TE OGH 1993/4/15 2Ob523/93

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Veröffentlicht am 15.04.1993
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** OHG, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Hochsteger, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagten Parteien 1. Johann W*****, und 2. Eva W*****, beide ***** vertreten durch Dr.Dietmar Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Erteilung einer Zustimmung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 7.Jänner 1993, GZ 21 R 454/92-29, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 31. Juli 1992, GZ 7 C 617/90-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.985,35 (darin an Umsatzsteuer S 664,23, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsvorgänger der Klägerin haben mit den Rechtsvorgängern der Beklagten am 30.3. bzw. 3.4.1973 eine als "Pachtvertrag" bezeichnete Vereinbarung abgeschlossen, wonach den Rechtsvorgängern der Klägerin folgende Grundflächen in Bestand gegeben wurden:

Eine Teilfläche aus der Grundparzelle 834/1 Wiese sowie die Grundparzellen 835/1 Acker, 832 Wiese und 833 Acker. Das Ausmaß der in Bestand genommenen Grundfläche beträgt 8619 m2. Nach Punkt 4 des Vertrages war dieser durch die Genehmigung des von den Pächtern einzureichenden Bauvorhabens und der Betriebsstättengenehmigung aufschiebend bedingt; beide Vertragsteile erklärten, alles zur ehesten Erteilung der Genehmigung zu unternehmen.

Es waren für das Bauvorhaben zwei Bauabschnitte vorgesehen, der zweite Abschnitt wurde aber nicht realisiert.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei, die Beklagten für schuldig zu erkennen, ihre Zustimmung gegenüber der zuständigen Behörde für die Durchführung der Bauverhandlung gemäß Einreichplan der Planungs- Bauleitungsbüro Planbau GmbH vom August 1989 zu erteilen. Die Klägerin brachte dazu vor, es sei eindeutiger Wille der Parteien des Pachtvertrages aus dem Jahre 1973 gewesen, daß die Grundflächen zum Zwecke der Führung eines Kfz-Betriebes übergeben werden; damit seien naturgemäß Erweiterungen oder jedenfalls dem Betrieb dienende wirtschaftlich notwendige und vernünftige Maßnahmen verbunden. Nunmehr beabsichtige die Klägerin, den zweiten Bauabschnitt, der seinerzeit bewilligt, aber aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt wurde, in die Wege zu leiten. Wäre die ursprüngliche Baubewilligung nicht durch Zeitablauf abgelaufen, bedürfte es gar nicht der Zustimmung der Beklagten. Die Klägerin betreibe am Bestandort eine M*****-Vertragswerkstätte. M***** habe von ihr bereits gefordert, den Betrieb modernen und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen anzupassen.

Die Beklagten wendeten ein, dem Pachtvertrag aus dem Jahre 1973 sei ein konkretes Bauvorhaben zugrundegelegen. Die Klägerin beabsichtige, die bestehenden Baulichkeiten zu erweitern und neue, feste und gemauerte Baulichkeiten zu errichten bzw. anzubauen und den Kfz-Betrieb zu erweitern; darauf habe sie aber keinen Anspruch.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend traf es folgende Feststellungen:

Zweck des zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien abgeschlossenen "Pachtvertrages" war die Bestandnahme eines Grundstückes zur Errichtung eines Gebäudes für eine Kfz-Werkstätte. Zwischen den Vertragsparteien wurde vereinbart, daß bei Auflösung des Bestandvertrages die errichteten Gebäude und sonstigen Anlagen durch die Bestandnehmer zu entfernen und der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen sei. Dem Bauvorhaben lag ein konkretes Bauansuchen der Rechtsvorgänger der klagenden Partei zugrunde, welches zwei Bauabschnitte umfaßte. Zuerst sollte der Werkstättenteil errichtet werden, als zweiter Abschnitt war ein Verwaltungsgebäude mit Ausstellungsraum und Wohnung geplant. Diesem Bauvorhaben erteilten die Rechtsvorgänger der Beklagten ihre Zustimmung, die Bezirkshauptmannschaft H***** bewilligte es am 25.6.1974; die Baubewilligung umfaßte eine verbaute Fläche von 1978,4 m2 und 11.857,3 m3. In der Folge gelangte jedoch nur der erste Baubschnitt zur Ausführung, sodaß derzeit nur 1617,4 m2 verbaute Fläche und 8851,1 m3 umbauter Raum von der Klägerin genützt werden.

