TE OGH 1993/4/14 9ObA18/93

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Veröffentlicht am 14.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Stefan und Helga Kaindl in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. V***** T*****, Bediensteter des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, ***** vertreten durch Dr.Egbert Schmid und Dr.Michael Kutis, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17, wegen 81.120,40 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.September 1992, GZ 32 Ra 81/92-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17.Februar 1992, GZ 24 Cga 508/91-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.244,40 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 707,40 S Umsatzsteuer) sowie die mit 11.094 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 849 S Umsatzsteuer und 6.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gemäß Anhang VI zum Teil 1 des am 18.Dezember 1990 in Kraft getretenen 37. Nachtrages zum Kollektivvertrag für die beim Bundesamt für Zivilluftfahrt Beschäftigten (im folgenden auch kurz: Kollektivvertrag oder KV) war ein Bediensteter des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stand und zwischen dem Inkrafttreten des 37. Nachtrages zum Kollektivvertrag und dem 30.April 1991 erklärte, aus seinem bisherigen Dienstverhältnis auszuscheiden und in ein Dienstverhältnis nach diesem Kollektivvertrag eintreten zu wollen, mit dem der Austrittserklärung folgenden Monatsersten in ein Dienstverhältnis nach diesem Kollektivvertrag zu übernehmen. Bei der Berechnung der anrechenbaren Dienstzeiten war in diesem Fall die im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis beim Bundesamt für Zivilluftfahrt zurückgelegte Zeit zu berücksichtigen. Gemäß Art XV des Kollektivvertrages gebührt den Bediensteten für langjährige Dienste beim gleichen Dienstgeber ein Jubiläumsgeld, das nach einer Beschäftigung von mindestens 25 Jahren 2 Bruttomonatsentgelte beträgt. Bei Berechnung der für das Ausmaß des Jubiläumsgeldes maßgeblichen Zeiten sind die Zeiten einschlägiger Tätigkeiten, die in einem Dienstverhältnis zum Dienstgeber Bund zurückgelegt wurden, zu berücksichtigen.

Der Kläger war von 1.August 1966 bis 31.Dezember 1990 als Beamter beim Bundesamt für Zivilluftfahrt tätig. Auf Grund einer Erklärung im Sinne des Anhang VI des 37. Nachtrages zum Kollektivvertrag steht er seit 1.Jänner 1991 in einem privatrechtlichen, dem Kollektivvertrag unterliegenden Dienstverhältnis zur Beklagten. Sein fiktiver Dienstantrittstag als Beamter war wegen der Anrechnung von Vordienstzeiten der 30.August 1965. Der Kläger erhielt daher wegen Vollendung einer Dienstzeit von 25 Jahren am 30.September 1990 gemäß § 20 c Abs 1 GehG ein Jubiläumsgeld von 48.942 S (zweifacher Bruttomonatsbezug als Beamter) ausgezahlt.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 81.120,40 S brutto sA. Nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages über die Anrechnung von Vordienstzeiten habe er am 1.August 1991 das 25-jährige Dienstjubiläum vollendet und damit Anspruch auf das Jubiläumsgeld in der Höhe von 2 Bruttomonatsentgelten gemäß Art XV KV erworben. Dies ergebe auf Grund seines derzeitigen Bruttomonatsentgelts von 65.031,20 S 130.062,40 S. Obwohl der Kollektivvertrag eine entsprechende Anrechnungsvorschrift nicht enthalte, mache er nur den Differenzbetrag zu dem ihm bereits als Beamter ausgezahlten Jubiläumsgeld geltend.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. § 20 c Abs 1 GehG und Art XV KV regelten ein und denselben Anspruch; infolge unterschiedlicher Anrechnung von Vordienstzeiten könne lediglich die Fälligkeit der Jubiläumszuwendungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintreten. Der Übertritt des Klägers sei im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des 37. Nachtrages zum KV erfolgt. Nach dessen Bestimmungen könnten aber aus dem Titel des Übertrittes aus dem öffentlich-rechtlichen in das privatrechtliche Dienstverhältnis keine wie immer gearteten Nachzahlungen gefordert werden. Der Kläger mache einen solchen Nachzahlungsanspruch geltend, weshalb sein Begehren nicht zu Recht bestehe.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt.

Durch Art XV Absatz 3 KV werde der Begriff "Beschäftigung" in Absatz 1 dieser Bestimmung dahin definiert, daß nur Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zum Bund zurückgelegt wurden, für den Anspruch auf Jubiläumsgeld zu berücksichtigen seien. Danach habe der Kläger die 25-jährige Dienstzeit erst nach Übertritt in das dem KV unterliegende Dienstverhältnis vollendet. Er mache daher den erst in diesem Zeitpunkt aufgrund des Kollektivvertrages entstandenen Anspruch und nicht etwa eine Nachzahlung geltend, so daß dem diesbezüglichen Einwand der Beklagten keine Berechtigung zukomme.

Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten das Klagebegehren ab. Jubiläumsgelder, Treueprämien oder ähnliche Zuwendungen seien Zahlungen an den Dienstnehmer nach langer Tätigkeit beim selben Dienstgeber. Da das Jubiläumsgeld nicht für das Erreichen eines bestimmten Stichtages, sondern für den ganzen bis dahin zurückgelegten Zeitraum gebühre, könne sich aus - weshalb auch immer - geänderten Voraussetzungen für die Berechnung des Auszahlungsstichtages generell kein zweiter Anspruch auf Zahlung desselben Jubiläumsgeldes ergeben. Dies folge schon aus der Bedeutung des Wortes "Jubiläumsgeld". Es sei daher über die vom Erstgericht vorgenommene grammtikalische Interpretation hinauszugehen. Aus den Bestimmungen des KV ergebe sich nämlich die Absicht des Normgebers, für langjährige Dienste beim Bund nach 25 Jahren ein Jubiläumsgeld auszuschütten und dem Bediensteten andere einschlägige Tätigkeiten, bei denen ein Dienstverhältnis zum Bund bestand, für die Berechnung der Dienstzeit anzurechnen. Die unbeschränkte Anwendung dieser Bestimmung auch auf solche Fälle, in denen ein Dienstnehmer bereits ein Jubiläumsgeld für einen bestimmten Zeitraum erhalten habe, sei aber jedenfalls, wolle man nicht in eine verfehlte Wortinterpretation verfallen, ein überspitztes Ergebnis, das zu einer ergänzenden Auslegung durch selbständiges Weiter- und Zuendedenken der Regelung und der darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe führen müsse. Die Regelung des letzten Satzes des Art XV KV sollte jene Bediensteten des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, die von einem öffentlich-rechtlichen in ein Dienstverhältnis nach dem KV wechseln, davor bewahren, Anwartschaften auf Jubiläumsgelder, die sie bereits durch die Zurücklegung von Dienstzeiten als Beamte erworben hätten, zu verlieren. Auch darin komme die Natur des Jubiläumsgeldes als Anerkennung für die Treue zum Dienstgeber zum Ausdruck. Es sollte eben nicht von Bedeutung sein, in welcher Art von Rechtsverhältnis der einzelne Dienstnehmer diese Treue zum Dienstgeber bewiesen habe; hingegen könne es nicht Sinn der Regelung sein, ein und denselben Sachverhalt zweimal zum Grund der Zahlung zu machen. Das Erstgericht habe auch zu Unrecht die Anwendbarkeit des Punktes 6 Anhang VI KV verneint. Betrachte man die Geschichte der Entwicklung des Kollektivvertrages, so zeige sich, daß die Frage von Nachzahlungen anläßlich des Übertritts in ein privatrechtliches Dienstverhältnis in den vergangenen Jahren häufig strittig gewesen sei; die Rechtsprechung habe - ausgehend von früheren Fassungen des Kollektivvertrages - Ansprüche auf Nachzahlungen für Zeiträume vor Übertritt in das privatrechtliche Dienstverhältnis wiederholt bejaht. Die Aufnahme des Punktes 6 Anhang VI in den 37. Nachtrag habe daher den Zweck gehabt, die in der Vergangenheit aufgetretenen Unklarheiten zu vermeiden. Die Worte "Aus dem Titel dieses Übertrittes können keine wie immer gearteten Nachzahlungen gefordert werden" seien daher entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichtes dahin zu verstehen, daß nach dem Übertritt für in der Vergangenheit verwirklichte Sachverhalte, für die der Kollektivvertrag höhere Leistungen vorsehe, eine Differenzzahlung nicht begehrt werden könne. Eine andere Bedeutung könne dem Wort Nachzahlung nicht beigelegt werden. Da aber der Übertritt an sich gar keine Nachzahlungen auslöse, könnten damit nur Zahlungen gemeint sein, die aufgrund des Kollektivvertrages zustünden. Um eine solche handle es sich aber bei dem Jubiläumsgeld nach Art XV KV.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Unbestritten ist, daß der Kläger seit 1.Jänner 1991 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten steht, auf das die Bestimmungen des Kollektivvertrages anzuwenden sind. Gemäß Art XV KV gebührt den Bediensteten für langjährige Dienste beim gleichen Dienstgeber ein Jubiläumsgeld, das nach einer Beschäftigung von mindestens 25 Jahren 2 Bruttomonatsentgelte beträgt. Bei Berechnung der für das Ausmaß des Jubiläumsgeldes maßgeblichen Zeiten sind die Zeiten einschlägiger Tätigkeiten, die in einem Dienstverhältnis zum Dienstgeber Bund zurückgelegt wurden, zu berücksichtigen. Fest steht, daß der Kläger ab 1.August 1966 in gleicher Verwendung bei der Beklagten beschäftigt war. Er hatte daher mit 31.Juli 1991 die 25-jährige Dienstzeit vollendet, so daß mit diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für den Anspruch auf das Jubiläumsgeld gemäß Art XV KV erfüllt waren. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Kollektivvertrages.

