TE Vfgh Erkenntnis 2002/3/4 B30/01

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Veröffentlicht am 04.03.2002
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art133 Z4
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art13
EMRK Art10
BVG-Rundfunk ArtI Abs2
RundfunkG §2, §2a
RundfunkG §29 Abs5

Leitsatz

Keine Verletzung des Gleichheitsrechtes und der Meinungsäußerungsfreiheit durch die Feststellung der Rundfunkkommission hinsichtlich einer Verletzung des Objektivitätsgebotes durch ein Fernsehinterview mit einem Bürgermeister betreffend den Vorwurf sexueller Belästigung

Spruch

Der beschwerdeführende Österreichische Rundfunk (ORF) ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 14. Oktober 1999 strahlte der Österreichische Rundfunk (ORF) im Fernsehprogramm ORF 2 die Fernsehsendung "Vera" aus, in deren Verlauf von der Moderatorin dieser Sendung, Dr. Vera Hofbauer-Russwurm, ein Interview mit dem (damaligen) Bürgermeister der Gemeinde Windischgarsten, Franz Hufnagl, gesendet wurde.

2. Das Interview hatte folgenden Inhalt:

"Vera: Die dunklen Seiten, die Schattenseiten des Lebens stehen in der Öffentlichkeit immer mehr im Vordergrund. So ist vergangenen Freitag an den Noch-Bürgermeister in Windischgarsten, der wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung angeklagt war, das Urteil erster Instanz ergangen. Das heißt dreieinhalb Jahre Haft, Schuldsprüche wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, sexuelle Nötigung und Amtsmissbrauch. Franz Hufnagl aber beharrt auf seiner Unschuldsbehauptung. Er meldete Nichtigkeit und Berufung an, und er durfte auf freiem Fuß bleiben.

(Dazu wurden im zweiten Teil der Eingangsmoderation vor dem Hintergrund eine Bildes von Windischgarsten, einer kurzen Filmpassage mit Franz Hufnagl und eines Fotos eines Gewerkschaftsheimes folgende Zeitungsschlagzeilen eingeblendet:

-

Sex-Skandal in Windischgarsten

-

Bürgermeister Hufnagl im Sex-Prozess: 'Frauen immer liebevoll behandelt'

-

Gericht gab den Opfern recht

-

3,5 Jahre Haft)

Vera: Guten Abend Franz Hufnagl. Für einen juristischen Laien mutet es natürlich ein wenig seltsam an, dass jemand wie Sie, der zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, im Fernsehstudio sitzt, wenige Tage danach auf freiem Fuß ist, einfach weil er behauptet, er ist eben unschuldig und in die nächste Instanz geht. Faktum: Wann wird es zu diesem von Ihnen angestrebten zweiten Prozess kommen?

Hufnagl: Zunächst einmal guten Abend auch. Ich weiß das nicht, das liegt in den Händen der Gerichte.

(Zugleich Textinsert: Franz Hufnagl: Ortschef von Windischgarsten)

Vera: Sie sind nach wie vor der Bürgermeister von Windischgarsten. Das Leben hat sich ja seit diesem Prozess nicht nur für Sie, sondern auch für die Bürger von Windischgarsten einigermaßen verändert. Es ist nicht mehr so, wie es vorher war. Wie begegnet man Ihnen derzeit in Windischgarsten?

Hufnagl:

(Zugleich Insert: Franz Hufnagl macht Schlagzeilen bei Gericht)

Gott sei Dank begegnet man mir sehr freundlich, verständnisvoll und sehr, sehr viele Leute sind sehr entsetzt über dieses Urteil. Man tröstet mich. Ich gehe durch Windischgarsten, ich war erst gestern wieder mitten im Ort, und bekomme eigentlich viele, viele tröstende Worte zugesprochen von den Menschen, die dieses Urteil überhaupt nicht verstehen.

Vera: Von einem Teil von Windischgarsten. Es hat immer wieder geheißen, Sie spalten die Gemeinde. Es gibt eben auch die Befürworter, und wie reagiert der andere Teil? Es ist ja wohl nicht eine einhellig Stimmung dieser Art.

