TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/29 2004/04/0209

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Veröffentlicht am 29.03.2006
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Index

14/01 Verwaltungsorganisation;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 2002 §43 Abs1 Z1;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs1;
UVPG 2000 §17 Abs1;
UVPG 2000 §17 Abs2 Z2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Dipl. HTL Ing. R in K, vertreten durch Mag. Markus Watzin, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Priesterhausgasse 4, gegen den Bescheid des Umweltsenates der Republik Österreich vom 14. Juni 2004, Zl. US 4B/2004/3-7, betreffend Genehmigung gemäß § 17 UVP-G 2000 (mitbeteiligte Partei: W & P GmbH in K, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Am Hof 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung als Umweltverträglichkeitsprüfungsbehörde erster Instanz vom 15. Dezember 2003 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb folgender Maßnahmen und Nebenanlagen, inklusive einer Anschlussbahn auf näher bezeichneten Grundstücken nach Maßgabe gekennzeichneter Projektunterlagen und bei Einhaltung von im Einzelnen genannten Nebenbestimmungen erteilt:

a) Kapazitätserweiterung der Klinkerproduktion von derzeit ca. 320.000 t/a auf ca. 700.000 t/a;

b) Kapazitätserweiterung der thermischen Verwertung von

33.500 t/a auf 80.000 t/a sowie der Vorbehandlung/Aufbereitung von

19.500 t/a auf 60.000 t/a nicht gefährlicher Abfälle und

c) thermische Verwertung von 20.000 t/a gefährlicher Abfälle (neues Vorhaben);

die Einwendungen u.a. des Beschwerdeführers wurden abgewiesen.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei produziere in ihrer 1965 genehmigten und 1967 errichteten Drehrohrofenlinie III in W. Klinker für die Zementproduktion. Die somit 35 Jahre alte Produktionsanlage bedürfe der Anpassung an den Stand der Technik. Für die Klinkerproduktion würden neben den Regelbrennstoffen Steinkohle, Petrolkoks, Erdgas und Heizöl-schwer seit Jahren so genannte "Alternativbrennstoffe" eingesetzt, z.B. sortierte Kunststofffraktionen aus der "Verpackungssammlung" und seit dem Jahre 2001 auch Tiermehl. Die derzeit genehmigte Einsatzmenge an Alternativbrennstoffen betrage 33.500 t/a. Im Werk W. würden aber auch seit Jahren Alternativrohstoffe, wie Hochofenschlacke, Flugaschen, Gips aus der Rauchgasentschwefelung (REA-Gips), Tinkal-Gangart u.a. zusätzlich zu den klassischen Einsatzstoffen Kalkstein und Mergel verwendet. Die derzeitige Drehrohrofenlinie III solle von der gegebenen Klinkerproduktionskapazität von rd. 1.050 tato im ersten Schritt auf ca. 1.400 tato (2005) und später auf 2.200 tato umgebaut werden (von derzeit rd. 320.000 t/a auf rund 700.000 t/a im Endausbau). Kernstück des Projektes sei der Austausch des bestehenden Rostvorwärmers (Lepol-Verfahren) durch einen Wärmetauscherturm (Wärmetauscherverfahren) und die Errichtung einer neuen Klinkerkühler-Entstaubung. Im Zuge dieser Kapazitätserweiterung in der Klinkerproduktion sei auch eine Kapazitätserweiterung für die Vorbehandlung bzw. Aufbereitung von "Alternativbrennstoffen" von 19.500 t/a auf 60.000 t/a nicht gefährlicher Abfälle und die Kapazitätserweiterung der thermischen Verwertung von "Alternativbrennstoffen" von 33.500 t/a auf 80.000 t/a vorgesehen, darüber hinaus die thermische Verwertung von 20.000 t/a gefährlicher Abfälle (neues Vorhaben).