Das Berufungsgericht führte aus, daß eine an den Wertmaßstäben der Regelung orientierte Auslegung zu suchen sei, weil die vom Wortlaut der Regelung ausgehende Interpretation zu einem überspitzten Ergebnis führe und verneinte daher den geltend gemachten Anspruch. Es kann unerörtert bleiben, wie weit in solchen Fällen im Rahmen der Auslegung vom Wortsinn der Regelung abgewichen werden darf, da die vom Wortlaut ausgehende Anwendung des Art XV KV keineswegs zu einem überspitzten Ergebnis führt. In Frage steht nicht eine Doppelzahlung des Jubiläumsgeldes. Eine solche käme zweifellos nicht in Frage, weil der Umstand, daß der Anspruch nur unter Berücksichtigung der angerechneten Vordienstzeiten begründet ist, gebietet all das, was der Kläger in einem früheren Dienstverhältnis zum selben Dienstgeber aus dem gleichen Titel erhalten hat, auf diesen Anspruch anzurechnen. Dem hat der Kläger aber dadurch Rechnung getragen, daß er nur den Differenzbetrag zwischen dem bereits früher bezogenen Jubiläumsgeld nach § 20 c Abs 1 GehG und der kollektivvertraglich gebührenden Leistung geltend machte. Inwieweit jedoch in der Bejahung des aufgrund des Kollektivvertrages gebührenden Anspruches unter Anrechnung des bereits aus dem Titel des Jubiläumsgeldes erhaltenen Betrages ein unvertretbares Ergebnis gelegen sein sollte, das eine vom Wortlaut des Art XV KV abweichende, den Anspruch verneinende Auslegung gebieten würde, ist nicht erkennbar. Der Kollektivvertrag bietet auch in den übrigen Punkten für einen Ausschluß des Anspruchs keine Grundlage. Der Umstand, daß in Anhang VI Punkt 6 des 37. Nachtrags ausdrücklich nur der Anspruch auf Nachzahlungen ausgeschlossen wurde, für Ansprüche, die sich erst in Zukunft unter Berücksichtigung der anzurechnenden Vordienstzeiten ergeben, eine solche Ausschlußbestimmung jedoch nicht getroffen wurde, spricht vielmehr gegen ein solches Ergebnis.

Soweit das Berufungsgericht die abweisende Entscheidung gerade auf diese Übergangsbestimmung gründet, kann dem nicht gefolgt werden. In der vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung wurde auf der Grundlage einer früheren Fassung des Kollektivvertrages im Falle des Übertrittes in ein privatrechtliches Dienstverhältnis der Anspruch auf rückwirkende Gehaltsnachzahlung auf das Niveau des kollektivvertraglichen Gehaltes bejaht (Arb 9699). Punkt 6 Anhang des 37. Nachtrages des Kollektivvertrages hatte daher offenbar den Zweck, klarzustellen, daß solche Nachzahlungen im Falle des Übertrittes nach der neuen Fassung des Kollektivvertrages nicht mehr zustehen sollten. Nach der eigentümlichen Bedeutung des Wortes "Nachzahlung" kann aber die fragliche Bestimmung nur dahin ausgelegt werden, daß nach dem Übertritt die höheren Leistungen des Kollektivvertrages für in der Vergangenheit (vor dem Übertritt) verwirklichte Sachverhalte nicht zustehen. Daraus ist aber für den vorliegenden Fall kein Anspruchsverlust abzuleiten, da der Kläger die Voraussetzungen für den Anspruch auf das Jubiläumsgeld erst nach Vollendung der 25-jährigen Dienstzeit bei der Beklagten, gerechnet ab dem tatsächlichen Beginn der Tätigkeit am 1.August 1966, und daher nach Übertritt in das privatrechtliche Dienstverhältnis erfüllt hat. Es handelt sich daher nicht um eine Nachzahlung aus der Zeit vor dem Übertritt in das privatrechtliche Dienstverhältnis, sondern um einen Anspruch, der erst nach dem Übertritt, wenn auch nur unter Berücksichtigung der angerechneten Vordienstzeiten, neu entstand. Die rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht, das den Anspruch des Klägers nach Art XV KV für berechtigt erachtete, ist daher richtig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E32355

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00018.93.0414.000

Dokumentnummer

JJT_19930414_OGH0002_009OBA00018_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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