TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/24 2006/04/0054

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Veröffentlicht am 24.05.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
97 Öffentliches Auftragswesen;

Norm

BVergG 2002 §100 Abs2;
BVergG 2002 §163 Abs2;
BVergG 2002 §169 Abs2 Z5 litd;
BVergG 2006 §321 Abs1 Z5;
BVergG 2006 §328 Abs3;
BVergG 2006 §345 Abs1;
BVergG 2006 §345 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2006/04/0070

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerden der S GmbH in W, vertreten durch Mag. Martin Kranich und Mag. A. Konstantino Huber, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neubaugasse 68, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes 1.) vom 27. März 2006, Zl. N/0016-BVA/10/2006-EV8, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und 2.) vom 28. März 2006, Zl. N/0016-BVA/10/2006-11, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (mitbeteiligte Partei: N-Bewährungshilfe, Konfliktregelung, Soziale Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der mitbeteiligten Partei untersagt werde, in einem näher genannten Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen, zurück. Als Rechtsgrundlagen führte sie die §§ 328 Abs. 1 und 3 sowie 321 Abs. 1 Z. 5 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) an. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Nach der in weiten Teilen wörtlich identen Begründung beider Bescheide sei die mitbeteiligte Partei öffentlicher Auftraggeber und habe eine prioritäre Dienstleistung des Anhanges III zum BVergG 2002 (konkret: die Vernetzung der Telekommunikation von 34 Standorten) mit einem geschätzten Auftragswert von EUR 95.988,--

ausgeschrieben. Gegenstand des Vergabeverfahrens sei daher eine Dienstleistung im Unterschwellenbereich. Als Ende der Angebotsfrist sei der 28. November 2005 festgesetzt worden, der Auftrag habe im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden sollen. Am 6. März 2006 habe die mitbeteiligte Partei den Bietern die Zuschlagsentscheidung mitgeteilt.

Mit Telefax vom 14. März 2006 habe die beschwerdeführende Partei die mitbeteiligte Partei von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 163 Abs. 2 BVergG 2002 informiert und mit Schriftsatz vom 17. März 2006, bei der belangten Behörde eingelangt am 20. März 2006, die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung und die Erlassung der genannten einstweiligen Verfügung beantragt. Nach dem Gesagten sei das Vergabeverfahren bereits vor dem mit 1. Februar 2006 erfolgten Inkrafttreten des BVergG 2006 eingeleitet worden, und daher, so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung, gemäß § 345 Abs. 2 zweiter Satz BVergG 2006 nach den Bestimmungen des BVergG 2002 zu Ende zu führen. Hingegen seien für das Nachprüfungsverfahren vor der belangten Behörde bereits die Bestimmungen des BVergG 2006 anzuwenden, weil gegenständlich ein Fall der Übergangsbestimmung des § 345 Abs. 4 BVergG 2006 nicht vorliege. Für den Beschwerdefall bedeute dies, dass sich die Frist für den Nachprüfungsantrag - und gemäß § 328 Abs. 1 und 3 BVergG 2006 daher auch die Frist für den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung - nach § 321 Abs. 1 BVergG 2006 bestimme. Die Z. 5 der letztgenannten Bestimmung, die eine siebentägige Frist für Nachprüfungsanträge normiere, komme zwar nach ihrem Wortlaut nicht zur Anwendung, weil sie bloß für den Fall der Durchführung eines Vergabeverfahrens im Unterschwellenbereich "gemäß den Bestimmungen des 2. oder 3. Teiles dieses Bundesgesetzes" gelte, was auf den vorliegenden Fall, wie erwähnt, nicht zutreffe. Auch § 321 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2006, der "in allen übrigen Fällen" eine Frist für Nachprüfungsanträge von 14 Tagen vorsehe, sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Den Erläuterungen zu dieser Bestimmung sei nämlich zu entnehmen, dass bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich - um ein solches handle es sich im vorliegenden Fall nach dem Gesagten - die Antragsfrist "generell" nur sieben Tage betrage.