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2002 habe die Kärntner Landesregierung als zuständige UVP-Behörde festgestellt, dass für das Vorhaben der mitbeteiligten Partei eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Das Umweltverträglichkeitsgutachten sei zum Ergebnis gelangt, dass das Vorhaben unter Abwägung aller fachlichen Belange insgesamt als "umweltverträglich" zu beurteilen sei, weil die Auswirkungen auf die zu schützenden Interessen vermieden oder zumindest so gering gehalten werden würden, dass nachteilige Auswirkungen nicht zu erwarten seien. Diese Gesamtbeurteilung ergebe sich daraus, dass in den Teilgutachten an Hand eines einheitlichen Bewertungsschemas (Relevanzmatrix) ausschließlich die Bewertungen 0 (d.h. keine, vernachlässigbare bzw. unerhebliche Auswirkungen auf ein Schutzgut durch das Vorhaben, allenfalls positive Auswirkungen) bis maximal 1 (geringfügige, insgesamt jedoch keine negativen Auswirkungen durch das Vorhaben auf ein Schutzgut) vorgenommen worden seien. Schlechtere in der Relevanzmatrix vorgesehene Bewertungen (2: erhebliche Auswirkungen bzw. 3: hohe Auswirkungen - nachhaltiger Einfluss nicht auszuschließen) hätten sich in keinem Fachbereich ergeben.

Dem Umweltverträglichkeitsgutachten zufolge würden - wie näher dargelegt - sämtliche vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten und großteils sogar bei weitem unterschritten. An Hand der humanmedizinischen Ausführungen betreffend Luftschadstoffe sei zusammenfassend festzustellen, dass eine Gefährdung der Anrainer aus den ermittelten Werten nicht abgeleitet werden könne. Obwohl alle Grenz-, Richt- bzw. Orientierungswerte in Bezug auf Schwermetalle klar unterschritten würden, seien als zusätzliche Schutzmaßnahmen näher beschriebene Messungen sowie die Durchführung eines Schwermetall-Screenings nach Inbetriebnahme der neuen Anlage immissionsseitig inklusive einer umweltmedizinischen Beurteilung vorgeschrieben worden. Auch in Ansehung möglicher Betriebsstörungen könne es zu keinen erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen, es sei jedoch eine Aufklärung bzw. Warnung der am meisten betroffenen Bevölkerung vorgesehen worden. Eine unzumutbare Geruchsbelästigung könne ebenso wie eine unzumutbare Lärmbelästigung ausgeschlossen werden. Die Genehmigungsvoraussetzungen nach der GewO 1994 seien im vorliegenden Fall ebenso erfüllt wie jene nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, dem Wasserrechtsgesetz 1959, dem Forstgesetz 1975, der Kärntner Bauordnung 1976, dem Eisenbahngesetz 1957, dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und dem UVP-G 2000.