Hufnagl: Na, das war es nie. Es ist immer so, wenn man in einem kommunalpolitischen Leben steht, dass man einen Teil für sich hat und andere, die nicht für einen sind. Das drückt sich ja auch schließlich in jedem Wahlergebnis aus.

Vera (zugleich): Nur, also ...

Hufnagl: Da gibt es natürlich auch Leute, die einen ganz besonders verfolgen - vielleicht auch dann, wenn es einem schlechter geht noch mehr.

(Zugleich Insert: Franz Hufnagl als Sex-Bürgermeister im Zwielicht)

Vera: Jedenfalls haben Sie Ihren, vorgestern ihren Job verloren, also am Dienstag war es, man hat Sie entlassen von jenem Beruf, den Sie 17 Jahre ausgeübt haben, nämlich Heimleiter vom Gewerkschaftsheim in Windischgarsten. Diesen Beruf haben Sie, war Ihre Haupteinnahmequelle, ist das richtig?

Hufnagl: Ja natürlich. Ich mein', es war meine Existenz. Ich habe meine Existenz verloren.

Vera: Haben Sie mit dieser Entlassung gerechnet?

Hufnagl: Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet.

Vera: Werden Sie das anfechten, diese Entlassung?

Hufnagl: Darüber werde ich sicher nachdenken.

Vera: Weil Sie sagen der Ort steht größtenteils hinter

Ihnen: Immerhin wurden Sie ebenfalls vorgestern suspendiert von Ihrer Funktion als stellvertretender Ortsleiter vom Roten Kreuz. Meinen Sie dass das nur von einer kleinen Gruppe von Menschen ausgeht?

Hufnagl: Na also, diese Suspendierung vom Roten Kreuz ist ja das Lächerlichste, was mir überhaupt jemals begegnet ist,

(Insert: Franz Hufnagl Politiker ohne Zukunft)

denn diese Funktion hab ich ja nie ausgeübt. Ich war stellvertretender Ortsleiter, ja weil ich Bürgermeister bin, aber ich habe an keinen Sitzungen teilgenommen, außer an Jahreshauptversammlungen, Weihnachtsfeiern, wo man eben den Dank ausspricht als Bürgermeister für die Tätigkeit des Roten Kreuzes. Diese Funktion lege ich ja sehr gerne zurück.

Vera: Worum Sie aber sehr wohl kämpfen ist um die Beibehaltung von Ihrem Bürgermeisteramt. Man hat Ihnen von Seiten der Partei, von Seiten der Sozialdemokraten, nahe gelegt den Rücktritt. Aber dagegen wehren Sie sich.

Hufnagl: Schauen Sie, man drängt mich sehr stark, man nötigt mich, wenn Sie's so wollen, also es gäbe viele Ausdrücke bis hin zum Ausdruck Erpressung, ja.

(Insert: Franz Hufnagl seine Affäre spaltet die Gemeinde)

Man übt einen unendlich starken Druck auf mich aus, dieses Amt zurückzulegen. Ich kämpfe ganz einfach um mein Amt. Ich bin ein unschuldiger Mensch. Es gilt die Unschuldsvermutung, wie es so schön im Gesetz heißt.

(Insert: Franz Hufnagl Schöffensenat glaubt ihm nicht)

Aber ich bin unschuldig. Hätte ich jemals einer Frau Gewalt angetan, dann wäre ich schon längst zurückgetreten.

Vera: Gut. Da hat einmal ein Gericht erster Instanz einen Schuldspruch gesprochen, es ist nicht so wenig dreieinhalb Jahre Gefängnis. Das muss man auch einmal klar sagen. Sie kämpfen es an, Sie bekämpfen es, weil Sie sagen, Sie sind unschuldig. Solange aber das Gericht kein rechtskräftiges Urteil gesprochen hat in zweiter Instanz oder Oberster Gerichtshof, wenn Sie darüber hinaus auch noch weiter gehen sollten, solange hat die Partei keinerlei Möglichkeit, sie aus dem Amt zu drängen. Oder doch?

Hufnagl: Nein, ich bin frei gewählter Bürgermeister, weil es eine Bürgermeisterdirektwahl gegeben hat.

