TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/28 2002/06/0211

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Veröffentlicht am 28.02.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
25/01 Strafprozess;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

ABGB §1004;
ABGB §1152;
AHR;
RAO 1868 §16 Abs3;
RAO 1868 §16 Abs4;
RAO 1868 §17;
RAO 1868 §28 Abs1 litf;
RAO 1868 §45;
RAO 1868 §47 Abs1;
RAO 1868 §47 Abs3 Z3;
RAO 1868 §47 Abs5;
RAT;
StPO 1975 §41;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des Dr. ML in I, gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer (Plenum) vom 7. November 2002, Zl. VS 99-1639, betreffend Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Tiroler Rechtsanwaltskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 180,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 4. November 1999 war der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, gemäß § 45 RAO zum Verfahrenshilfeverteidiger des Angeklagten in einem beim Landesgericht Innsbruck anhängigen Strafverfahren bestellt worden.

Mit Schreiben vom 16. Jänner 2002 begehrte der Beschwerdeführer unter Anschluss einer Leistungsaufstellung den Ersatz von seiner Kanzlei anerlaufenen Kosten in der Höhe von EUR 87.090,12.

Mit Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer, Abteilung 1, vom 4. April 2002 wurde über diesen Antrag des Beschwerdeführers als ihm zu leistende Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO ein Honorar von EUR 38.183,72 einschließlich Umsatzsteuer festgesetzt. Das über den Zuspruch hinausgehende Mehrbegehren des Beschwerdeführers wurde abgewiesen.

Diese Entscheidung wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Beschwerdeführer ab der 50. Verhandlungsstunde eine gesamte Hauptverhandlungszeit von 108/2 Stunden geleistet habe. Der vom Beschwerdeführer vertretene Angeklagte sei von allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen worden, dem Beschwerdeführer werde daher gemäß § 12 AHR ein Erfolgszuschlag von 50 Prozent zuerkannt. Weiters werde dem Beschwerdeführer, weil es sich um ein Großverfahren mit einem umfangreichen, vielbändigen Akt gehandelt habe, zahlreiche Privatbeteiligtenanschlüsse vorgelegen seien und ein großer Vorbereitungsaufwand gegeben gewesen sei, gemäß § 4 AHR ein Zuschlag von 20 Prozent zugemessen. Von der Vergütung weiterer Zuschläge auf Grund erfolgter Privatbeteiligungen sei jedoch Abstand genommen worden, weil eine angemessene Vergütung vorzunehmen gewesen sei.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. November 2002 keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz zur Gänze bestätigt. Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass nur für die allererste halbe Stunde der Hauptverhandlung der volle Ansatz (von ATS 3.910,- -) gebühre, für alle weiteren halben Stunden der Hauptverhandlung könnte, da es sich um eine fortgesetzte Hauptverhandlung handle, nur die Hälfte beansprucht werden. Daher sei die Behörde erster Instanz von einer zutreffenden Zahl von Verhandlungsstunden ausgegangen, für welche dem Beschwerdeführer eine Vergütung zustehe.

Die Leistungen, die ein gemäß § 45 RAO bestellter Rechtsanwalt vor der ersten Hauptverhandlung erbringe, seien ebenso wie die Leistungen bis zur Dauer von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden durch die allgemeine Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt. Der Wortlaut des § 16 Abs. 4 RAO i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 71/1999 könne nur so verstanden werden (arg.: "darüber hinausgehend"). Eine Zuerkennung von Kosten für solche Leistungen, mögen sie auch noch so umfangreich sein, verstoße gegen das Legalitätsprinzip.

Bei der Festsetzung der Angemessenheit der Vergütung könnten die AHR bzw. das Rechtsanwaltstarifsgesetz lediglich Richtschnur sein. Eine Festsetzung der Vergütung exakt in der Höhe des tariflich Verrechenbaren sei damit nicht gefordert.