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Umweltsenates vom 14. Juni 2004 abgewiesen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, die vom Beschwerdeführer relevierte Frage der Asbestvorbelastung sei Thema einer gesonderten Auseinandersetzung im umweltmedizinischen Gutachten gewesen. Die Asbestzementroherzeugung sei 1978 eingestellt worden, gesundheitsbeeinträchtigende Immissionen der Nachbarn seien nicht zu erwarten. Nach dem umweltmedizinischen Gutachten verursachten die "Emissionen/Immissionen des Zementwerks" unter Berücksichtigung der Asbestvorbelastung und der zu erwartenden Gesamtbelastung durch gesundheitsgefährdende Luftschadstoffe wie Dioxine und Schwermetalle weder derzeit noch nach erfolgtem projektgemäßem Ausbau eine epidemiologisch feststellbare Zunahme des Krebsrisikos der Wohnbevölkerung, auch nicht bei lebenslanger Exposition. Eine Zunahme der Inzidenz von Asbesterkrankungen könne auf Grund der zu erwartenden Emissionen/Immissionen ebenfalls ausgeschlossen werden. Wenn sich der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen auf Ausführungen eines namentlich genannten Toxikologen aus einem Verfahren aus dem Jahre 1995 beziehe, sei ihm zu entgegnen, dass diese Darlegungen in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Projekt stünden. Soweit der Beschwerdeführer in Ansehung der Rauchgasentstickung die Einhaltung eines Grenzwertes von 200 mg/m3 NOx für erforderlich erachte, um angesichts der Asbestvorbelastung Gesundheitsgefährdungen zu vermeiden, sei ihm zu entgegnen, dass die relevanten Grenzwerte nach der Abfallverbrennungsverordnung BGBl. II Nr. 389/2002, Anlage 2, zu Grunde gelegt worden seien. Demnach sei bei Neuanlagen ein Grenzwert von 500 mg/Nm3 einzuhalten, dies als HMW und TMW; vorgeschrieben worden seien ein HMW von 500 mg/Nm3 und ein TMW von 450 mg/Nm3. Da die Ausbreitungsrechnung basierend auf diesen Emissionsgrenzwerten eine Immission unterhalb der medizinischen Grenzwerte zum dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit ergäbe, seien bei der Ausbaustufe 1.400 tato keine weiter gehenden Maßnahmen notwendig. Für die Ausbaustufe 2.200 tato werde ein HMW von 300 mg/Nm3 und ein TMW von 250 mg/Nm3 vorgeschrieben, womit ebenfalls die medizinischen Grenzwerte zum dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit eingehalten würden. Die technischen Maßnahmen zur Einhaltung dieser Werte seien von der mitbeteiligten Partei auszuwählen; die Vorschreibung einer bestimmten Technologie sei daher nicht angebracht. Nach den Darlegungen des Sachverständigen für Humanmedizin könne zufolge der prognostizierten deutlichen Unterschreitung der in Betracht kommenden Grenzwerte eine Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit ausgeschlossen werden. Ein über den Ausschluss einer Gesundheitsgefährdung hinausgehender Anspruch, etwa auf die Art und Weise der Einhaltung vorgeschriebener Grenzwerte, komme dem Beschwerdeführer nicht zu. Auch in Ansehung "Staub" entsprächen die vorgeschriebenen Grenzwerte den anzuwendenden Bestimmungen und somit dem Stand der Technik. Schließlich seien entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers für das vorliegende Verfahren nicht die Schweizer BUWAL-Richtlinie oder die "Arbeitshilfe-Stoffflussanalyse bei abfallrechtlichen Beurteilungsfragen" (Erlass aus Nordrhein-Westfalen) und auch nicht die "TA-Luft" oder die "13. BlmSchV" anzuwenden. Vielmehr seien, wie sich aus dem Gutachten "Ausbreitungsrechnung Luftschadstoffe" auch ergebe, die maximal auftretenden Halbstundenmittelwerte heranzuziehen. Rechtliche Grundlagen seien das Immissionsschutzgesetz-Luft, die