentlich Bediensteten des Landes Salzburg. Diese betriebliche Übung sei bis einschließlich 1992 ohne Vorbehalt beibehalten worden. Die jährliche Gehaltsangleichung sei - abgesehen von den Betriebsvereinbarungen vom 14.12.1981 und 29.6.1990 - so erfolgt, daß jeweils mit der Gehaltsanhebung im Jänner eines jeden Jahres Gehaltsschemata übermittelt wurden, die dieselbe prozentuelle Erhöhung wie bei den Landesbeamten auswiesen. Diese Gehaltsschemata hätten den Erfordernissen einer echten Betriebsvereinbarung nicht entsprochen. Der Arbeitgeber habe durch die jährliche Gehaltsangleichung und die Übermittlung des neuen Gehaltsschemas bewußt ein schlüssiges Verhalten gegenüber der Gesamtheit der Arbeitnehmer gesetzt, welches von diesen stillschweigend hingenommen worden sei. Diese betriebliche Übung sei dadurch Bestandteil des Einzeldienstvertrages geworden. Die Arbeitnehmer hätten aus dieser Vorgangsweise eine besoldungsmäßige Gleichbehandlung mit den Landesbeamten entnehmen können. Dieses Erklärungsverhalten habe der Arbeitnehmer auch fortgesetzt, nachdem ihm auf Grund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30.August 1989, 9 Ob A 215,216/89 bekanntgeworden sei, daß § 8 Abs 2 KV eine unzulässige dynamische Verweisung enthalte. Der Dienstgeber könne sich daher nicht darauf zurückziehen, daß er infolge unrichtiger Auslegung einer Bestimmung des Kollektivvertrages rechtsirrtümlich gehandelt habe, zumal es gar nicht um eine Auslegungsfrage des Kollektivvertrages gehe. Die privatrechtliche Bedeutung der rechtsunwirksamen Bestimmung des § 8 Abs 2 KV bleibe dadurch unberührt. Gerade § 57 KV weise den Arbeitgeber auf die Rechtsfolge einer Besserstellung gegenüber dem Kollektivvertrag und damit auch auf die Beibehaltung einer unzulässigen Bestimmung durch betriebliche Übung hin, weil die Anwendung des Günstigkeitsprinzipes ausdrücklich hervorgehoben werde.

Durch die Betriebsvereinbarungen vom 14.12.1981 und 29.6.1990 sei eine Besoldungsordnung vereinbart worden. Diese sei rechtswirksam, soweit sie keine dynamische Weiterverweisung enthalte. Der Arbeitgeber habe aber nicht jährlich Betriebsvereinbarungen abgeschlossen, sondern jährlich ein Erklärungsverhalten gesetzt, das in Richtung einer einzelvertraglichen Bindung ging. Aus dem Umstand, daß der Arbeitgeber bis zuletzt in gleicher Form ein Gehaltsschema erarbeitet habe, in dem die Erhöhung für die Landesbeamten ausgewiesen und auf das Entgelt umgelegt worden sei und daß dieses Schema der Gehaltsabrechnung beigelegt wurde, habe der einzelne Arbeitnehmer nur den Schluß ziehen können, daß dieses Vorgehen auf dem Kollektivvertrag und der Betriebsvereinbarung beruhe. Hätte der Arbeitgeber seiner Vorgangsweise einen anderen Erklärungswert beimessen wollen, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen. Er habe hingegen in Kenntnis der Unwirksamkeit des § 8 Abs 2 KV von 1990 bis 1992 durch die weitere Übermittlung des valorisierten Gehaltsschemas seinen Bindungswillen erkennen lassen. Auch die Kündigung der Betriebsvereinbarung vom 29.6.1990 zum 31.12.1992 lasse erkennen, daß der Arbeitgeber bis zu diesem Zeitpunkt von der Verpflichtung zu ihrer Einhaltung ausgegangen sei. Dieses Erklärungsverhalten könne nur dahin verstanden werden, daß die noch während des Geltungsbereiches der Betriebsvereinbarung eintretenden Arbeitnehmer daraus Rechte erwerben konnten.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Feststellungsantrages.