Vera: Sie haben jetzt also noch vier Jahre als Bürgermeister vor sich. Sie sagen, man kann Sie auch nicht, wenn es keinen endgültigen Schuldspruch gibt, aus dem Amt drängen. Glauben Sie denn, dass Sie Ihrer Gemeinde etwas Gutes tun und auch Ihrer Partei etwas Gutes tun, wenn Sie auf Ihrem Posten unbedingt picken bleiben.

Hufnagl: Also, ich bin kein Sesselkleber. Das möchte ich einmal von vornherein weg feststellen. Ich habe mich früher schon mit dem Gedanken eines Rücktritts befasst. Ich bin 49 Jahre alt und seit meinem 24. Lebensjahr in Gemeinderäten tätig, habe mein halbes Leben der Kommunalpolitik gewidmet. Hab' das wahnsinnig gerne gemacht und war immer für unsere Bürger da. Das können viele, viele Menschen bestätigen.

Vera: Wenn Sie jetzt aber sagen, Sie sind kein Sesselkleber:

Was für eine Konsequenz ziehen Sie dann daraus, wenn man Sie doch drängt, doch bitte zu gehen, um der Gemeinde vielleicht etwas Gutes zu tun? Würden Sie dann gehen?

Hufnagl: Ja natürlich würde ich gehen, wenn man mich so weit drängt und wenn man glaubt, ich tue meiner Gemeinde etwas Schlechtes, dann würde ich selbstverständlich gehen.

Vera: Das Thema ist im Grunde, wie es mit dem Bürgermeister Franz Hufnagl weiter geht, der, wie Sie selber sagen, Kommunalpolitik erlernt hat, dessen Position hier jetzt in Frage gestellt wird. Ihre Frau führt ja jetzt interimistisch Ihre Tätigkeit als Heimleiterin, die Sie abgeben mussten, sie sorgt somit momentan hier für das Familieneinkommen. Es wird aber ein neuer Leiter gesucht. Und wie wird es dann weiter gehen? Haben Sie schon eine Vorstellung, was Sie dann tun werden, denn das war ja Ihre Existenzgrundlage, finanziell mehr als die Bürgermeisterarbeit?

Hufnagl: Ja natürlich, meine Bürgermeisterentschädigung habe ich immer der Bevölkerung zur Verfügung gestellt, habe viele, viele Menschen unterstützt - nachvollziehbar. Ich steh' am Abgrund, ich sag das ganz offen. Ich bin verheiratet, ich habe eine außereheliche Tochter. Ich weiß überhaupt nicht, wie es weiter geht. Ich trage mich ganz einfach auch mit dem Gedanken, aus diesem Leben zu scheiden, weil ich nicht mehr weiter weiß.

Vera (dazwischen): Ihre Frau, die ja ... Bevor Sie in Selbstmitleid auch zerfließen ...

Hufnagl (bewegt, aber nicht erkennbar weinend): Ich zerfließe ja nicht in Selbstmitleid.

Vera: Ihre Frau hat ja sehr viele Demütigungen in letzter Zeit hinnehmen müssen, war aber großartig insofern, sie hat Sie beim Prozess entlastet. Sie sorgt jetzt auch für das Familieneinkommen. Glauben Sie, dass Ihre Frau, wenn das durchgestanden ist, auch weiterhin bei Ihnen bleiben wird und zu Ihnen stehen wird?

Hufnagl: Meine Frau steht zu mir, ja.

Vera: Sie sagen, es gibt - was für viele, viele Frauen gar nicht vorstellbar ist - es gibt auch viele Prostimmen im Ort für Sie. Sie selber haben eine Freundin mitgebracht, mit der Sie seit 20 Jahren - also das Ehepaar Hufnagl und das Ehepaar S ist befreundet. F S war so nett und ist gekommen.

(Zu S): Wenn Sie das vielleicht für alle Zuschauerinnen und für mich ein bisschen erklärbar machen. Die Prostimmen für den Bürgermeister, was ist so der Tenor der Prostimmen?

