TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/29 2004/09/0175

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Veröffentlicht am 29.05.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 Z3;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2006/09/0001 E 9. Oktober 2006 2005/09/0188 E 9. Oktober 2006 2004/09/0191 E 9. Oktober 2006 2004/09/0190 E 9. Oktober 2006 2004/09/0184 E 9. Oktober 2006 2004/09/0183 E 9. Oktober 2006 2004/09/0182 E 9. Oktober 2006 2004/09/0181 E 9. Oktober 2006 2004/09/0180 E 9. Oktober 2006 2004/09/0179 E 9. Oktober 2006 2004/09/0178 E 9. Oktober 2006 2004/09/0177 E 9. Oktober 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Ploil, Krepp & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stadiongasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. September 2004, Zl. UVS-07/V/36/6447/2004/2, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien:

1. Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, 2. Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Juli 2004 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG für schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der D GmbH mit Sitz in L und Sitz der Unternehmensleitung in W zu verantworten zu haben, dass diese GmbH am 24. Juli 2001 vier namentlich angeführte Ausländer beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung oder die Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 oder eine EU-Entsendebestätigung gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG erteilt, noch eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden seien. Über den Beschwerdeführer wurden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 AuslBG vier Geldstrafen zu je EUR 2.800,-- und im Falle der Uneinbringlichkeit vier Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils zwei Wochen verhängt und ihm die Verfahrenskosten auferlegt.

Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des zuvor schon mündlich verkündeten Straferkenntnisses stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und machte den Wiederaufnahmsgrund des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG geltend. Er führte darin aus, am 28. Mai 2004 habe die P Kft einen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 26. Mai 2004 zugestellt erhalten. Mit diesem Bescheid sei von der hiefür zuständigen Behörde eine Entscheidung über die Vorfrage, ob die betroffenen Dienstnehmer eine Bewilligung nach dem AuslBG bedürften, in wesentlichen Punkten anders entschieden worden.

Der angeführte Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 26. Mai 2004 hat folgenden Wortlaut:

"Antragstellerin:

P Kft.

R

H- B

Vertreten durch: Rechtsanwälte Ploil Krepp & Partner

Stadiongasse 4

1010 Wien

Antrag auf Feststellungsbescheid nach § 1 Abs. 2 lit e

Ausländerbeschäftigungsgesetz - Devolutionsantrag

BESCHEID

Sie haben beim Arbeitsmarktservice Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft am 4.9.2001 einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 56 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, wegen § 1 Abs. 2 lit. e Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr.218/1975 idgF, eingebracht.

Ihrem Devolutionsantrag vom 7.1.2003 wird gemäß § 73 Abs. 2 AVG Folge gegeben.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat über den Antrag als sachlich in betracht kommende Oberbehörde wie folgt entschieden:

Dem Antragsbegehren - mit Bescheid festzustellen, dass das Ausländerbeschäftigungsgesetz gemäß § 1 Abs. 2 lit. e auf die Tätigkeit der der Antragstellerin von der DSC Ltd., M, P.C., Z, als Arbeitskräfte überlassenen Besatzungsmitglieder, die auf im Eigentum der D GmbH mit Sitz in Österreich stehenden, an die Antragstellerin vercharterten Schiffe tätig sind, nicht anzuwenden ist, weshalb die auf diesen Schiffen tätigen Besatzungsmitglieder für ihre Tätigkeit keiner Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bedürfen - wird

stattgegeben."

Zur Begründung wird in diesem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragstellerin, die P Kft, Charterverträge mit der D GmbH über drei Motorgüterschiffe und von ihr ausgestellte Rechnungen aus den Jahren 1999 und 2000 an eine schweizerische Aktiengesellschaft über den Transport und die Lieferung von Sonnenblumenschrot mit diesem gecharterten Schiffen im Donauweg von Ungarn nach Deutschland vorgelegt habe. Diese Unterlagen seien als ausreichender Nachweis darüber bewertet worden, dass die P Kft über diese vermieten Schiffe zur Erfüllung eigener Aufträge zur Güterbeförderung disponiert habe. In der Begründung des Bescheides wird abschließend ausgeführt:

"Liegen die Entscheidungen darüber, welche Arbeitskräfte auf dem Schiff beschäftigt werden und welche Aufträge dabei erledigt werden, ausschließlich bei der Antragstellerin, dann ist für solche Transportleistungen eines Unternehmens mit Sitz im Ausland der Einsatz der ausländischen Schiffsmannschaft dem Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs. 2 lit. e AuslBG zuzuordnen und für deren Einsatz ist keine Beschäftigungsbewilligung erforderlich."

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. September 2004 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 4 AVG i.V.m. § 24 VStG abgewiesen und ihm gemäß § 64 Abs. 2 und 6 VStG Verfahrenskosten auferlegt.