Im vorliegenden Fall liege daher nach Ansicht der belangten Behörde eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Lücke vor, die unter Heranziehung der sachnächsten Norm - nämlich des § 321 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2006 - zu schließen sei. Ausgehend von der letztgenannten Bestimmung betrage die Antragsfrist im vorliegenden Fall sieben Tage, sodass der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 17. März 2006 gegen die am 6. März 2006 bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung verspätet sei.

Gegen diese beiden Bescheide richten sich die vorliegenden, wegen ihres rechtlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die beschwerdeführende Partei wendet sich in ihren wörtlich beinahe gleichlautenden Beschwerden gegen die Rechtsansicht, in § 321 Abs. 1 BVergG 2006 bestehe für Fälle wie den vorliegenden eine Rechtslücke, die durch die analoge Anwendung des § 321 Abs. 1 Z. 5 leg. cit. zu schließen sei. Vielmehr verkenne die belangte Behörde, dass § 321 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2006 einen Auffangtatbestand darstelle, unter den auch der vorliegende Fall zu subsumieren sei. Da die Antragsfrist nach dieser Bestimmung 14 Tage betrage, hätte die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Partei als rechtzeitig werten müssen.

Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, lauten auszugsweise:

"Fristen für Nachprüfungsanträge

§ 321. (1) Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung sind

1. bei beschleunigten Verfahren wegen Dringlichkeit gemäß § 63 binnen sieben Tagen,

2. bei Verfahren, in denen die Angebotsfristen gemäß § 61 und gleichzeitig gemäß § 62 kumuliert verkürzt wurden, sieben Tage,

3. im Falle der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung bei der Vergabe von Aufträgen im Wege einer elektronischen Auktion oder auf Grund eines dynamischen Beschaffungssystems binnen sieben Tagen,

4. im Falle der Bekämpfung der Widerrufsentscheidung bei den in den §§ 140 Abs. 4 und 279 Abs. 4 genannten Fällen binnen sieben Tagen,

5. im Falle der Durchführung eines Vergabeverfahrens im Unterschwellenbereich gemäß den Bestimmungen des 2. oder des 3. Teiles dieses Bundesgesetzes binnen sieben Tagen,

6. im Falle der Durchführung einer Direktvergabe binnen sieben Tagen,

7. in allen übrigen Fällen binnen 14 Tagen

ab dem Zeitpunkt einzubringen, in dem der Antragsteller von der gesondert anfechtbaren Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte können.

(2) ...

3. Unterabschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 328. (1) Das Bundesvergabeamt hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) ...

(3) Wenn noch kein Nachprüfungsantrag zur Bekämpfung der geltend gemachten Rechtswidrigkeit gestellt wurde, ist der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur zulässig, wenn er vor Ablauf der in § 321 festgelegten Frist für die Geltendmachung der betreffenden Rechtswidrigkeit eingebracht wird.

(4) ...

In-Kraft-Tretens-, Außer-Kraft-Tretens- und Übergangsvorschriften

§ 345. (1) Für das In-Kraft-Treten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/2006 neu gefassten Bestimmungen und für das Außer-Kraft-Treten der durch dasselbe Bundesgesetz aufgehobenen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gilt unbeschadet der Abs. 2 bis 5 Folgendes:

1.

Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Februar 2006 in Kraft.

2.

...

3.

Zugleich mit dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes tritt das Bundesvergabegesetz 2002, BGBl. I Nr. 99/2002 außer Kraft.

              4.              ...

(2) Für die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 17/2006 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren gelten der 1. bis 3. Teil dieses Bundesgesetzes nicht. Diese Vergabeverfahren sind nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. ...

(3) ...

(4) Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes beim Bundesvergabeamt anhängige Verfahren sind vom Bundesvergabeamt nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002 fortzuführen. Ist ein Nachprüfungsverfahren im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bereits anhängig, so gelten für das Verfahren zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002.

(5) ..."