Unter diesem Gesichtspunkt erscheine es der belangten Behörde auf Grund der Höhe des Gesamtvergütungsanspruches nicht sachgerecht, Streitgenossenzuschläge nach § 7 Abs. 2 AHR zuzuerkennen, diese Bestimmung finde nur in Zivil- und Verwaltungssachen Anwendung. Der mit der Vielzahl der Beteiligten u. a. verbundene Mehrwand werde ohnehin durch den zuerkannten 20- prozentigen Zuschlag nach § 4 AHR angemessen kompensiert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestellung des Beschwerdeführers gemäß § 45 RAO erfolgte vor dem 1. Juni 1999; gemäß Art. V Z. 3 des Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetzes 1999, BGBl. I Nr. 71/1999, ist § 16 Abs. 4 RAO in der Fassung BGBl. Nr. 474/1990 (vor der Änderung durch BGBl. I Nr. 71/1999) anzuwenden.

Die Vorschrift lautet:

"(4) In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs. 3 für alle darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtsanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss."

Mangels einer entsprechenden Übergangsvorschrift war § 47 RAO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/1999 bereits in Ansehung der für das Jahr 1999 festzusetzenden Pauschalvergütung anzuwenden.

Die Vorschrift lautet auszugsweise:

"(1) Der Bund hat dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag für die Leistungen der nach § 45 bestellten Rechtsanwälte, für die diese zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, jährlich spätestens zum 30. September für das laufende Kalenderjahr eine angemessene Pauschalvergütung zu zahlen. Auf die für das laufende Kalenderjahr zu zahlende Pauschalvergütung sind Vorauszahlungen in angemessenen Raten zu leisten.

...

(5) Für nach § 16 Abs. 4 erster Satz erbrachte Leistungen ist eine angemessene Pauschalvergütung gesondert festzusetzen. Diese Leistungen bleiben bei der Neufestsetzung der Pauschalvergütung nach Abs. 3 außer Betracht. Abs. 3 erster Halbsatz ist anzuwenden. Auf die mit Verordnung gesondert festzusetzende Pauschalvergütung kann der Bundesminister für Justiz dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag auf dessen Antrag für bereits erbrachte Verfahrenshilfeleistungen im Rahmen der jeweils im Bundesfinanzgesetz für diese Zwecke verfügbaren Mittel einen angemessenen Vorschuss gewähren; ist die tatsächlich festgesetzte Pauschalvergütung geringer als der gewährte Vorschuss, so hat der Österreichische Rechtsanwaltskammertag dem Bundesminister für Justiz den betreffenden Betrag zurückzuerstatten.

..."

Gemäß Tarifpost 4 I. Z. 5 des Tarifs des Rechtsanwaltstarifgesetzes, BGBl. Nr. 189/1969, i.d.F. BGBl. Nr. 132/2001, gebührt für die erste halbe Stunde die für Anklagen festgesetzte Entlohnung, für jede weitere, wenn auch nur begonnene halbe Stunde die Hälfte dieser Entlohnung.

Die von der Rechtsanwaltschaft im Rahmen der Verfahrenshilfe erbrachten Leistungen werden grundsätzlich durch die vom Bund dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag gemäß § 47 Abs. 1 RAO zu leistende Vergütung abgegolten. Der einzelne Rechtsanwalt erwirbt im Allgemeinen durch seine Leistungen in einem Verfahren, in dem er gemäß § 45 RAO bestellt wurde, gegenüber der Rechtsanwaltskammer - abgesehen vom Anspruch auf anteilsmäßige Anrechnung auf die Beiträge gemäß § 16 Abs. 3 RAO - keinen individuellen Vergütungsanspruch. Von diesem Grundsatz normiert § 16 Abs. 4 RAO eine Ausnahme: Wird der Rechtsanwalt im besonderen Umfang in Anspruch genommen, so gebührt ihm eine individuelle Vergütung. Dabei wird in § 16 Abs. 4 erster Satz RAO daran angeknüpft, dass der betreffende Rechtsanwalt, dessen Vergütungsanspruch zu bemessen ist, mehr als zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden in Anspruch genommen wurde, indem gesagt wird, "er" (der Rechtsanwalt) hat ... Anspruch auf eine Vergütung für "alle darüber hinausgehenden Leistungen" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 99/10/0206).

