TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/28 2002/06/0135

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Veröffentlicht am 28.03.2006
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs12;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z3;
BauG Stmk 1995 §26 Abs4 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z5;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des RR in F, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. März 2002, Zl. FA13A-

12.10 F 109 - 02/1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. I OEG in F, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Hauptplatz 23, und 2. Marktgemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 und dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. August 2001 wurde der erstmitbeteiligten Partei auf Grund ihres Ansuchens vom 28. Juni 2001 gemäß §§ 19 und 29 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG) die Baubewilligung für die Errichtung von 9 Wohngebäuden (18 Wohneinheiten) auf zwei Bau-Grundstücken der KG R unter Vorschreibung von näher angeführten Auflagen erteilt und die Einwendungen des Beschwerdeführers gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG zum Teil abgewiesen und zum Teil gemäß § 26 Abs. 3 Stmk. BauG auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 2. November 2001 keine Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters vom 8. August 2001 vollinhaltlich bestätigt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. März 2002 als unbegründet abgewiesen wurde.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe gegen die von ihm bekämpfte Baubewilligung geltend gemacht habe, dass die zukünftigen Bewohner der Wohnhäuser durch den von ihm auf östlich des Bauplatzes gelegenen Grundstücken betriebenen landwirtschaftlichen Betrieb belästigt würden und er deshalb mit zivilrechtlichen Folgen zu rechnen hätte. Ein Nachbar (Betriebsinhaber) könne jedoch nicht zu Recht gegen ein Bauvorhaben betreffend die Errichtung von Wohnungen einwenden, im Hinblick auf die von seinem Betrieb ausgehenden Immissionen sei das Vorhaben unzulässig bzw. die künftigen Bewohner hätten die Immissionen hinzunehmen. Außerdem sei der Nachbar im Baubewilligungsverfahren ausschließlich zur Wahrung seiner Rechte legitimiert, nicht aber auch zur Wahrung jener anderer Nachbarn. Dem Nachbarn stehe also insoferne kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zu, dass das Bauwerk (beantragte Projekt) derart geplant und ausgeführt werde, dass der von den Benützern und vom Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten werde, der nicht gesundheitsgefährdend sei und bei dem zufrieden stellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt seien. Diesbezüglich werde vom Beschwerdeführer ein Recht geltend gemacht, das dem Nachbarn keinesfalls, auch nicht im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zustehe. Der Beschwerdeführer könne sich nämlich auch nicht auf die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1999, B 1176/99-11, VSlg 15.691, vertretene Auffassung berufen, weil es in diesem Erkenntnis um eine gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage im allgemeinen Wohngebiet gegangen sei und der Verfassungsgerichtshof diesbezüglich ausgeführt habe, dass das rechtliche Interesse des Betriebsinhabers durch die Bewilligung einer Wohnbebauung auf dem Nachbargrundstück deshalb berührt werde, weil er beispielsweise mit Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen rechnen müsse. Das Stmk. BauG sehe keine Möglichkeit vor, nachträglich Auflagen für eine baubehördlich bewilligte Anlage (hier: den landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers) vorzuschreiben. Hier bestehe ein gravierender Unterschied zur Gewerbeordnung, nach welcher zum Schutz der Nachbarschaft für einen Gewerbebetrieb nachträgliche Auflagen vorgeschrieben werden könnten.

Das von den Gemeindebehörden genehmigte Bauvorhaben liege im allgemeinen Wohngebiet. Dabei handle es sich gemäß § 23 Abs. 5 lit. b des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes (Stmk. ROG) um Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt seien, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienten, errichtet werden könnten. Der landwirtschaftliche Betrieb des Beschwerdeführers befinde sich auf einer im Flächenwidmungsplan als "Dorfgebiet" ausgewiesenen Fläche, die gemäß § 23 Abs. 5 lit. f Stmk. ROG vornehmlich für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in verdichteter Anordnung bestimmt seien, wobei auch Wohngebäude und Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner dienten, errichtet werden könnten. Der Betrieb des Beschwerdeführers sei in dieser Baugebietskategorie zulässig. Anders als im allgemeinen Wohngebiet, wo ein Immissionsschutz vorgesehen sei, sei ein derartiger besonderer Immissionsschutz im Dorfgebiet nicht gegeben. Hier könne nur der allgemeine Immissionsschutz gemäß § 13 Abs. 12 Stmk. BauG zur Anwendung gelangen, wonach die Behörde größere Abstände vorzuschreiben habe, wenn der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten lasse. Der Beschwerdeführer habe im Fall einer Vergrößerung sehr wohl auf die im Dorfgebiet ansässigen Nachbarn Rücksicht zu nehmen und dadurch sei gewährleistet, dass auch die Bewohner des geplanten Projektes, welches sich im allgemeinen Wohngebiet befinde, durch die Berücksichtigung der Bewohner des Dorfgebietes ebenso geschützt würden. Der landwirtschaftliche Betrieb des Beschwerdeführers sei im Dorfgebiet rechtskräftig bewilligt worden, er verursache keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft. Dies habe zur Konsequenz, dass auch die künftigen Bewohner des geplanten Projektes die Immissionsbelastung durch den landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers hinnehmen müssten.