Im vorliegenden Fall ist strittig, nach welcher Ziffer des § 321 Abs. 1 BVergG 2006 die Frist für die Anträge der beschwerdeführenden Partei vom 17. März 2006 zu bestimmen ist. Unstrittig ist, dass das Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich nach den Bestimmungen des BVergG 2002 und daher nicht nach den Bestimmungen des 2. oder 3. Teiles des BVergG 2006 durchgeführt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob sich die Frist für die gegenständlichen Anträge dennoch, wie die belangte Behörde meint, nach § 321 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2006 bestimmt. Die belangte Behörde hat dazu auf die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung hingewiesen. Die Erläuterungen (1171 BlgNR XXII. GP, 137 f) zu § 321 BVergG 2006 lauten auszugsweise:

"Zu § 321:

Das BVergG hält das System der Präklusionsfristen bei, gestaltet dieses jedoch grundlegend neu. Die bisherige kasuistische Regelung wird aufgegeben und stattdessen weit gehend einheitliche Anfechtungsfristen eingeführt. Bei den Antragsfristen handelt es sich um verfahrensrechtliche Fristen, deren Berechnung nach den §§ 32 f AVG zu erfolgen hat.

Um den gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz ausreichend Rechnung zu tragen, wird im Regelfall eine Frist von vierzehn Tagen vorgesehen. In Ausnahmefällen wie beispielsweise in beschleunigten Verfahren wegen Dringlichkeit oder bei Direktvergaben und generell bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich beträgt die Frist nur sieben Tage. ..."

Abgesehen vom letztzitierten Satz der Erläuterungen sprechen für die Ansicht der belangten Behörde, im gegenständlichen Fall habe die Frist für den Nachprüfungsantrag und den damit verbundenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sieben Tage betragen, auch noch weitere Gründe:

Gemäß § 100 Abs. 2 BVergG 2002 (der für das gegenständliche Vergabeverfahren zufolge § 345 Abs. 2 BVergG 2006 maßgebend ist) beträgt die Stillhaltefrist, innerhalb der der Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht erteilt werden darf, im Falle der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung gemäß § 26 Abs. 3 Z. 1 bis 3 BVergG 2002 sieben Tage. Ginge man mit der beschwerdeführenden Partei von einer für den vorliegenden Fall geltenden 14-tägigen Antragsfrist für einen Nachprüfungsantrag und einen Antrag auf einstweilige Verfügung aus, so unterstellte man dem Gesetzgeber, dieser lasse einen (auf die Nichtigerklärung der dem Zuschlag zu Grunde liegenden Zuschlagsentscheidung abzielenden) Nachprüfungsantrag noch zu einem Zeitpunkt zu, zu dem dieser Antrag keine Erfolgsaussichten mehr hat, wenn der Auftraggeber den Zuschlag zu diesem Zeitpunkt (infolge Ablaufs der 7-tägigen Stillhaltefrist) bereits rechtmäßig erteilt hat. Dies hätte im Ergebnis die Ineffizienz des Rechtsbehelfs zur Folge, was aber der Intention des Gesetzgebers nicht unterstellt werden kann.

Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof auch keinen sachlichen Grund dafür zu erkennen, weshalb der Gesetzgeber einerseits für Nachprüfungsanträge gegen Zuschlagsentscheidungen, die nach Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung ergangen sind, sowohl im BVergG 2002 (vgl. dort § 169 Abs. 2 Z. 5 lit. d iVm § 100 Abs. 2) als auch im BVergG 2006 (§ 321 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2006) eine siebentägige Frist normiert, andererseits aber für eine bestimmte Fallgruppe (nämlich für ab dem 1. Februar 2006 gestellte Nachprüfungsanträge, die, wie jener der beschwerdeführenden Partei, noch ein gemäß dem BVergG 2002 durchgeführtes Vergabeverfahren zum Gegenstand haben) eine Ausnahme von dieser Frist vorsehen sollte. Auch unter gleichheitsrechtlichen Erwägungen erscheint es daher nicht zulässig, bei der in Rede stehenden, nach dem BVergG 2006 zu bestimmenden Antragsfrist danach zu differenzieren, ob das zu überprüfende Vergabeverfahren noch nach den Bestimmungen des BVergG 2002 oder bereits auf Grund des BVergG 2006 durchzuführen war.

Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Anträge der beschwerdeführenden Partei vom 17. März 2006 zutreffend als verspätet zurückgewiesen hat, waren die Beschwerden ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Mai 2006

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006040054.X00

Im RIS seit

22.06.2006

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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