Verordnung betreffend Immissionsgrenzwerte und Immissionszielwerte zum Schutz der Ökosysteme und der Vegetation, das Ozongesetz sowie die Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen. Der Beweiswert des im Gutachten näher dargestellten Ausbreitungsmodells werde weder durch den Hinweis auf eine vom Land Baden-Württemberg in Auftrag gegebene Studie erschüttert, noch durch die auszugsweise Wiedergabe des "Müllmagazins 2/2001", das mit dem vorliegenden Projekt in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht, nicht durch Schadstoffemissionen und/oder - immissionen an der Gesundheit geschädigt oder beeinträchtigt zu werden", verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, auch bei Anwendung von Grenzwerten, die dem Standpunkt der medizinischen Wissenschaft repräsentierten, müsse das Prinzip beachtet werden, "Belastungen im Sinne eines protektiven Umweltschutzes und im Rahmen einer effizienten umweltmedizinischen Prophylaxe so gering wie möglich zu halten". Ein festgesetzter Grenzwert stelle, wie auch im Rahmen der humanmedizinischen Beurteilung des vorliegenden Projektes dargelegt worden sei, einerseits ein Ziel dar, das im Falle einer Überschreitung unter Einsatz aller Mittel erreicht werden müsse, andererseits dürfe ein Grenzwert nicht zum Anlass genommen werden, eine Verschlechterung von tatsächlich unter diesem Wert gelegenen Werten zuzulassen. Vielmehr bestehe aus umweltmedizinischer Sicht die ausdrückliche Forderung, basierend auf dem Stand der Wissenschaft und der technischen Möglichkeiten all jene Maßnahmen zu treffen, die zu einer Vergrößerung des Abstandes der tatsächlichen Emissionswerte vom Grenzwert führten. Aufgabe der Umweltverträglichkeitsprüfung sei nämlich auch die Prüfung von Maßnahmen zur Verringerung schädlicher, belästigender oder belastender Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt bzw. zur Vergrößerung günstiger Auswirkungen des Vorhabens. Im Übrigen seien gemäß § 17 Abs. 2 UVP-G 2000 Emissionen von Schadstoffen nach dem Stand der Technik zu begrenzen und die Immissionsbelastung zu schützender Güter möglichst gering zu halten, wobei Immissionen, die das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährden, jedenfalls zu vermeiden seien. In Ansehung der bestehenden Asbestvorbelastung habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er nahezu 10 Jahre hindurch der Einwirkung von Asbest in der seinerzeitigen Asbestzementproduktion ausgesetzt gewesen sei. Aus dem humanmedizinischen Gutachten ergäbe sich, dass ein stark erhöhtes Lungenkrebsrisiko bestehe. Auch der ortsansässige Arzt Dr. B. habe ausgeführt, dass jährlich mit fünf Neuerkrankungen zu rechnen sei. Die Umweltverträglichkeitserklärung habe gezeigt, dass mit einer Steigerung vom Ist-Zustand von 0,0128 Krebsfällen auf 0,0741 bei WT 1400 und 1,039 Krebsfällen bei WT 2200 bezogen auf jeweils 100.000 Einwohner zu rechnen sei; das Gefährdungspotenzial werde gegenüber dem Ist-Zustand auf das 81-fache erhöht. Der Beschwerdeführer habe weiters dargelegt, dass sich der Massenstrom auf 132 % in der Ausbaustufe WT 1400 und 207 % in der Ausbaustufe WT 2200 erhöhe, wodurch eine massive gesundheitliche Beeinträchtigung gegeben sei. Die gegenteiligen Ausführungen im angefochtenen Bescheid bzw. die auszugsweise Wiedergabe des Sachverständigen Dr. V. seien für eine rechtliche Beurteilung nicht maßgeblich bzw. nicht stichhaltig, weil der Sachverständige in seinen Berechnungen von der Ist-Situation, der das Lepol-Verfahren zu Grunde liege, ausgegangen sei, und Werte hochgerechnet habe, nicht aber die Erwartungswerte des beabsichtigten Wärmetauscherverfahrens; dies