TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/25 2006/11/0011

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Veröffentlicht am 25.04.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §58 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 2001 §18 Abs8;
WehrG 2001 §24 Abs1;
ZDG 1986 §2 Abs4;
ZDG 1986 §5 Abs2;
ZDG 1986 §5 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des D in S, vertreten durch Dr. Marc Gollowitsch, Rechtsanwalt in 3380 Pöchlarn, Wienerstraße 5/3, gegen den Bescheid des Militärkommandos Tirol vom 2. Dezember 2005, Zl. T/86/03/03/25, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit dem obgenannten Bescheid zur Leistung des Grundwehrdienstes mit Wirkung vom 6. März 2006 einberufen.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, er sei am 24. November 2004 mit Bescheinigung der Stellungskommission für tauglich erkannt worden und habe bereits im Rahmen der Stellung mündlich eine Zivildiensterklärung abgegeben. Außerdem habe er das ihm bei der Stellung übergebene Formular betreffend eine Zivildiensterklärung ausgefüllt und unterschrieben am 24. Februar 2005 mit der Post an die belangte Behörde gesendet. Eine Kopie der Zivildiensterklärung und des Postaufgabescheins legte er mit der Beschwerde vor. Diese Umstände habe er vor der belangten Behörde nicht vorbringen können, weil ihm vor Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Im Hinblick auf die Zivildiensterklärung sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig.

In ihrer Gegenschrift verweist die belangte Behörde zunächst auf den normativen Gehalt des Einberufungsbefehles, der in der Verpflichtung liege, den Grundwehrdienst zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort anzutreten. Dieser Verpflichtung habe der Beschwerdeführer nicht nachkommen müssen, weil der Verwaltungsgerichtshof der gegenständlichen Beschwerde mit Beschluss vom 26. Jänner 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Die vorliegende Beschwerde gehe daher nach Auffassung der belangten Behörde ins Leere, da - so die belangte Behörde weiter - "der Einberufungsbefehl nicht mehr dem Rechtsbestand angehört". Ausführungen zur behaupteten Zivildiensterklärung des Beschwerdeführers fehlen in der Gegenschrift. Auch der Verwaltungsakt enthält abgesehen von einer der belangten Behörde übermittelten Beschwerdeausfertigung nur eine Kopie des angefochtenen Bescheides und den zugehörigen Zustellnachweis.

Zum letztgenannten Vorbringen ist daher zunächst festzuhalten, dass im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür bestehen, der angefochtene Bescheid sei zwischenzeitig formell aufgehoben worden. Eine Klaglosstellung des Beschwerdeführers im Sinne des § 33 VwGG ist daher nicht erfolgt (vgl. den hg. Beschluss vom 5. August 1997, Zl. 97/11/0066). Zu prüfen ist jedoch, ob, wie die belangte Behörde offenbar meint, das Beschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen ist.

Die hier maßgebenden Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001), in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2005, lauten auszugsweise:

Stellungspflicht

§ 18. (1) ...

(8) Wehrpflichtige, deren Eignung zum Wehrdienst von der Stellungskommission festgestellt wurde, sind auf ihren Antrag neuerlich einer Stellung zu unterziehen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Änderung der Eignung zu erwarten ist. Gelangen diese Anhaltspunkte dem Militärkommando auf andere Weise als durch einen Antrag zur Kenntnis, so hat diese Behörde die Wehrpflichtigen von Amts wegen neuerlich einer Stellung zu unterziehen. Der Antrag ist beim Militärkommando schriftlich einzubringen. Eine Antragstellung ist nicht zulässig ab Beginn des Tages

1.

der Erlassung des Einberufungsbefehles oder

2.

der Kundmachung der allgemeinen Bekanntmachung einer Einberufung zum Präsenzdienst

bis zur Entlassung aus diesem Präsenzdienst. Wird die Entlassung aus diesem Präsenzdienst vorläufig aufgeschoben, so ist eine Antragstellung bis zur Beendigung des Aufschubpräsenzdienstes nicht zulässig. In allen Fällen einer neuerlichen Stellung bleibt bis zu deren rechtskräftigem Abschluss die zuletzt getroffene Eignungsfeststellung aufrecht.

(9) ...