Im Wesentlichen wurde der angefochtene Bescheid damit begründet, dass dem Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 26. Mai 2004 die diesem vom Beschwerdeführer zugemessene Bedeutung nicht zukomme. Die belangte Behörde sei bei Erlassung ihres Straferkenntnisses vom 6. Juli 2004 zu Sachverhaltsfeststellungen gelangt, die ein anderes Bild von den Vorgängen rund um die Tätigkeit von ausländischem Personal auf Schiffen der D GmbH erbracht hätten. In dem gegen den zur Vertretung der D GmbH berufenen Beschwerdeführer geführten Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 AuslBG stelle die Frage, ob die verfahrensgegenständlichen Ausländer in einem bewilligungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur D GmbH gestanden seien, keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar, die vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien bloß zu beurteilen gewesen wäre. Diese Frage sei vielmehr vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien auf Grund seiner Ermittlungsergebnisse als Hauptfrage zu entscheiden gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem im Grunde des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Der Beschwerdeführer vertritt auch in seiner Beschwerde die Auffassung, dass von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit ihrem Bescheid vom 26. Mai 2004 über eine von ihr als zuständige Behörde zu beurteilende Hauptfrage in wesentlichen Punkten anders als im Straferkenntnis vom 7. September 2004 entschieden worden sei, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren von der belangten Behörde wieder aufgenommen hätte werden müssen. Er verweist auf § 33 Abs. 2 Z. 5 des Fremdengesetzes, wonach der Mitteilung einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Unzulässigkeit einer Beschäftigung nach dem AuslBG für die Fremdenbehörde bindende Wirkung zukomme, dies gelte auch für die Strafbehörde in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 i.V.m.

§ 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung nicht zu teilen. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich etwa bereits in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 1948, Zl. 1049/47, VwSlg. 475/A, dargelegt hat, setzt der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 lit. c (nunmehr: Z. 3) AVG Identität des Rechtsfalles voraus (vgl. im Übrigen die von Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage 1998, zu § 69 AVG unter E 215 ff dargestellte hg. Rechtsprechung).

Auszugehen ist zwar davon, dass der von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice erlassene Feststellungsbescheid vom 26. Mai 2004 dem objektiven Rechtsbestand angehörte (seine Rechtmäßigkeit braucht hier nicht beurteilt zu werden). Eine nähere Betrachtung des normativen Gehalts dieses - gegenüber der P Kft erlassenen - Bescheides erweist jedoch, dass sich die darin getroffenen Feststellungen auf einen zum Zeitpunkt seiner Erlassung, sohin am 28. Mai 2004, angenommenen Sachverhalt beziehen. Ein normativer Inhalt dahingehend, dass dem Feststellungsbescheid vom 26. Mai 2004 auf den Zeitpunkt der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen rückwirkende Bedeutung zukäme, ist diesem Bescheid nicht zu entnehmen. Schon von da her gesehen ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung er für die mit dem Straferkenntnis beurteilten Übertretungen des AuslBG durch den Beschwerdeführer am 24. Juli 2001 besitzen soll.

Auch in sachlicher Hinsicht besteht keine Übereinstimmung zwischen dem normativen Inhalt des Bescheides der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 26. Mai 2004 einerseits und jenem des Straferkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Juli 2004. Dem erstangeführten Bescheid ist nämlich die normative Aussage zu entnehmen, dass gemäß § 1 Abs. 2 lit. e AuslBG für die Tätigkeit der der P Kft von einer zypriotischen Gesellschaft überlassenen Besatzungsmitglieder auf der P Kft vercharterten Schiffen keine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG erforderlich sei, wobei in der Begründung dieses Bescheides die maßgebliche Präzisierung enthalten ist, dass die Entscheidungen darüber, welche Arbeitskräfte auf dem Schiff beschäftigt werden, und welche Aufträge dabei erledigt werden, ausschließlich bei der Antragstellerin (der P Kft) liegen müssten.

Mit dem Straferkenntnis vom 6. Juli 2004 wurde dem gegenüber die rechtliche Aussage getroffen, dass am 24. Juli 2001 vier namentlich genannte Ausländer auf einem näher bezeichneten Motorgüterschubschiff von der vom Beschwerdeführer vertretenen D GmbH beschäftigt worden sind. Dieser Beurteilung lag zu Grunde, dass das gegenständliche Donauschiff von dem vom Beschwerdeführer vertretenen Unternehmen, welches über einen Sitz der Unternehmensleitung im Bundesgebiet verfügt, und nicht von der P Kft mit Sitz im Ausland betrieben wurde. Eine gegenteilige Aussage, etwa dahingehend, das gegenständliche Schiff wäre zu diesem Zeitpunkt nicht von der D GmbH, sondern von der P Kft betrieben worden, ist dem Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 26. Mai 2004 jedenfalls nicht zu entnehmen.

Aus diesen Gründen ist eine Identität der im Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 26. Mai 2004 einerseits und des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Juli 2004 andererseits beurteilten Rechtsfragen zu verneinen. An diesem Ergebnis vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 33 Abs. 2 Z. 5 des Fremdengesetzes nichts zu ändern.

Nach dem Gesagten war der Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG ein Erfolg zu versagen. Es musste daher nicht beurteilt werden, ob die von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice beurteilte Frage zu der im Straferkenntnis vom 6. Juli 2004 entschiedenen Frage überhaupt im Verhältnis einer Hauptfrage zu einer Vorfrage steht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. Mai 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004090175.X00

Im RIS seit

06.07.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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