Die Regelung des § 16 Abs. 4 RAO geht auf die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991, Slg. 12.638, enthaltenen Erwägungen zurück, in denen dieser Gerichtshof ausgeführt hat, der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz mache es erforderlich, dass dem einzelnen Rechtsanwalt in Fällen besonders umfangreicher und arbeitsintensiver Vertretungen und Strafverteidigungen, die ihn als Verfahrenshelfer wochen- und auch monatelang in Anspruch nehmen, ausnahmsweise eine individuelle Vergütung zustehen soll.

Vor dem Hintergrund der im erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991 dargelegten Erwägungen (der auf § 16 Abs. 2 RAO aF bezogene Prüfungsbeschluss war im Zuge der parlamentarischen Beratungen der Novelle BGBl. Nr. 477/1990 bereits bekannt) ging der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass die Einführung einer individuellen Vergütung für gemäß § 45 RAO bestellte Rechtsanwälte, deren Inanspruchnahme einen bestimmten Umfang überschreitet, notwendig wäre, um die in den Gründen des Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes dargelegten existenzbedrohenden Situationen für Rechtsanwälte, die durch den Umfang ihrer Tätigkeit in solchen Verfahren am anderweitigen Erwerb gehindert werden, zu vermeiden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 99/10/0206, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 16 Abs. 4 und § 47 Abs. 5 RAO idF BGBl. Nr. 474/1990 (1380 BlgNR XVII. GP) dargelegt, dass der individuelle Vergütungsanspruch an das Überschreiten des Schwellenwertes durch den Umfang der Leistungen des betreffenden Rechtsanwaltes anknüpft. Hingegen wird die Leistung eines Rechtsanwaltes in Verfahren, in denen er nicht mehr als zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden tätig wird, durch die "allgemeine" Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt.

Die Überschreitung des erwähnten Schwellenwertes ist aber nicht allein als Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruches zu sehen; es entspricht, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls dargelegt hat, vielmehr dem Gesetz, dem Schwellenwert auch Bedeutung als Maßstab bei der Bemessung der Vergütung - insbesondere im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden anwaltlichen Leistungen, die nicht in der Verrichtung der Hauptverhandlung als Verteidiger bestehen - einzuräumen. Nach dem System des Gesetzes werden die Leistungen des Rechtsanwaltes, der gemäß § 45 RAO zur Vertretung oder Verteidigung bestellt wurde, grundsätzlich durch die Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach § 47 Abs. 1 und § 16 Abs. 3 RAO berücksichtigt. Nur in den "überlangen" Verfahren im Sinne des § 16 Abs. 4 RAO besteht ein (individueller) Vergütungsanspruch nach der soeben zitierten Gesetzesstelle. Durch die Festsetzung des "Schwellenwertes" in § 16 Abs. 4 RAO kommt (u.a.) zum Ausdruck, dass mit der individuellen Vergütung nach dieser Gesetzesstelle nur jene Leistungen (angemessen) vergütet werden sollen, die über das - mit der Pauschalvergütung berücksichtigte - "Normalmaß" hinausgehen. Soweit es um die nicht in der Verrichtung der Hauptverhandlung bestehenden ("Neben"-)Leistungen des Verteidigers geht, ist zu bedenken, dass solche Leistungen typischerweise auch bei nicht "überlangen" Verfahren anfallen und in diesem Fall nicht individuell vergütet werden. Nach dem System des Gesetzes gibt es also - wie in § 16 Abs. 4 RAO zum Ausdruck kommt - einen "vergütungsfreien" Teil der in "überlangen" Verfahren erbrachten Leistungen. Es entspricht einer am Gleichheitssatz orientierten Auslegung, den vergütungsfreien Teil mit dem Ausmaß jener Leistungen in Beziehung zu setzen, der dem typischerweise mit Verfahren, bei denen der Leistungsumfang des Rechtsanwaltes den Schwellenwert nicht überschreitet, verbundenen Ausmaß entspricht (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 4. November 2002, Zl. 2000/10/0050).