S (im Publikum): Das Thema der Prostimmen aus meiner Sicht ist diese, dass ich eben den Herrn Hufnagl schon seit über 20 Jahren persönlich kenne und schon seit 18 Jahren

(Insert: F S kennt Franz Hufnagl seit 20 Jahren)

bei ihm auch in der Fraktion tätig bin und wir sehr viel gemeinsam gemacht haben und da nie irgendwelche Belästigungen oder irgendwelche Andeutungen nur zu einer sexuellen Tat gewesen wären. Also ich verstehe diese Anschuldigungen überhaupt nicht, weil ich das Gefühl habe, diesen Menschen wirklich gut zu kennen, dass man ihm das gar nicht zutraut, und das würde er nicht machen. Er ist einfach durch und durch ein Gentleman, immer sehr hilfsbereit. Hilft alten Frauen genau so wie jungen. Für jeden hat er immer ein offenes Ohr.

Vera (zu Hufnagl): Man kann ja von einem nicht unbedingt aufs Allgemeine schließen. Sie selber haben jetzt gerade gesagt, das ist ja auch allgemein bekannt seit Jahren in Windischgarsten, dass Sie eine Lebensgefährtin haben, hat offenbar auch Ihre Frau toleriert, und mit ihr eine elfjährige Tochter. Mit elf Jahren kann man an dem, was im Ort geredet wird und was auch jetzt eben passiert ist und der ganze Prozess, nicht vorbei. Wie erklären Sie das alles Ihrer Tochter?

Hufnagl: Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe Ihr gestern mitgeteilt, dass ich arbeitslos bin und es ist eigentlich ein Trost für mich, wirklich ein Trost für mich, wie meine Tochter reagiert. Denn ich hab ihr erklärt, dass ich kein Einkommen mehr habe, dass ich für sie nicht mehr viel tun kann, (schluchzt) und sie hat mir gesagt:

Papa, das mocht nix, i hob no 600 Schilling.

Vera: Es geht nicht um die Bezüge, ums Geld, ums Verdienen. Wie erklären Sie Ihrer Tochter alles das, was Diskussionsgegenstand des Prozesses war?

Hufnagl: Ich habe ihr das alles offen, sehr offen erklärt, und meine Tochter tröstet mich und sagt: du kannst das nicht gewesen sein.

(Insert: Franz Hufnagl, sein Strohhalm: das Urteil 2. Instanz)

Du kannst nicht einmal einer Fliege was zu Leide tun.

Vera: Herr Hufnagl, was ist denn eigentlich, nachdem Ihnen jetzt in Windischgarsten offenbar bald die Existenzgrundlage ja tatsächlich entzogen ist, was ist eigentlich Ihr erlernter Beruf?

Hufnagl: Mein erlernter Beruf ist Kaufmann, aber ich sehe einfach keine Chance für meine Zukunft. Ich bin wirklich am Ende. Ich stehe am Abgrund.

Vera: Noch mal die Frage: Glauben Sie nicht, dass Sie für die Bürger von Windischgarsten eine Belastung sind?

Hufnagl: Nein, das glaube ich nicht, weil ich den Bürgern begegne und weil mir eben viele Bürger sagen: Halte durch, wir haben dich zum Bürgermeister gewählt. Tritt ja nicht zurück. Ja also, wenn ich ...

Vera: Sie glauben, dass das die Mehrheit ist, die das sagt?

Hufnagl: Ja, ich glaube, aber vielleicht fragen Sie auch hier die Frau S dazu. Ich denke nach wie vor, dass es die Mehrheit ist.

Vera: Wir sind gespannt auf den Prozess in zweiter Instanz. Danke fürs Kommen."

3. Mit an die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im Folgenden: Kommission) gerichteter Eingabe vom 8. März 2000 beantragte die Hörer- und Sehervertretung (im Folgenden: HSV) des ORF gemäß §27 Abs1 Z2 litb des Rundfunkgesetzes (im Folgenden: RFG), die Kommision

"möge feststellen, ob durch den den ehemaligen Bürgermeister von Windischgarsten Franz Hufnagl betreffenden Beitrag in der Sendung 'Vera' vom 14.10.1999 in ORF 2 Bestimmungen des Rundfunkgesetzes, insbesondere der §§ 2 und 2a, verletzt wurden."