Die regelmäßig wiederkehrend gewährten Gehaltserhöhungen könnten nicht automatisch eine Verpflichtungswirkung für die Zukunft entfalten. Die Verpflichtungswirkungen betrieblicher Übungen könnten nur darin liegen, daß die konkret zu diskutierende Verhaltensweise eines Arbeitgebers als stillschweigende Willenserklärung im Sinne des § 863 ABGB zu werten wäre. Die wiederholten Anhebungen der Gehälter um denselben Prozentsatz, um den vorher die Gehälter der öffentlich Bediensteten angehoben worden waren, sei keine Grundlage für einen auf Valorisierung der Gehälter in diesem Umfang gerichteten Willen des Arbeitgebers. Es sei den Angestellten nur der Valorisierungsprozentsatz nach dem entsprechend modifizierten Gehalteschema bekanntgegeben worden, ohne daß irgendein Konnex zum Valorisierungsprozentsatz der öffentlich Bediensteten des Landes Salzburg bestanden hätte. Gerade der Zusatz "gültig ab 1.1.1990" oder "gültig für das Jahr...." könne keinen Anhaltspunkt für eine zukünftige weitere Gehaltserhöhung bieten. Wäre eine neuerliche zukünftige Gehaltsanhebung verbindlich ins Auge gefaßt worden, hätte die Geltungsdauer mit einem Endigungszeitpunkt verbunden werden müssen. Im übrigen seien Gehaltserhöhungen in unterschiedlichem Ausmaß keine der Höhe nach gleichbleibende regelmäßige Zuwendung im Sinne der Rechtsprechung. Eine verbindliche betriebliche Übung liege daher nicht vor. Den Angestellten sei bekannt gewesen, daß die im Kollektivvertrag enthaltene dynamische Verweisung unwirksam erklärt wurde und sie auf Grund eines Gehaltsschemas entlohnt wurden, das mit dem der öffentlich Bediensteten nicht ident war. Angesichts der unterschiedlichen Entlohnungsschemata sei keine sachliche Rechtfertigung für regelmäßige Gehaltsanhebungen wie bei den öffentlich Bediensteten gegeben. Eine derart außergewöhnliche Verpflichtung, Valorisierungen des Gehaltes unabhängig von betriebswirtschaftlichen Grundsätzen einzuräumen, könne aus einem stillschweigenden Verhalten niemals abgeleitet werden. Die jährliche Anhebung der Gehälter sei bis 1990 in der Annahme erfolgt, an § 8 Abs 2 KV gebunden zu sein. Nach Bekanntwerden der Unwirksamkeit dieser Bestimmung habe der Arbeitgeber keinen Zweifel daran gelassen, daß er eine Gleichschaltung seines Gehaltssystems mit jenem der öffentlich Bediensteten ablehne. Er habe Verhandlungen über die Neuordnung des Gehaltswesens aufgenommen. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers ab diesem Zeitpunkt könne daher kein Bindungswille abgeleitet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Feststellungsantrag ist berechtigt.

Unstrittig ist, daß § 8 Abs 2 KV, soweit darin unter taxativer Aufzählung einzelner Bestimmungen des Gehaltsgesetzes 1956 eine Besoldungsregelung analog dem Gehaltsschema der öffentlich Bediensteten des jeweiligen Bundeslandes in seiner für die Landesbeamten jeweils gültigen neuesten Fassung vorgesehen wurde, eine dynamische Verweisung enthält. Dynamische Verweisungen sind unzulässig, weil sie gegen zwingendes Arbeitsverfassungsrecht verstoßen. Sie sind daher rechtsunwirksam (Strasser, Arbeitsrecht3 II 152; ZAS 1991/12 = Arb 10.727; 9 Ob A 215,216/89 = INFAS 1990/2A 22; 9 Ob A 38/91).