betreffe insbesondere den Transferfaktor von Quecksilber. In richtiger rechtlicher Beurteilung und unter Berücksichtigung der erwähnten Vorgaben des humanmedizinischen Gutachtens wäre es jedenfalls erforderlich gewesen, durch eine entsprechende Auflage das Risiko im Zusammenhang mit der Asbestvorbelastung weitestgehend zu vermindern, indem sichergestellt werde, dass es gegenüber dem Ist-Zustand zu keiner Erhöhung der Schadstoffemissionen bzw. der Belastung durch Schwermetalle und andere kanzerogen wirkende Schadstoffe komme. Die Einhaltung von Grenzwerten sei in dieser Situation nicht ausreichend. Im Übrigen ergäbe sich aus dem umweltmedizinischen Gutachten, dass die Messung von PCDD/F in den Sommermonaten durchgeführt worden und daher nicht repräsentativ sei. Wegen der Asbestvorbelastung der Region hätte schließlich ein Emissionsgrenzwert von 200 mg/m3 NOx vorgeschrieben werden müssen, der auch technisch erzielbar sei. Die "Ausreizung" der Grenzwerte nach der Abfallverbrennungsverordnung stelle jedenfalls einen Verstoß gegen die Vorgaben des § 17 UVP-G 2000 dar. Auf Grund seiner gesundheitlichen Vorbelastung werde der Beschwerdeführer durch die festgelegten Grenzwerte in seiner Gesundheit stark beeinträchtigt. Auch betreffend Feinstaub habe die belangte Behörde festgestellt, die prognostizierte Anzahl an Überschreitungen der Tagesmittelwerte läge unter dem vorgegebenen Grenzwert. In Auflagenpunkt 140 sei jedoch festgelegt worden, dass effiziente Maßnahmen gesetzt werden müssten, um die Emissionsmengen an PM 10 auf ein unvermeidliches Mindestmaß zu reduzieren. Dabei handle es sich allerdings um eine "Scheinauflage", weil es dem Ermessen der mitbeteiligten Partei überlassen bleibe, Maßnahmen zu treffen. Rechtens hätten konkrete, zielführende Maßnahmen gegen die Verstaubung vorgeschrieben werden müssen. Im Übrigen sei das Ermittlungsverfahren auch insofern mangelhaft geblieben, als die Ergebnisse eines früheren abfallwirtschaftsrechtlichen Verfahrens nicht berücksichtigt worden seien. In diesem Verfahren sei aber klar zum Ausdruck gekommen, dass es zu keinen zusätzlichen Belastungen mit Schwermetallen, Stickoxyden und Dioxinen kommen dürfe. Eine detaillierte Auseinandersetzung vor diesem Hintergrund wäre notwendig gewesen, ebenso die Einholung entsprechender Ergänzungsgutachten. Schließlich sei die Annahme der belangten Behörde aktenwidrig, der Beschwerdeführer habe die Beeinträchtigung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes nicht geltend gemacht. Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei dem Ausbreitungsmodell nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, stelle keine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers dar. Es liege daher ein Begründungsmangel vor. Der Beschwerdeführer habe dezidiert dargelegt, dass nach einer Studie des Landes Baden-Württemberg Transferfaktoren für Hg bis zu 0,93 angegeben würden. Dies entspreche dem 64-fachen Wert und habe zur Folge, dass die Ausbreitungsberechnung von völlig unzutreffenden Werten ausgehe. Schließlich werde gerügt, dass das umweltmedizinische Gutachten mit keinem Wort auf Staubgrenzwerte eingegangen sei, insbesondere nicht auf feinere und hochgefährliche Staubanteile (Nanopartikel). Hier hätte es ergänzender Stellungnahmen bedurft, um abschließend klären zu können, in welchem Umfang mit derartigen Staubemissionen zu rechnen sei. Auch hätten Grenzwerte festgelegt werden müssen. Schließlich seien keinerlei Auflagen betreffend Bohrstaubabsaugung im Bergbau vorgesehen worden; die Frage der Notwendigkeit einer solchen Absaugung sei nicht begründet verneint worden.