Begründend führte die HSV dazu im Wesentlichen Folgendes aus:

Der Antrag verfolge das Ziel einer Rechtsklärung über die Form der Berichterstattung über ein laufendes (noch nicht rechtskräftig abgeschlossenes) Strafverfahren. Es sei fraglich, ob sich eine die öffentliche Meinung beeinflussende Darstellung eines solchen Verfahrens mit dem Objektivitätsgebot und den anderen Grundsätzen des §2 RFG vereinbaren lasse. Problematisch, auch im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Art6 Abs2 EMRK, sei etwa ein Insert mit dem Text "Franz Hufnagl als Sex-Bürgermeister im Zwielicht". Dies lege die Annahme nahe, dem Betroffenen vorgeworfene sexuelle Verfehlungen seien wahr und bereits erwiesen. Im Zusammenhang mit dem übrigen Beitrag werde klar, dass sich eine solche Charakterisierung nicht auf das allgemeine (Sexual)Leben des Genannten, sondern auf die ihm vorgeworfenen Straftaten beziehe. Zu der in diesem Zusammenhang behaupteten Verletzung des Objektivitätsgebots bezieht sich der Antrag der HSV auf die Spruchpraxis der Kommission sowie die Allgemeinen Programmrichtlinien des ORF. Unter diesem Aspekt sei auch die Einblendung "Franz Hufnagl Politiker ohne Zukunft" problematisch, weil sie die Tatsachenbehauptung enthalte, der betroffene Politiker habe in dieser Eigenschaft keine Zukunft, wogegen die berichteten Vorfälle in Wahrheit lediglich Zweifel hinsichtlich der künftigen politischen Karriere des Franz Hufnagl aufkommen ließen.

Der Beitrag habe jedoch auch Franz Hufnagl selbst breiten Raum zur Darstellung seiner Version eingeräumt sowie eine ihm freundschaftlich verbundene "Entlastungszeugin" zu Wort kommen lassen, während die Position der Opfer keine gleichgewichtige Beachtung gefunden habe. Deren Standpunkt sei zwar in einer ORF-Sendung am 10. Dezember 1998 berücksichtigt worden, auf Grund des langen Zeitraumes zwischen den beiden Sendungen sei aber keine gleiche Gewichtung im Sinne der Berücksichtigung auch der anderen Seite des sendungsrelevanten Meinungsspektrums erfolgt, womit der Pluralitätsgrundsatz verletzt worden sei.

Die zu einer erkennbar heftigen Gemütsbewegung des Betroffenen geäußerte Bemerkung der Moderatorin "... bevor Sie in Selbstmitleid zerfließen ..." sei auch bei Beachtung der Politikern gegenüber weit gezogenen Grenzen, angesichts der zum Audruck gebrachten Lebensmüdigkeit und tiefen Verzweiflung, nicht nur wenig taktvoll, sondern müsse auch als rechtsmissbräuchlich qualifiziert werden, weil der Gesprächspartner durch eine vorwerfende, seine Person nicht ernst nehmende, anschuldigungsartige Behauptung in die Defensive gedrängt werde, was nicht mit dem sich aus §2a Abs1 RFG ergebenden Gebot auf Achtung der Menschenwürde vereinbar sei.

4. Über diesen Antrag entschied die Kommission mit Bescheid vom 3. Oktober 2000 mit näherer Begründung wie folgt:

"1. Durch die Ausstrahlung des Beitrages betreffend Franz Hufnagl, Windischgarsten, in der Sendung 'Vera' vom 14. Oktober 1999 im Fernsehprogramm ORF 2 wurde das Rundfunkgesetz durch einseitig wertende Texteinblendungen und unfaire Beschäftigung mit einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren in §2 Abs. 1 Z1 lita u. b, Z4, Abs2 sowie in §2a Abs1 verletzt.

2. Gemäß §29 Abs4 RFG ist Punkt 1. des Spruches dieses Bescheides in der nächsten auf die Zustellung seiner schriftlichen Ausfertigung an den ORF nachfolgenden Sendung der Reihe 'Vera' durch die Moderatorin am Beginn dieser Sendung zu verlesen."

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde vom 8. Jänner 2001, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsfreiheit gemäß Art10 EMRK und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

6. Mit Schreiben vom 22. März 2001 legte die Kommission als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und teilte mit, dass eine Gegenschrift nicht erstattet werde.

7. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes wurde diesem auch eine Videoaufzeichnung der strittigen Sendung vorgelegt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Kommission ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist also ausgeschöpft (vgl. zB VfSlg. 12.086/1989 mwH).

1.2. Den Umständen nach besteht die - für die Beschwerdeberechtigung vor dem Verfassungsgerichtshof essentielle - Möglichkeit, dass der beschwerdeführende ORF durch den angefochtenen Bescheid - dessen Adressat er ist - in einem subjektiven Recht verletzt wurde (s. gleichfalls VfSlg. 12.086/1989 mwH).

1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2.1. Ein konkreter Verwaltungsakt, der - wie der hier angefochtene Bescheid der Kommission - in den Schutzbereich der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Meinungsäußerungsfreiheit eingreift, verletzt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu vor allem VfSlg. 12.086/1989 mwH) dieses Grundrecht ua. dann, wenn er in denkunmöglicher Handhabung eines verfassungsmäßigen Gesetzes erlassen wurde. Einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung kommt es gleich, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen - hier also: die besonderen Schranken des Art10 EMRK missachtenden - Inhalt unterstellt. Dabei ist Träger des relevierten Grundrechts im vorliegenden Fall der ORF selbst, weil der angefochtene Hoheitsakt (auch) die Rechtssphäre dieses Unternehmens betrifft und Art10 Abs2 EMRK verfassungsrechtliche Schranken für die gesetzliche Begrenzung der Ausübung der Rechte nach Art10 Abs1 EMRK enthält.

2.2.1. Für den Rundfunk sieht das Bundesverfassungsgesetz vom 10. Juli 1974, BGBl. 396, über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks (BVG-Rundfunk) besondere verfassungsrechtliche Garantien und Auflagen vor. Die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation sind nach ArtI Abs2 erster Satz BVG-Rundfunk bundesgesetzlich festzulegen. Ein solches Bundesgesetz hat zu Folge ArtI Abs2 zweiter Satz leg.cit. insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die

"die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der im Abs.1 genannten Aufgaben betraut sind, gewährleisten."

2.2.2. Als Ausführungsgesetz hiezu erging ua. das RFG. Mit Blick auf den vorliegenden Fall ist dazu vor allem auf Folgendes hinzuweisen:

Die §§ 2 und 2a RFG, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I 194/1999 bzw. I 1/1999, die dem Abschn. I RFG ("Aufgaben und Einrichtung des Österreichischen Rundfunks") zugeordnet sind, lauten - jeweils samt Überschrift - wie folgt:

"§ 2.

(1) Der Österreichische Rundfunk hat durch die Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen sowie durch die Planung, die Errichtung und den Betrieb der hiefür notwendigen technischen Einrichtungen, insbesondere von Studios und Sendeanlagen, vor allem zu sorgen für

1. die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen durch

a) objektive Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen, einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und der Übertragung ihrer Verhandlungen,

b) Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen,

c) eigene Kommentare und Sachanalysen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität;

2. die Verbreitung von Volks- und Jugendbildung unter besonderer Beachtung der Förderung der Schul- und Erwachsenenbildung sowie des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens;

3. die Vermittlung und Förderung von Kunst und Wissenschaft;

4. die Darbietung von einwandfreier Unterhaltung;

5. die Förderung des Interesses der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung.

(2) Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungsordnung, insbesondere auf die bundesstaatliche Gliederung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Länder sowie auf die Grundsätze der Freiheit der Kunst, der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme, Bedacht zu nehmen. Die Unabhängigkeit gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks ist zu gewährleisten. (BGBl. Nr. 246/1984, ArtI Z1)

(3) Bei der Planung des Gesamtprogramms ist die Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften angemessen zu berücksichtigen.

(4) Vor allem die künstlerischen, volksbildenden und staatspolitischen Sendungen des Hörfunks und des Fernsehens haben sich durch hohes Niveau auszuzeichnen.

§2a.

(1) Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.

(2) Die Sendungen dürfen nicht zu Haß auf Grund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln.

(3) Fernsehprogramme dürfen keine Sendungen enthalten, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen können, insbesondere solche, die Pornographie oder grundlose Gewalttätigkeiten zeigen. Bei Fernsehsendungen, die die körperliche, geistige, moralische oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, ist durch die Wahl der Sendezeit oder durch technische Mittel dafür zu sorgen, daß diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht wahrgenommen werden.