§ 8 Abs 2 KV kam aber als Anspruchsgrundlage für eine Valorisierung der Bezüge der Angestellten der Salzburger Landeshypothekenbank AG (im folgenden auch: Bankangestellte bzw Bank) schon deshalb nicht in Betracht, weil die Bank und ihre Angestellten von der - gemäß § 29 ArbVG zulässigen - Ermächtigung des § 8 Abs 6 KV Gebrauch gemacht haben, mit Betriebsvereinbarung anstelle des Besoldungsschemas nach § 8 Abs 2 KV (iVm § 8 Abs 3 bis 5 KV) ein nach ihren speziellen Bedürfnissen gewähltes Schema festzulegen. Im Sinne dieser Ermächtigung haben sich die Bank und die Belegschaftsvertreter mit den Betriebsvereinbarungen vom 14.12.1981 und 29.6.1990 auf eine Besoldungsordnung (§ 11) und ein Gehaltsschema (§ 12) geeinigt, die aber eine (regelmäßige) Valorisierung der Gehälter der Bankangestellten (mindestens) im Ausmaß der (jährlichen) Erhöhung des Landesbeamtenschemas nicht vorsehen. Dem § 8 Abs 6 KV ist auch nicht zu entnehmen, daß das durch Betriebsvereinbarung festzulegende Schema eine derartige Anpassungsautomatik vorsehen müsse. Es muß nur der Gesamtjahresbezug der einzelnen Dienstnehmer mindestens dem Gesamtjahresbezug nach dem KV entsprechen. Auf welche Weise diese Untergrenze (die wiederum eine mittelbare unzulässige dynamische Verweisung auf das Landesbeamtenschema enthält) erreicht wird, ist § 8 Abs 6 KV nicht zu entnehmen.

Die Teilnichtigkeit der dynamischen Verweisungen in § 8 Abs 2 und § 8 Abs 6 Satz 2 KV führt nicht zur Ungültigkeit der in § 8 Abs 6 Satz 1 KV enthaltenen Ermächtigung, weil mit dieser Norm offensichtlich eine zwingende generelle Besoldungsregelung ohne Rücksicht auf den übrigen Restbestand des § 8 Abs 2 und 6 KV gewährleistet werden sollte.

Soweit die Besoldung durch die Betriebsvereinbarungen vom 14.12.1981 und vom 29.6.1990 geregelt wurde, die als integrierenden Bestandteil jeweils die Gehaltstabellen dieser Jahre enthielten, ist daraus (allein) keine Dynamisierungsregel für die Zukunft abzuleiten. Der geltend gemachte Anspruch kann sich daher nur auf eine (schlüssige) rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Bank mit den einzelnen Bankangestellten gründen.

Insbesondere im Zusammenhang mit der Beurteilung der

privatrechtlichen Wirkung einer unzulässigen Betriebsvereinbarung ( -

eine solche liegt allerdings hier nicht vor, soweit es um den allein

relevanten § 8 Abs 6 Satz 1  KV geht - ) hat der Oberste Gerichtshof

wiederholt ausgesprochen, daß der dem einzelnen Arbeitnehmer

bekanntgegebene und von ihm stillschweigend zur Kenntnis genommene

oder der tatsächlich beachtete Inhalt einer unzulässigen

Betriebsvereinbarung unter dem Gesichtspunkt der schlüssigen

Unterwerfung unter die darin enthaltenen Bestimmungen Grundlage für

einzelvertragliche Ergänzungen der Arbeitsverträge gemäß § 863 ABGB

sein kann. Voraussetzung ist, daß durch die regelmäßige Handhabung

dieser unwirksamen Bestimmung und die damit begründete betriebliche

Übung der Wille, sich auch für die Zukunft zu binden, unzweideutig

zum Ausdruck gebracht wurde. Gibt nicht nur der Arbeitgeber, sondern

geben auch die Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit durch ihr Verhalten

eindeutig zu erkennen, daß sie sich an diese nichtigen Regelungen

halten wollen, dann besteht kein Grund, an ihrer schlüssigen

Unterwerfung unter die getroffenen Vereinbarungen und damit an einer

entsprechenden Ergänzung des Einzelvertrages zu zweifeln (ZAS 1981/7

[Rummel] = DRdA 1983/5 [Steindl]; DRdA 1982/9 [Strasser]; DRdA 1988/5

[Strasser]; DRdA 1992, 466 = 9 Ob A 82/92 mwN; 9 Ob A 131/88).

Ähnliches gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber durch regelmäßige vorbehaltslose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer eine betriebliche Übung begründet, die seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt. Diese Übung wird durch die - gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB), durch Annahme der Leistung begründete - Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge (SZ 52/76; Arb 10.609; DRdA 1989/16 [Binder] = JBl 1988, 333 [Schima]; ZAS 1990/18 [Birker]; ZAS 1990/19 [Kozak/Schauer]; 9 Ob 203/90, 9 Ob A 261/92.