Die Klägerin beabsichtigt nunmehr, den zweiten Bauabschnitt zu verwirklichen, wobei allerdings geplant ist, die Errichtung einer Spenglerei, einer Waschbox, eines Raumes für Inspektionen, für die Annahme und Kassa und eine Ausstellungshalle im Gesamtausmaß von 510,9 m2 (2257,5 m3 umbauter Raum); dazu kommt noch ein überdachter PKW-Abstellplatz im Ausmaß von 300 m2 (1230 m3 umbauter Raum).

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Rechtsvorgänger der Beklagten hätten bereits im Jahre 1974 ihre Zustimmung zu dem zweiten Bauabschnitt gegeben; dieser werde nun tatsächlich mit flächenmäßig geringen Abweichungen, die auf den Zeitablauf von nahezu 17 Jahren zurückzuführen seien, ausgeführt.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab; der Entscheidungsgegenstand wurde mit über 50.000,-- S bewertet und ausgesprochen, die Revision sei gemäß § 502 Abs.1 ZPO zulässig.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, ein Pächter habe nur dann einen Anspruch auf bauliche Veränderungen am Bestandobjekt, wenn diese durch die vertragsgemäße Benützung erforderlich werden; dies sei bei Geschäftsräumen dann der Fall, wenn die Änderung durch behördliche Aufträge im Rahmen des vorgesehenen Betriebszweckes angeordnet werden. Einer Adaption müsse der Verpächter zustimmen, wenn diese zur Aufrechterhaltung des Betriebsumfanges notwendig sei, nicht aber, wenn sie dessen Ausweitung diene.

Im vorliegenden Fall seien aus der Baubewilligung 1974 361 m2 bzw. 3006,2 m3 umbauter Raum ungenutzt verblieben. Demgegenüber sehe die klagsgegenständliche Planung eine zusätzliche verbaute Fläche von 810,9 m2 bzw. 3487,5 m3 umbauten Raum vor, sodaß die Ausmaße aus der Baubewilligung 1974 um 449,9 m2 bzw. 481,3 m3 umbauten Raum überschritten werden. Schon daraus ergebe sich eine erhebliche Abweichung der klagsgegenständlichen Planung von der Baubewilligung aus dem Jahre 1974. Diese sei weder durch den Vertragstext noch durch den Zweck des Bestandverhältnisses gedeckt.

Die ordentliche Revision wurde mit der Begründung für zulässig erklärt, daß zur konkret anstehenden Rechtsfrage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege; die zu lösende Frage sei über den Einzelfall hinaus von größerem Interesse.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen; in eventu wird eine Abänderung dahin beantragt, daß dem Klagebegehren ohne Verpflichtung zur Zustimmung der beklagten Parteien zur Errichtung des geplanten PKW-Abstellplatzes Folge gegeben werde; hilfsweise wird schließlich ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, es sei im Pachtvertrag festgelegt, daß es ausschließlich Sache und Angelegenheit der Pächter war, ein Bauvorhaben einzureichen; es sei somit den Pächtern freigestellt, Umfang und Ausmaß der zu errichtenden Gebäude bzw. des zu errichtenden Bauwerkes nach ihrem Gutdünken entsprechend der beabsichtigten geschäftlichen Tätigkeit festzulegen. Daraus folge die Verpflichtung der beklagten Parteien, dem nunmehrigen ergänzenden Bauvorhaben der klagenden Partei die Zustimmung zu erteilen. Die vom Berufungsgericht durchgeführte Gegenüberstellung der verbauten Flächen und des umbauten Raumes umfasse auch den Raum für PKW-Abstellplätze; diese Fläche sei aber zu Unrecht in die Gegenüberstellung miteinbezogen worden, weil den Bestandnehmern auch heute schon das Recht zustehe, Fahrzeuge auf der in Bestand genommenen Grundstücksfläche abzustellen. Unter Vernachlässigung des Planungsvorhabens PKW-Abstellplätze werde um 1.036,2 m3 umbauter Raum weniger angesucht, als bereits seinerzeit bewilligt wurde. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes diene das gegenständliche Bauvorhaben keiner Ausweitung des Betriebes. Ziel der Baumaßnahmen sei es lediglich, den Betrieb den wirtschaftlich unbedingt notwendigen Erfordernissen anzupassen und für den Verkauf der Neufahrzeuge ein entsprechendes Ambiente zu erreichen. Die klagende Partei vertreibe Fahrzeuge der gehobenen Klasse; für einen derartigen Betrieb bedürfte es entsprechender Geschäftsräumlichkeiten. Die Firma M***** habe gefordert, daß der Betrieb der klagenden Partei modernen und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen angepaßt werde, widrigenfalls eine Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht auszuschließen sei. Die geplanten baulichen Maßnahmen seien für die vertragsgemäße Benützung des Bestandobjektes - Nutzung zur Führung eines Kfz-Fachbetriebes - unter Berücksichtigung moderner und angepaßter wirtschaftlicher Verhältnisse notwendig.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Vorweg sei darauf hingewiesen, daß es sich bei der zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien abgeschlossenen Vereinbarung nicht um einen Pacht-, sondern um einen Mietvertrag handelte. Die Rechtsvorgänger der Beklagten haben den Rechtsvorgängern der klagenden Partei ein Grundstück zur Errichtung eines Gebäudes überlassen; Gegenstand der Vereinbarung war sohin nicht die Überlassung einer "organisierten Erwerbsgelegenheit", sodaß schon allein aus diesem Grunde kein Pachtvertrag vorliegt (Schwimann/Binder, ABGB IV/2, § 1091 Rz 4).