(4) Die unverschlüsselte Ausstrahlung von Sendungen gemäß Abs3 letzter Satz ist durch akustische Zeichen anzukündigen oder durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen."

Dabei ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe vor allem VfSlg. 13.843/1994; unter Hinweis auf VfSlg. 10.948/1986, 12.086/1989) davon auszugehen, dass auch die Sendeart der Fernsehinterviews, obgleich sie in §2 Abs1 Z1 RFG nicht expressis verbis geregelt ist, dem grundlegenden Gebot der Objektivität, Unparteilichkeit, Pluralität und Ausgewogenheit unterworfen ist. Auch für die durch §2a Abs1 RFG gebotene Achtung der Menschenwürde und der Grundrechte anderer trifft dies zu.

2.3.1. Nach Art13 Abs1 StGG hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Das Recht der freien Meinungsäußerung ist zwar nur innerhalb dieser gesetzlichen Schranken gewährleistet, doch darf auch ein solches Gesetz keinen Inhalt haben, der den Wesensgehalt des Grundrechtes einschränkt (vgl. VfSlg. 6166/1970, 10.700/1985). Eine nähere Bestimmung dieses Wesensgehaltes findet sich nunmehr in Art10 EMRK: Diese Vorschrift bekräftigt den Anspruch auf freie Meinungsäußerung und stellt klar, dass dieses Recht die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen einschließt, sieht aber im Hinblick darauf, dass die Ausübung solcher Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von "Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen" vor,

"wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten."

Seit Art10 EMRK im Verfassungsrang steht, darf also die Freiheit der Meinungsäußerung nur aus den dort angeführten Gründen (Eingriffstatbeständen) beschränkt werden (VfSlg. 10.700/1985, 11.651/1988).

2.3.2. Insgesamt ist in der Festlegung des Gebotes der Objektivität, Unparteilichkeit, Pluralität und Ausgewogenheit sowohl im BVG-Rundfunk als auch im RFG sowie in der durch §2a RFG gebotenen Achtung der Menschenwürde und der Grundrechte anderer eine Begrenzung der Freiheit der Meinungsäußerung für den ORF bei seiner medialen Berichterstattung (im weitesten Sinn - also einschließlich der Ausstrahlung von Interviews) zu erblicken: Eine solche Freiheitsbegrenzung kann gemäß Art10 Abs1 letzter Satz EMRK für "Rundfunk- oder Fernsehunternehmen" im Zug der staatlichen Genehmigung (zu Folge VfSlg. 9909/1983 auch in Gestalt eines Gesetzes wie des RFG) festgelegt werden; ferner gemäß Art10 Abs2 EMRK durch Gesetz, soweit diese Freiheitsbegrenzung im Interesse der dort umschriebenen Ziele, insbesondere auch im Interesse des Schutzes "der Rechte anderer", unentbehrlich (notwendig) ist (vgl. VfSlg. 11.062/1986, 12.086/1989).

3.1.1. Der bekämpfte Bescheid erachtet §2 Abs1 Z1 lita und b, Z4 und Abs2 RFG unter anderem "durch einseitig wertende Texteinblendungen" im Rahmen der Ausstrahlung des strittigen Interviews als verletzt.

Begründend wird dazu Folgendes ausgeführt:

Bereits für sich allein gesehen, seien durch die Einblendung einseitig wertender Texte (Inserts), deren Inhalt im Wesentlichen von der Sendungsverantwortlichen Dr. K Z nach der Aufnahme der Sendung beim Schnitt des aufgenommenen Materials bestimmt wurde, die Grundsätze der Objektivität und Pluralität gemäß ArtI Abs2 BVG-Rundfunk und §2 Abs1 Z1 lita und b sowie Abs2 RFG verletzt worden.