Gemäß § 17 Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl. Nr. 697/1993 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 50/2002 (UVP-G 2000), hat die Behörde bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag die in den betreffenden Verwaltungsvorschriften und im Abs. 2 bis 5 vorgesehenen Genehmigungsvoraussetzungen anzuwenden.

Soweit dies nicht schon in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist, gelten gemäß § 17 Abs. 2 UVP-G 2000 im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge zusätzlich nachstehende Genehmigungsvoraussetzungen:

1. Emissionen von Schadstoffen sind nach dem Stand der Technik zu begrenzen,

2. die Immissionsbelastung zu schützender Güter ist möglichst gering zu halten, wobei jedenfalls Immissionen zu vermeiden sind, die

a) das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn/Nachbarinnen gefährden,

b) erhebliche Belastungen der Umwelt durch nachhaltige Einwirkungen verursachen, jedenfalls solche, die geeignet sind, den Boden, die Luft, den Pflanzen- oder Tierbestand oder den Zustand der Gewässer bleibend zu schädigen oder

c) zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn/Nachbarinnen im Sinn des § 77 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 führen,

3. Abfälle sind nach dem Stand der Technik zu vermeiden oder zu verwerten, oder, soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist, ordnungsgemäß zu entsorgen.

Gemäß § 81 Abs. 1 iVm § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinn des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinn des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gemäß § 43 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG) ist eine Genehmigung gemäß § 37 zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die Behandlungsanlage neben den Voraussetzungen der gemäß § 38 anzuwendenden Vorschriften folgende Voraussetzungen erfüllt:

1. Das Leben und die Gesundheit des Menschen werden nicht gefährdet. 2. Die Emissionen von Schadstoffen werden jedenfalls nach dem Stand der Technik begrenzt. 3. Nachbarn werden nicht durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt. 4. Das Eigentum und sonstige dingliche Rechte der Nachbarn werden nicht gefährdet; unter einer Gefährdung des Eigentums ist nicht die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes zu verstehen. 5. Die beim Betrieb der Behandlungsanlage nicht vermeidbaren anfallenden Abfälle werden nach dem Stand der Technik verwertet oder - soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist - ordnungsgemäß beseitigt.

6. Auf die sonstigen öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) wird Bedacht genommen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf sachverständiger Grundlage gewonnene Auffassung zu Grunde, sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen für das Vorhaben der mitbeteiligten Partei seien erfüllt, die Umweltverträglichkeit sei gegeben.

Der Beschwerdeführer sieht demgegenüber in der erteilten Genehmigung einen Eingriff in sein Recht gegeben, durch Schadstoffimmissionen in seiner Gesundheit nicht gefährdet zu werden. Er begründet dies zunächst damit, dass sich der Abstand zwischen den tatsächlich bestehenden Immissionen und den, nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft festgesetzten Grenzwerten verringern werde.

In diesem Punkt ist ihm zu entgegnen, dass nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten die medizinische Beurteilung mit eingehender Begründung ergeben hat, dass eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Beschwerdeführers als Folge des Vorhabens der mitbeteiligten Partei ausgeschlossen werden könne. Durch das Beschwerdevorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die dieser Beurteilung zu Grunde gelegten Grenzwerte unzutreffend wären oder im Rahmen der medizinischen Begutachtung unzutreffend verwendet worden wären. Auf das Ausmaß des Abstandes zwischen den derzeit tatsächlich bestehenden Immissionen und den für den dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegten Grenzwerten kommt es nicht an; selbst eine Verringerung dieses Abstandes lässt daher eine Gefährdung der Gesundheit des Beschwerdeführers nicht erkennen.

Mit seinem Vorbringen betreffend die mangelhafte Berücksichtigung der Asbestvorbelastung ist der Beschwerdeführer ebenfalls auf das medizinische Gutachten zu verweisen, dem in diesem Punkt zu entnehmen ist, dass die in der Vergangenheit erfolgte Belastung mit Asbestfasern zwar zu einer Reihe von Erkrankungen in der Gemeinde K geführt habe und daher auf Risikofaktoren eingegangen werden müsse, die die Entwicklung von Tumoren im Bereich der Atemwege indizieren könnten. Die Emissionen/Immissionen des Zementwerkes würden allerdings sowohl derzeit als auch nach erfolgtem Ausbau im Sinne des zur Genehmigung beantragten Vorhabens keine epidemiologisch feststellbare Zunahme des Krebsrisikos der Wohnbevölkerung verursachen, auch nicht bei lebenslanger Exposition. Eine Zunahme der Inzidenz bei Asbesterkrankungen könne auf Grund der zu erwartenden Emissionen/Immissionen ausgeschlossen werden.

Die Beschwerde bringt vor, diese Darlegungen seien "nicht maßgeblich bzw. nicht stichhaltig", weil im Rahmen der "Berechnungen und Angaben" von der bestehenden und nicht von der nach dem Projekt der mitbeteiligten Partei zu erwartenden Situation ausgegangen worden sei. Dem ist zu entgegnen, dass nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten der sachverständigen Feststellung der Immissionszusatz- und -gesamtbelastungen die Emissionen von im Einzelnen genannten Anlageteilen zu Grunde gelegt wurden, die den Gegenstand des geplanten Vorhabens bildeten. Dass die solcherart vorgenommene Ausbreitungsrechnung auf unzutreffenden oder unvollständigen Grundlagen beruhe, ist nicht ersichtlich. Die Behauptung jedoch, die Immissionsbelastung hätte auf der Grundlage eines anderen Verfahrens festgestellt werden müssen, ist nicht ausreichend, um die sachverständigen Annahmen als unzutreffend erscheinen zu lassen.