Wie die Vorinstanzen bereits zutreffend ausgeführt haben, ist das nunmehr zu beurteilende Bauvorhaben keineswegs ident mit dem zweiten Bauabschnitt, zu dessen Durchführung bereits im Jahre 1973 die Zustimmung erteilt worden war. Wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt, erfaßte der zweite Bauabschnitt das konkrete Projekt der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes samt Ausstellungsraum und Wohnung. Das nunmehr zu beurteilende Bauvorhaben betrifft aber die Errichtung einer Spenglerei, einer Waschbox, eines Raumes für Inspektionen, für die Annahme und Kassa und einer Ausstellungshalle sowie eines überdachten PKW-Abstellplatzes. Es bedarf gar keiner Gegenüberstellung der verbauten Flächen und umbauten Räume, um zu erkennen, daß das nunmehr geplante Bauvorhaben keinerlei Identität mit dem seinerzeitigen zweiten Bauabschnitt aufweist.

Es entspricht allerdings der Lehre und Rechtsprechung (Würth in Rummel2, Rz 5 zu § 1098; Schwimann/Binder ABGB IV/2, Rz 58 zu § 1098), daß der Bestandgeber bauliche Veränderungen dulden muß, die zur Erreichung des bedungenen Gebrauches erforderlich sind (SZ 42/75 ua). Ein Änderungsanspruch besteht dann, wenn ein Geschäftslokal für eine bestimmte Betriebsart in Bestand gegeben wurde und gesetzliche Vorschriften oder behördliche Anordnungen eine Änderung vorschreiben oder die Adaption zur Aufrechterhaltung des Betriebsumfanges notwendig ist. Ein derartiger Anspruch besteht aber nicht, wenn die bauliche Änderung der Ausweitung des Betriebsumfanges dient; auch das Interesse eines Bestandnehmers daran, die Wettbewerbsfähigkeit seines Gewerbes zu erhalten und zu steigern, gibt ihm nicht das Recht, eine wesentliche bauliche Umgestaltung des Bestandgegenstandes zu erzwingen (Binder, aaO, Rz 68 f). Im vorliegenden Fall wurde den Rechtsvorgängern der klagenden Partei eine Liegenschaft zur Errichtung eines Gebäudes für eine Kfz-Werkstätte überlassen. Eine solche Kfz-Werkstätte wird auch auf der Liegenschaft der Beklagten betrieben, gesetzliche Vorschriften oder behördliche Anordnungen erzwingen nicht die von der Klägerin begehrten baulichen Änderungen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine wesentliche Erweiterung des ursprünglichen Betriebsumfanges durch Errichtung einer Spenglerei, einer Waschbox, eines Raumes für Inspektionen, für die Annahme und Kassa und einer Ausstellungshalle sowie eines überdachten PKW-Abstellplatzes. Ohne Zweifel kann die Liegenschaft der Beklagten mit dem darauf errichteten Gebäude und Weiterungen im Rahmen der bereits 1973 erteilten Zustimmung als Kfz-Werkstätte benutzt werden. Bei den von der Klägerin geplanten Maßnahmen handelt es sich nicht um zur Ermöglichung des vertragsgemäßen Gebrauches der Bestandsache notwendige Maßnahmen (vgl. MietSlg. 32.176). Die Beklagten sind sohin berechtigt, den geplanten baulichen Maßnahmen, die eine Erweiterung des Betriebszweckes darstellen, zu widersprechen, weshalb der Revision der klagenden Partei ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E30716

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0020OB00523.93.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19930415_OGH0002_0020OB00523_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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