Für den Umfang der Vertragsergänzung sind die faktische Leistungserbringung und deren Begleitumstände als Substrat des konkludenten Arbeitgeberoffertverhaltens maßgebend (Strasser zu DRdA 1988/5, 130). Dieses Anbot muß aber, um Vertragsgrundlage sein zu können, dem Bestimmtheitserfordernis des § 869 ABGB entsprechen (Koziol-Welser9 I 215; WBl 1990, 23 = Arb 10.806; ZAS 1990/18). Entscheidend ist das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger vom Arbeitgeberverhalten gewinnen durfte und gewonnen hat (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 8 zu § 863; Arb 10.493; JBl 1985, 632; DRdA 1989/16 [Binder] = JBl 1988, 333 [Schima]).

Wie bereits erwähnt, wurden die Gehaltstabellen nur zweimal (nämlich 1981 und 1990) ohne Dynamisierungsvereinbarung in die jeweiligen Betriebsvereinbarungen als deren integrierender Bestandteil aufgenommen. In den übrigen Jahren wurde der Gehalt ohne Abschluß eigener Betriebsvereinbarungen nach § 8 Abs 6 KV in der Form festgelegt, daß der Arbeitgeber jährlich Gehaltstabellen übermittelte, in denen die Gehaltserhöhung berechnet war. Hiebei wurde auch der Prozentsatz der jeweiligen Erhöhung bekanntgegeben, der stets der prozentuellen Anhebung der Gehälter der öffentlich Bediensteten entsprach. Nur dadurch wurden die Erhöhungen des Gehaltsschemas der öffentlich Bediensteten den Gehaltserhöhungen der Bankangestellten zugrundegelegt, in den übermittelten Gehaltstabellen aber ein Zusammenhang mit dem Gehaltsschema der öffentlich Bediensteten nicht erwähnt.

Die regelmäßige Gewährung der Gehaltserhöhungen, die jahrelang vorbehaltslos unter gleichen Bedingungen vom Arbeitgeber angeboten und von den Arbeitnehmern angenommen wurde, begründete eine betriebliche Übung. Sie führte zu einer konkludenten Gehaltsvereinbarung, die jeweils durch die Übermittlung der Gehaltstabellen, die Zahlung des valorisierten Gehaltes und die Annahme des damit zum Ausdruck gebrachten Arbeitgeberanbotes durch die Arbeitnehmer zustandekam. Diese Vereinbarungen führten zur Ergänzung der einzelnen Arbeitsverträge durch eine schlüssige Valorisierungsvereinbarung.

Einer solchen Valorisierungsvereinbarung steht nicht entgegen, daß die regelmäßig mit Jahresbeginn gewährten Gehaltserhöhungen unterschiedlich hoch waren. Dem Offert des Arbeitgebers lagen die Valorisierungen zugrunde, wie sie den öffentlich Bediensteten zugute kamen. Wenn auch in den übermittelten Gehaltstabellen nicht auf den Valorisierungsfaktor der Gehälter der öffentlich Bediensteten Bezug genommen wurde, entsprachen die gewährten Erhöhungen immer den Erhöhungen der Gehälter der öffentlich Bediensteten. Damit wurde aber ein erkennbarer Zusammenhang mit dem Bezugssystem der öffentlich Bediensteten hergestellt. Aufgrund der langjährigen gleichbleibenden Übung war die Anknüpfung an die Gehaltserhöhung der öffentlich Bediensteten als den Erhöhungen zugrundeliegendes generalisierendes System erkennbar. Auch die Erhöhung in den Jahren, in denen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen wurden, beruhten auf dem gleichen, allen Valorisierungen zugrundeliegenden Prinzip.

Für die schlüssige Änderung der Arbeitsverträge war somit nicht entscheidend, daß eine regelmäßige Leistung in gleichbleibender Höhe erfolgte. Die Schlüssigkeit des Verhaltens kann sich nämlich nicht nur an einer ziffernmäßig gleichbleibenden Leistung, sondern auch in dem, jeweils verschieden hohen Leistungen erkennbar zugrundeliegenden gleichbleibenden generalisierenden Prinzip äußern. Da die Erhöhung der Gehälter immer den Valorisierungen der Gehälter der öffentlich Bediensteten entsprach und die Höhe dieser Valorisierungen als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, war sie auch den Erklärungsempfängern erkennbar, zumal auch in dem hier nicht anzuwendenden § 8 Abs 2 KV dasselbe Grundprinzip verankert war. Darauf, ob das Gehaltsschema der Landeshypothekenbanken in anderen Fragen vom Gehaltsschema der öffentlich Bediensteten abwich, kommt es nicht an.

Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß ein derartiges Valorisierungssystem auch das Bestimmtheitsgebot erfüllt, weil die einzelnen Leistungen durch die Bezugnahme auf die jeweiligen Gehaltserhöhungen der öffentlich Bediensteten ohne weiteres bestimmbar sind. Da eine dynamische Verweisung in Einzelarbeitsverträgen zulässig ist, ist das Valorisierungssystem der Gehälter der Angestellten der Salzburger Landeshypothekenbank AG analog dem Valorisierungsfaktor der öffentlich Bediensteten Inhalt der Einzelverträge geworden, so daß dieser Valorisierungsmaßstab auch für die Zukunft verbindlich ist.

Die konkludent zustandegekommene Dynamisierungsvereinbarung wurde durch das Bekanntwerden der Unwirksamkeit der in § 8 Abs 2 KV enthaltenen dynamischen Verweisung mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 30.8.1989, 9 Ob A 215,216/89, ebensowenig beeinträchtigt wie durch allfällige nach diesem Zeitpunkt geführte Gehaltsverhandlung oder die Kündigung der Betriebsvereinbarung.

Ob die Bank auf die Gültigkeit des § 8 Abs 2 KV vertraut hat, ist nicht entscheidend, weil, wie bereits oben ausgeführt wurde, § 8 Abs 2 KV infolge Vereinbarung eines besonderen Besoldungsschemas gemäß § 8 Abs 6 KV nicht Anspruchsgrundlage für die Valorisierung der Bezüge der Bankangestellten war, sondern die Verpflichtung zur Beibehaltung dieses Valorisierungsmaßstabes erst durch die jahrzehntelange Anwendung ohne ursprüngliche Rechtspflicht im Wege der schlüssigen Ergänzung der Einzelverträge entstanden ist. Selbst wenn die Antragsgegnerin die Valorisierung aufgrund eines Rechtsirrtums infolge unrichtiger Auslegung des § 8 Abs 2 und 6 KV vorgenommen hätte, hindert das an ihrer Leistungspflicht nichts. Da die Bank und die Belegschaftsvertreter von der Ermächtigung des § 8 Abs 6 KV Gebrauch haben und für das nach dieser Bestimmung zulässige eigenständige Gehaltsschema eine Valorisierung nach den Gehältern der öffentlich Bediensteten nicht vorgesehen war, konnten die Bankangestellten auch nicht annehmen, daß ihr Arbeitgeber mit der jährlichen Valorisierung nur eine ihm durch § 8 Abs 2 KV auferlegte Pflicht zur Erhöhung der Gehälter erfüllen wollte. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer bei sorgfältiger Prüfung erkennen kann, daß der Arbeitgeber eine (vermeintliche) Pflicht erfüllt, ohne daß sein Wille erkennbar ist, freiwillig eine zusätzliche Leistung zu gewähren, ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, aus der tatsächlichen Gewährung auf eine Rechtsbindung zu dieser Leistung auch für die Zukunft zu schließen (DRdA 1980/16 [Kerschner] = ZAS 1980/12 [Tomandl]). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil § 8 Abs 2 KV wegen Vereinbarung eines eigenen Schemas zweifellos nicht anzuwenden war.

Da die Valorisierungsvereinbarung auf langjähriger betrieblicher Übung und nicht auf einer Betriebsvereinbarung beruht, kommt auch der Kündigung der Betriebsvereinbarung keine Bedeutung zu.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar an die wiederholte Gewährung jährlicher Gehaltserhöhungen allein noch keine Verpflichtung zu einer periodischen Anhebung im selben Ausmaß geknüpft (9 Ob A 323/89). Dieser Entscheidung lag aber ein Fall zugrunde, in dem weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Vereinbarung über eine jährliche Mindesterhöhung getroffen worden war; dort hing die Gehaltserhöhung vielmehr nach dem Willen des Arbeitgebers von der Leistung des Arbeitnehmers ab. Der Fall ist daher mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.

Aus diesen Erwägungen war dem Feststellungsantrag stattzugeben.

Anmerkung

E32434

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00601.93.0414.000

Dokumentnummer

JJT_19930414_OGH0002_009OBA00601_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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