Einberufung zum Präsenzdienst

§ 24. (1) Wehrpflichtige sind zum Präsenzdienst nach den jeweiligen militärischen Interessen mit Einberufungsbefehl einzuberufen. Gegen den Einberufungsbefehl ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. ...

Die Bestimmungen des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG) in der hier maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 106/2005 lauten auszugsweise:

§ 2. (Verfassungsbestimmung) (1) Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 1990 - WG, BGBl. Nr. 305, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, können erklären (Zivildiensterklärung),

1. ...

(4) Mit Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung wird der Wehrpflichtige von der Wehrpflicht befreit und zivildienstpflichtig; er hat nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Zivildienst zu leisten. ...

Befreiung von der Wehrpflicht und Widerruf der Befreiung

§ 5. (1) ...

(2) Die Zivildiensterklärung ist in unmittelbarem Anschluss an das Stellungsverfahren bei der Stellungskommission, sonst bei dem nach dem Hauptwohnsitz des Wehrpflichtigen zuständigen Militärkommando schriftlich einzubringen oder mündlich zu Protokoll zu geben. Wird eine Zivildiensterklärung innerhalb der Frist des § 2 Abs. 2 bei der Zivildienstserviceagentur eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung. Mit dem Eintritt der Zivildienstpflicht wird eine bestehende Einberufung unwirksam. ...

(4) Die Zivildienstserviceagentur hat ohne unnötigen Aufschub mit Bescheid festzustellen, ob Zivildienstpflicht eingetreten ist.

...

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Beschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen, wenn die Möglichkeit der Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid weggefallen ist (vgl. aus vielen etwa den hg. Beschluss vom 31. Mai 1994, Zl. 93/11/0244). Dies läge fallbezogen gemäß § 5 Abs. 2 dritter Satz ZDG dann vor, wenn der Beschwerdeführer nicht mehr der Wehrpflicht, sondern der Zivildienstpflicht unterläge (vgl. auch dazu den letztzitierten hg. Beschluss vom 31. Mai 1994). Ein rechtskräftiger Feststellungsbescheid gemäß § 5 Abs. 4 ZDG findet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten, wie erwähnt, nicht. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr in Betracht kommt. Die belangte Behörde übersieht, dass der angefochtene Bescheid auch weiterhin nachteilige Rechtsfolgen gegenüber dem Beschwerdeführer entfaltet. So ist etwa gemäß § 18 Abs. 8 vierter Satz WG 2001 ab dem Beginn des Tages der Erlassung des Einberufungsbefehls ein Antrag auf neuerliche Stellung unzulässig. Diese Wirkung bliebe mit der Einstellung des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens bis zu dem in der letztgenannten Gesetzesstelle genannten Zeitpunkt bestehen.

Da die Beschwerde somit nicht gegenstandslos geworden ist, war vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob sie begründet ist. Der angefochtene Bescheid ist nur dann rechtmäßig, wenn der Beschwerdeführer bei Erlassung des Einberufungsbefehls noch wehrpflichtig im Sinne des § 24 Abs. 1 WG 2001 war. Dies wäre zu verneinen, wenn der Beschwerdeführer bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits der Zivildienstpflicht unterlag, was gemäß § 2 Abs. 4 ZDG die Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung voraussetzte.

Diesbezüglich enthält der angefochtene Bescheid aber keine Feststellungen. Die Relevanz dieses Begründungsmangels hat der Beschwerdeführer mit dem (mangels Einräumung des Parteiengehörs im Verwaltungsverfahren nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßenden) Hinweis, er habe schon am 24. Februar 2005 eine Zivildiensterklärung eingebracht, aufgezeigt. An der Begründungspflicht der belangten Behörde ändert nichts, dass ein Einberufungsbefehl nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Mai 2000, Zl. 2000/11/0010) grundsätzlich nicht begründet sein muss. Eine Begründung des Einberufungsbefehls kann nämlich nur in Ansehung des Vorliegens militärischer Erfordernisse entfallen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 95/11/0317), entbindet die Behörde aber nicht davon, sich im Einzelfall erforderlichenfalls mit der Frage des Bestehens der Wehrpflicht auseinander zu setzen.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. April 2006

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006110011.X00

Im RIS seit

30.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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