Auch der Verweis auf § 364 Abs. 2 ABGB sei nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, weil auch in dieser Bestimmung normiert werde, dass der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusche, Erschütterungen u.ä. insoweit untersagen könne, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigten. Dies deshalb, weil der landwirtschaftliche Betrieb des Beschwerdeführers offensichtlich keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung verursache, da ansonsten der landwirtschaftliche Betrieb in Widerspruch zu den bau- bzw. raumordnungsrechtlichen Bestimmungen stünde, was aber niemals behauptet oder eingewendet worden sei und sich auch aus den vorgelegten Aktenunterlagen nicht ergebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 10. Juni 2002, B 798/02-3, abgelehnte und mit weiterem Beschluss vom 26. August 2002, B 798/02-5, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, in der Fassung LGBl. Nr. 39/1986, lauten:

"§ 23

Bauland

...

(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:

...

b) allgemeine Wohngebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können;

...

f) Dorfgebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in verdichteter Anordnung bestimmt sind, wobei auch Wohngebäude und Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner dienen, errichtet werden können..."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk BauG), (in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 78/2003) lauten:

"§ 13

Abstände

...

(12) Lässt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten oder ist dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich, hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben.

...

§ 26

Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

4.

die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);

5.

die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

              6.              die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6).

(2) Wird von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet, das ausschließlich der Wahrung öffentlicher, von der Behörde von Amts wegen wahrzunehmender Interessen dient (objektivöffentlich-rechtliche Einwendung), so hat die Behörde dieses Vorbringen zurückzuweisen.

(3) Wird von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet, das im Privatrecht begründet ist (privatrechtliche Einwendung), so hat die Behörde zunächst eine Einigung zu versuchen. Kommt keine Einigung zu Stande, so ist der Beteiligte mit seinen privatrechtlichen Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Diese Verweisung ist unter Anführung der Einwendung im Spruch des Bewilligungsbescheides auszusprechen.

...

§ 43

Allgemeine Anforderungen

...

(2) Allgemeine Anforderungen an Bauwerke sind:

...

5. Schallschutz

Das Bauwerk muss derart geplant und ausgeführt sein, dass der von den Benützern oder von Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufrieden stellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt sind.

..."

Mit der Novelle LGBl. Nr. 78/2003, die hier noch nicht anzuwenden ist, wurde dem § 26 Stmk. BauG folgender Abs. 4 angefügt:

"(4) Bei Neu- oder Zubauten, die dem Wohnen dienen, sind auch Einwendungen im Sinne § 26 Abs. 1 Z. 1 zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer genehmigten benachbarten gewerblichen oder landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken (heranrückende Wohnbebauung). Dies gilt jedoch nur in Bezug auf rechtmäßige Emissionen, deren Zulässigkeit vom Nachbarn zu belegen ist."

Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1999, VfSlg. 15.691, ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG "auch den Fall des Inhabers einer gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage erfasst, in dessen unmittelbarer Nähe ein Wohnhaus errichtet werden soll". Sein rechtliches Interesse werde "durch die Bewilligung einer Wohnbebauung auf dem Nachbargrundstück deshalb berührt, weil er beispielsweise mit Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen rechnen muss (vgl. VfSlg. 15.188/1998)".

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der mit dem § 26 Abs. 1 Stmk. BauG vergleichbaren Bestimmung des § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 lässt die in dieser Bestimmung enthaltene Aufzählung der Nachbarrechte erkennen, dass subjektive Rechte nur dahingehend eingeräumt werden, dass sich die Nachbarn von beantragten Bauprojekten in dem in der Bauordnung näher genannten Ausmaß gegen Immissionen auf ihren Grundstücken, die vom beantragten Projekt ausgehen, wenden können (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. Oktober 1995, Zl. 95/06/0163 und vom 3. Oktober 1996, Zl. 96/06/0142, m.w.N., vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/06/0008, betreffend entsprechende Bestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1962 i.d.F.