Mit anderen Worten: In § 16 Abs. 4 RAO wurde nach dem Kriterium der Dauer der Hauptverhandlung jene Gruppe von Strafverfahren definiert, in denen eine sorgfältige Vertretung oder Verteidigung für den Verfahrenshelfer einen ungewöhnlich hohen Arbeitsaufwand erfordert, und in welchen daher den als Verfahrenshelfer beigegebenen Rechtsanwälten für ihren Aufwand ausnahmsweise eine besondere Vergütung zuerkannt werden soll. Wenn darin festgelegt ist, dass dem Rechtsanwalt "für alle darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtsanwaltskammer (ein) Anspruch auf eine angemessene Vergütung" zusteht, so wurde damit zum Ausdruck gebracht, dass ein solcher Anspruch auf angemessene Vergütung in jenem Ausmaß gewährt werden soll, in welchem die Leistungen des Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer die Leistungen eines Verteidigers in einem typischen Strafverfahren unterhalb der Schwelle des § 16 Abs. 4 RAO übersteigen. Das Gesetz enthält insoferne keine Einschränkung darauf, dass mit § 16 Abs. 4 RAO eine Vergütung nur für zusätzliche Verhandlungsstunden in der Hauptverhandlung zuzuerkennen wären (eine gegenteilige Aussage enthält auch nicht das hg. Erkenntnis vom 30. März 2004, Zl. 2002/06/0159, in welchem es um von der Verfahrenshilfe nicht erfasste Leistungen zur Geltendmachung einer Haftentschädigung ging).

§ 16 Abs. 4 RAO spricht von "angemessener Vergütung". "Angemessen" ist jene Vergütung, die sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme darauf, was in gleich gelagerten Fällen geschieht, ergibt. Bei der Bemessung ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Vergütung nicht zuletzt der Abwendung der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis Slg. 12.638 dargelegten Auswirkungen der Belastung der Rechtsanwälte durch überlange Verfahren, die bis zur Existenzbedrohung gehen können, dient.

Den von der ständigen Vertreterversammlung der österr. Rechtsanwaltskammern erstellten Honorarrichtlinien (AHR) kommt als kodifiziertem Gutachten über die Angemessenheit der im RATG nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen für die Honorarberechnung Bedeutung zu, sofern zwischen Rechtsanwalt und Mandanten keine Honorarvereinbarung geschlossen wurde und kein gesetzlicher Tarif besteht. In der Präambel zu den AHR wird ausgeführt, die Rechtsanwaltskammern Österreichs werden im Falle einer Begutachtung der Angemessenheit von Entlohnungen für rechtsanwaltliche Tätigkeiten gemäß § 28 Abs. 1 lit. f RAO die Bemessungsgrundlagen und Honoraransätze der AHR als angemessene Entlohnung (§ 17 RAO, §§ 1152, 1004 ABGB) betrachten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. November 2002, Zl. 2000/10/0050, und vom 30. März 2004, Zl. 2002/06/0159, m.w.N.).

Nach § 16 Abs. 4 RAO hat aber die Kammer nicht etwa die angemessene Entlohnung eines Wahlverteidigers, der auf Grund vertraglicher Vereinbarung mit seinem Klienten tätig wurde, zu bemessen, sondern eine angemessene Vergütung für einen gemäß § 41 StPO vom Gericht beigegebenen und gemäß § 45 RAO von der Rechtsanwaltskammer bestellten Rechtsanwalt, der somit auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Pflichtenverhältnisses im Rahmen der Mitwirkung der Rechtsanwaltschaft an der Rechtspflege tätig wird, festzusetzen.