Ebenso wenig lässt sich eine - vom Beschwerdeführer behauptete - Gesundheitsgefährdung aus dem Umstand ableiten, die Messungen von BaP und PCDD/F seien in den Sommermonaten durchgeführt worden, die zufolge des Fehlens von Hausbrand erfahrungsgemäß geringere Werte aufwiesen als die Wintermonate; zeigt die Beschwerde doch nicht einmal ansatzweise auf, dass eine Messung während des meteorologischen Winterhalbjahres Ergebnisse erbracht hätte, die eine Gesundheitsgefährdung des Beschwerdeführers zumindest als möglich hätten erscheinen lassen.

Was die Forderung nach einem Emissionsgrenzwert von 200 mg/m3 NOx anlangt, weil die "Ausreizung" der Grenzwerte unzulässig sei, ist die Beschwerde auch hier darauf zu verweisen, dass von medizinischer Seite eine Gesundheitsgefährdung als Folge der Verwirklichung des Projektes der mitbeteiligten Partei mit eingehender Begründung ausgeschlossen wurde und der Beweiswert dieser sachverständigen Aussagen durch die Forderung nach einem bestimmten Emissionswert bzw. nach Einhaltung eines bestimmten Verfahrens noch nicht erschüttert wird.

Schließlich zeigt der Beschwerdeführer auch mit dem Hinweis, es hätte der Vorschreibung nachvollziehbarer und kontrollierbarer Auflagen bedurft, um eine Gesundheitsgefährdung seiner Person durch Staub auszuschließen, keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach den Darlegungen des medizinischen Sachverständigen liegt die prognostizierte Gesamtstaubbelastung nämlich unter dem Grenzwert zum dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit vor Staub und es ist eine Gesundheitsgefährdung des Beschwerdeführers daher nicht zu erwarten. Selbst wenn daher die vom Beschwerdeführer kritisierten Auflagen, die eine weitere Reduzierung der Staubbelastung bezwecken, nicht das im Allgemeinen geforderte Maß an Bestimmtheit aufweisen sollten, änderte dies nichts an der sachverständig begründeten Annahme, eine Gesundheitsgefährdung des Beschwerdeführers durch Staub sei nicht zu erwarten.

Bei seiner Rüge, die belangte Behörde habe eine Studie des Landes Baden-Württemberg nicht berücksichtigt, sie habe sich mit seinem Vorbringen nicht ausreichend auseinander gesetzt, und sie habe auch die Ergebnisse eines früheren AWG-Verfahrens nicht berücksichtigt, hat der Beschwerdeführer nicht auch konkret dargelegt, inwieweit der angefochtene Bescheid bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensverletzungen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG ein anderer gewesen wäre. Zum Beschwerdevorbringen, es seien keine Auflagen betreffend Bohrstaubabsaugung vorgeschrieben worden, ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass die prognostizierte Gesamtstaubbelastung - wie dargelegt - nach dem medizinischen Gutachten unter dem Grenzwert zum dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit vor Staub gelegen und eine Gesundheitsgefährdung des Beschwerdeführers als Folge des Vorhabens der mitbeteiligten Partei nicht zu erwarten ist. Dass diese Auffassung der belangten Behörde unzutreffend wäre, ist dem Beschwerdevorbringen konkret nicht zu entnehmen.

Die Beschwerde zeigt somit eine Verletzung des Beschwerdeführers im geltend gemachten Beschwerdepunkt nicht auf. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war in Ansehung der - ohne nähere Begründung - geltend gemachten Barauslagen abzuweisen, weil durch den zuerkannten Pauschbetrag sämtliche Aufwendungen für die Erstattung der Gegenschrift abgegolten sind.

Wien, am 29. März 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004040209.X00

Im RIS seit

28.04.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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