TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/18 2004/18/0363

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Veröffentlicht am 18.05.2006
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des R, (geboren 1981), vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 11. Oktober 2004, Zl. Fr-157/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 11. Oktober 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Erstbehörde habe ausreichend dargestellt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.

(Aus dem Bescheid der Erstbehörde vom 8. September 2004 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. September 2003 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 zweiter und vierter Fall, Abs. 3 erster Fall SMG, teilweise in Form des § 12 zweiter und dritter Fall StGB, und wegen des Vergehens nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten (davon zwölf Monate unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehen) verurteilt wurde. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer Anfang 2002 seinem Bruder EUR 2.000,-- zur Verfügung gestellt hatte, damit dieser "776 g MDMA-Zubereitung (ca. 3.300 Stk.) Ecstasy-Tabletten" aus Holland ausführe und in die Bundesrepublik Deutschland einführe. Im Zeitraum von Dezember 2002 bis Dezember 2003 übergab der Beschwerdeführer große Mengen von Suchtgift an insgesamt fünf Abnehmer und setzte diese Mengen damit in Verkehr. Bereits im Herbst 2002 hatte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Bruder beschlossen, sich durch Suchtgiftgeschäfte eine Nebeneinnahme zu verschaffen. Von Anfang an hatte er durch den kontinuierlichen Verkauf von Teilmengen insgesamt große Mengen von Suchtgiften in Verkehr setzen wollen, um sich fortlaufende Einnahmen zu verschaffen.)

Die belangte Behörde führte aus, dass der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum Suchtgift in Verkehr gesetzt habe, wobei der Versuch des Beschwerdeführers, eine große Menge Suchtgift in Verkehr zu setzen, sowie der längere Zeitraum, über den er seine Taten ausgeführt habe, als besonders schwerwiegend zu betrachten seien.

Zur Interessenabwägung gemäß § 37 FrG sei festzuhalten, dass die Erstbehörde konkret dargelegt habe, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Hinblick auf die Schwere der begangenen Delikte - insbesondere angesichts der bereits erwähnten besonderen Gefahr des Inverkehrbringens von Suchtgift - im öffentlichen Interesse dringend geboten wäre, und dass dieser Eingriff trotz der als hoch eingeschätzten Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers jedenfalls nicht schwerer wöge als die nachteiligen Folgen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bei Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots.

(Im Erstbescheid wird im Hinblick auf § 37 FrG festgehalten, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots auf Grund der Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie und seiner Lebenspartnerin, aber auch wegen der Beeinträchtigung seines beruflichen Fortkommens und seiner langen Aufenthaltsdauer in Österreich einen gravierenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle. Obwohl sich der Beschwerdeführer von 1999 bis 2002 in einen Arbeitsprozess habe einordnen können, habe er sich zu seinen Straftaten hinreißen lassen.)

Mit Blick auf § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG weist die belangte Behörde darauf hin, aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen sei, dass er deutlich mehr als die Hälfte seines Lebens im Bundesgebiet verbracht habe und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sei. Die Wendung "von klein auf" in § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG sei so zu deuten, dass sie jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist sei, nicht zum Tragen kommen könne. Nicht als von klein auf im Inland aufgewachsen könne ein Fremder angesehen werden, der zwar in Österreich geboren sei, jedoch einen Zeitraum von siebendreiviertel Jahren, der nahezu die gesamte Pflichtschulzeit, oder einen zumindest etwa siebenjährigen Zeitraum, der die gesamte Kindergarten- und Volksschulzeit umfasst habe, in seiner Heimat verbracht habe. Dies sei beim Beschwerdeführer der Fall: Er sei in Österreich geboren worden und hier von seiner Geburt am 2. April 1981 bis zum 16. September 1983 und dann noch einmal vom 8. Juli 1985 bis zum 4. November 1985 niedergelassen gewesen. Dazwischen lägen Aufenthalte in seinem Heimatland. Dort habe der Beschwerdeführer in den Zeiträumen von September 1983 bis Juli 1985 und von November 1985 bis Juli 1993 einen wesentlichen Teil seiner sozialen Entwicklung erfahren. Am 22. Juni 1993 - im Alter von 13 Jahren - sei der Beschwerdeführer nach Österreich zurückgekehrt. In seinen ersten 13 Lebensjahren habe sich der Beschwerdeführer ungefähr zehn Jahre in seinem Heimatland und lediglich drei Jahre in Österreich befunden, seine soziale Integration habe somit zum überwiegenden Teil in seinem Heimatland stattgefunden. Von daher komme die Regelung des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG im Fall des Beschwerdeführers nicht zum Tragen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete aber keine Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen betreffend die (unstrittig rechtskräftige) Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Salzburg ist im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht.