LGBl. Nr. 72/1997).

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1999, B 1.176/99-11 u.a., Zlen., VSlg 15.691, für rechtswidrig. Selbst wenn man von den vom Verfassungsgerichtshof in dem angeführten Erkenntnis angestellten Überlegungen betreffend den Schutz des Inhabers einer gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage, in dessen unmittelbarer Nähe ein Wohnhaus errichtet werden soll, vor einer heranrückenden Wohnbebauung, weil er beispielsweise mit Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen rechnen müsse, ausgeht, ist im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer deswegen nichts gewonnen, weil er als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes keine nachträglichen Auflagen zu Gunsten der Bewohner des im vorliegenden Fall von den Baubehörden genehmigten Wohnprojektes zu befürchten hat. Eine Rechtsgrundlage für derartige Vorschreibungen zu Lasten des Beschwerdeführers ist nämlich - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - dem Steiermärkischen Baugesetz nicht zu entnehmen.

§ 13 Abs. 12 Stmk. BauG stellt auf den Verwendungszweck einer projektierten baulichen Anlage ab ("Lässt der Verwendungszweck ... erwarten"). Daher kann die Vorschreibung von größeren Abständen nach dieser Bestimmung nur zum Schutz der bestehenden Nachbarschaft vor einer Belästigung oder Gesundheitsgefährdung durch eine projektierte bauliche Anlage, nicht jedoch zum Schutz der künftigen Bewohner bzw. Benutzer einer projektierten baulichen Anlage vor bereits bestehenden Beeinträchtigungen erfolgen.

Der Beschwerdeführer meint, § 26 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG enthalte ein reziprokes Regime der Vermeidung von Nachbarbelästigung, das auch gerade dem potenziellen Belästiger zu Gute komme. Der von ihm erzeugte Lärm werde zu unzumutbaren Wohnbedingungen für die künftigen Benützer der auf Grund des gegenständlichen Bauvorhabens errichteten Gebäude führen. Ihre (verständliche) Reaktion werde die (wenn nötig eben) zivilrechtliche Bekämpfung der akustischen Emissionen des Beschwerdeführers sein; nichts anderes werde auf die von seinem Betrieb ausgehenden erheblichen Geruchsemissionen zutreffen.

Mit diesem Einwand weist der Beschwerdeführer auf § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG hin, wonach das Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein muss, "dass der von den Benützern oder den Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, ... bei dem zufrieden stellende Wohnbedingungen sichergestellt sind".

Zwar ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass der Wortlaut des § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG, wonach das Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein muss, dass der "von den Benützern oder vom Nachbarn wahrgenommene Schall" auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufrieden stellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sicher gestellt sind, durchaus auch Maßnahmen zum Schutz der Benutzer der baulichen Anlage vor Beeinträchtigung durch Schalleinwirkungen von außerhalb der baulichen Anlage erfasst und nicht nur Maßnahmen zum Schutz vor Beeinträchtigung durch den von der baulichen Anlage ausgehenden Schall.

Im Zusammenhalt mit § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG kann jedoch nicht angenommen werden, dass diese Bestimmung dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schallschutz für die Benutzer einer baulichen Anlage in seiner Nachbarschaft eingeräumt werden sollte. Die Bestimmung gibt dem Nachbarn vielmehr bloß ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass er selbst vor Schall geschützt werde, sie bietet ihm aber keinen rechtlichen Schutz vor möglichen Einwendungen gegen von ihm selbst ausgehende Schallbeeinträchtigungen (vgl. die oben angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Auch spricht der Umstand, dass mit der Novelle des Steiermärkischen Baugesetzes LGBl. Nr. 78/2003 dem § 26 ein Abs. 4 angefügt wurde, nach welchem die Einwendungen von Nachbarn im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG zu berücksichtigen sind, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer genehmigten benachbarten gewerblichen oder landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken (heranrückende Wohnbebauung), nicht dafür, dass schon vor Erlassung dieser Novelle eine gesetzliche Grundlage für derartige Einwendungen bestanden hätte. Dem Gesetzgeber kann nämlich nicht unterstellt werden, durch die Novelle LGBl. Nr. 78/2003 insoferne Überflüssiges angeordnet zu haben (vgl. auch zur Novelle die von Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht, 4. Auflage 2004, 256, dargestellten Gesetzesmaterialien).

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid daher nicht in seinen Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. März 2006

Schlagworte

Auflagen BauRallg7 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Diverses VwRallg3/5 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2002060135.X00

Im RIS seit

28.04.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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