Maßgeblich ist somit, in welcher Höhe die Vergütungen für gemäß § 45 RAO bestellte Rechtsanwälte in Fällen mit vergleichbarem Leistungsumfang bemessen werden. Die Materialien zu § 16 Abs. 4 RAO (1380 BlgNR XVII GP) sprechen davon, dass sich die Höhe der besonderen Vergütung nach der gemäß § 47 Abs. 5 RAO neue Fassung gesondert festzusetzenden Pauschalvergütung für solche überlangen Verfahren richten werde. Die Angemessenheit der gesondert festzusetzenden Pauschalvergütung werde nach den für die Festsetzung der Pauschalvergütung im Allgemeinen anzuwendenden Grundsätzen (siehe insbesondere § 47 Abs. 3 Z. 3) zu bestimmen sein. In der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ist davon die Rede, "die Vergütung ... der Entlohnung anzunähern die nach den Standesrichtlinien der Rechtsanwälte als angemessen angesehen wird" (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. November 2002, Zl. 2000/10/0050, und vom 30. März 2004, Zl. 2002/06/0159).

Im Erkenntnis vom 4. November 2002, Zl. 2000/10/0050, hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass es nicht rechtswidrig ist, im Sinne einer "Annäherung" an die nach den Standesrichtlinien als angemessen anzusehende Entlohnung und in Verweisung auf die allgemeine Übung, von den Ansätzen der AHR ausgehend einen Abschlag von 25 Prozent vorzunehmen.

Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid zunächst ein, dieser sei deswegen rechtswidrig, weil er nicht von der juristischen Person der Tiroler Rechtsanwaltskammer selbst, sondern nur vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer erlassen worden sei. Dieser Einwand ist schon deswegen nicht zielführend, weil der angefochtene Bescheid von der gemäß § 16 Abs. 4 RAO zuständigen Behörde erlassen wurde und eine Vorschrift nicht ersichtlich ist, wonach es sich bei dieser zugleich auch um eine Rechtspersönlichkeit handeln müsse.

Der Beschwerdeführer meint weiters, er habe sechs "Kommissionen" beim Landesgericht Innsbruck verrichtet, diese wären ihm ebenso zu entgelten gewesen, wie Streitgenossenzuschläge.

Ob dieser Vorwurf zutrifft, ist, wie dargelegt, danach zu beurteilen, ob der im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer außerhalb der Hauptverhandlung erbrachte notwendige Aufwand als Verfahrenshelfer den typischen außerhalb der Hauptverhandlung erbrachten Leistungsumfang eines Verfahrenshelfers in einem vergütungsfreien, nicht "überlangen" Strafverfahren überstiegen hat, und ob bejahendenfalls dem die belangte Behörde durch die Zuerkennung von Zuschlägen ausreichend Rechnung getragen hat.

Zwar hat die belangte Behörde grundsätzlich zutreffend erkannt, dass das Gesetz keine Einschränkung darauf enthält, dass mit § 16 Abs. 4 RAO bloß eine Vergütung für zusätzliche Verhandlungsstunden in der Hauptverhandlung zuzuerkennen wäre, indem sie dem Beschwerdeführer neben einer Vergütung für Verhandlungsstunden, die der Beschwerdeführer über die in § 16 Abs. 4 RAO umschriebene Schwelle geleistet hat, auch Zuschläge zuerkannt hat. Die belangte Behörde hat es allerdings unterlassen zu beurteilen, ob durch diese Zuschläge die vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Strafverfahren erbrachten, notwendigen Leistungen, die über die außerhalb einer Hauptverhandlung erbrachten notwendigen Leistungen eines Verteidigers in einem typischen, den Schwellenwert des § 16 Abs. 4 RAO nicht übersteigenden Strafverfahren hinausgingen, nach den dargelegten Kriterien ausreichend abgegolten werden.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil gemäß § 49 Abs. 1 zweiter Satz VwGG Schriftsatzaufwand nur dann gebührt, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war; damit gebührt Schriftsatzaufwand auch dann nicht, wenn ein Rechtsanwalt in eigener Sache einschreitet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 2001, Zl. 97/02/0485, und vom 29. Oktober 2003, Zl. 2000/13/0217, m.w.N.).

Wien, am 28. Februar 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2002060211.X00

Im RIS seit

31.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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