Der besagten Verurteilung liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt bzw. zur Einfuhr von Suchtgift beigetragen hat (vgl. das genannte Urteil des Landesgerichtes Salzburg, Blatt 233 ff der Verwaltungsakten). Bei der der Verurteilung des Beschwerdeführers nach dem SMG zugrunde liegenden Suchtgiftmenge handelte es sich um eine große Menge im Sinn des § 28 SMG. Nach § 28 leg. cit. ist eine "große Menge" eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß sehr groß ist (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 15. Dezember 2005, Zl. 2005/18/0653, mwH). Diese Wiederholungsgefahr manifestiert sich im Fall des Beschwerdeführers angesichts seiner sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Tathandlungen. Von daher kann der belangten Behörde in Anbetracht des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität nicht entgegengetreten werden, wenn sie vorliegend die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt gehalten hat.

2. Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätte die Interessenabwägung nach § 37 FrG zu seinen Gunsten ausfallen müssen. Die belangte Behörde hat angesichts der im bekämpften Bescheid ins Auge gefassten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich zutreffend einen mit dem vorliegenden Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf diese Interessen des Beschwerdeführers - entgegen der Beschwerde ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein gravierendes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, an der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer, am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und am Schutz der Gesundheit erheblich beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung des großen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die für seinen Verbleib in Österreich sprechenden durchaus beachtlichen persönlichen Interessen vermögen das durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig beeinträchtigte Allgemeininteresse nicht zu überwiegen. Das Gewicht dieser persönlichen Interessen wird wesentlich dadurch relativiert, dass eine aus seinem langjährigen Aufenthalt ableitbare Integration entscheidend dadurch gemindert ist, dass die dafür maßgebliche soziale Komponente durch das dem Beschwerdeführer zur Last liegende gegen das Suchtmittelgesetz gerichtet Fehlverhalten erheblich gelitten hat.

3. Den insofern unbestrittenen Feststellungen zugrunde gelegt hat der Beschwerdeführer Österreich am 16. September 1983 - somit etwa fünf Monate nach seinem zweiten Geburtstag - verlassen und war dann (mit einer Ausnahme von etwa vier Monaten im Jahr 1985) bis Juli 1993 - somit insgesamt annähernd zehn Jahre - nicht in Österreich aufhältig. Dieser Zeitraum umfasst neben dem der vorschulischen Erziehung den weitaus überwiegenden Teil der Pflichtschulzeit und fällt somit in eine für das Vertrautwerden mit der Sprache, der Kultur und den sonstigen Verhältnissen in seiner Heimat besonders wichtige Lebensphase. Bei einem solchen Fremden ist - mangels anderer Anhaltspunkte - anzunehmen, dass er die Sprache seiner Heimat in Wort und Schrift beherrscht und mit den Gegebenheiten in diesem Land ähnlich wie ein dort Lebender vertraut ist. Ein solcher Fremder ist daher nicht im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG von klein auf im Inland aufgewachsen. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0112). Von daher kommt dem Beschwerdeführer die Regelung des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht zugute.

4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 18. Mai 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004180363.X00

Im RIS seit

22.06.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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