Franz Hufnagel sei keine Möglichkeit eröffnet worden, zum Inhalt dieser Inserts Stellung zu nehmen. Er sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass solche Inserts erst nach Aufzeichnung des Beitrages bei der Herstellung jener Fassung, die gesendet wird, produziert werden. Insbesondere die Texteinblendungen "Franz Hufnagl als Sex-Bürgermeister im Zwielicht", "Franz Hufnagl als Politiker ohne Zukunft", "Franz Hufnagl, sein Strohhalm: das Urteil 2. Instanz" dienten, anders als von der Sendungsverantwortlichen behauptet, keineswegs der besseren Verständlichkeit von Gesprächsinhalten oder des Beitragsverlaufs insgesamt und stellten auch keine Zusammenfassung von bis dahin erreichten Interviewresultaten dar. Sie seien vielmehr polemisch, stellten einseitig wertende Urteile dar und verzerrten auch im Gesamtzusammenhang mit den Gesprächsinhalten den dargestellten Sachverhalt, weil sie apodiktische Behauptungen aufstellten, deren Zutreffen insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine endgültige gerichtliche Feststellung und Wertung noch nicht erfolgte, keineswegs gesichert sei, jedoch im durchschnittlichen Zuseher den Eindruck erweckten, mit Tatsachen konfrontiert zu werden.

Zudem widersprächen die genannten Texteinblendungen wegen ihrer polemischen, den Sachverhalt verzerrenden Formulierungen auch den Grundsätzen einwandfreier Unterhaltung im Sinne von §2 Abs1 Z4

RFG.

3.1.2. Dagegen wird in der Beschwerde insbesondere Folgendes vorgebracht:

Insoweit die Kommission festgestellt habe, dass die Einblendung der Inserts für sich eine Verletzung des Objektivitätsgebots darstellt, werde diese Auslegung - als auch im Lichte des Art10 EMRK jedenfalls vertretbar - verfassungsrechtlich nicht bestritten.

Fraglich bleibe jedoch, ob dadurch der Beitrag insgesamt als gesetzesverletzend anzusehen sei, da nach ständiger Rechtsprechung der Kommission selbst einzelne Darstellungen, die für sich genommen unsachlich sind, durch andere Inhalte ausgeglichen werden könnten. Insoferne sei zur Beurteilung der Verletzung des Objektivitätsgebotes eine Gesamtbetrachtung anzustellen. Da die belangte Behörde in diesem Punkt mit Ausnahme der Einsichtnahme in die Videoaufzeichnung der Sendung jegliche Ermittlungstätigkeit und Ausführungen unterlassen habe, sei ihr aus diesem Grunde eine leichtfertige Entscheidungsfindung und willkürliche Anwendung des RFG und damit die Verletzung des Gleichheitssatzes vorzuwerfen.

3.1.3. Auf Grund der nachstehenden Erwägungen ist der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangt, dass der beschwerdeführende ORF durch die hier in Rede stehende bescheidmäßige Feststellung nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Gemäß ArtI Abs2 zweiter Satz BVG-Rundfunk hat das Bundesgesetz über den Rundfunk und seine Organisation insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung gewährleisten. Das zur Durchführung dieses bundesverfassungsgesetzlichen Gebotes ergangene RFG bestimmt in §2 Abs1 Z1 lita und b sowie Z4, dass der ORF durch die Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen vor allem für umfassende Information der Allgemeinheit über alle politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen - und zwar durch objektive Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen sowie die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen - und für die Darbietung einwandfreier Unterhaltung zu sorgen hat. Entsprechend dem programminhaltlichen Verfassungsauftrag des ArtI Abs2 zweiter Satz BVG-Rundfunk statuiert §2 Abs2 RFG, dass der ORF bei der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben insbesondere auf die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme Bedacht zu nehmen hat.

Wie oben in Pkt. 2.2.2. näher ausgeführt wurde, ist auch die Sendeart des Fernsehinterviews diesen Grundsätzen unterworfen.

Nach der Rechtsprechung der Kommission (siehe dazu etwa RFK 26.9.1983 RfR 1984, 5; 16.7.1990 RfR 1990, 35) - der vom Verfassungsgerichtshof aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten ist - ist zur Beurteilung einer allfälligen Verletzung dieser bundes(verfassungs)gesetzlich statuierten Grundsätze eine Gesamtbetrachtung der jeweiligen Sendung anzustellen, so dass einzelne Darstellungen, die für sich genommen unsachlich sind, durch andere Inhalte ausgeglichen werden können; ferner ist bei der Prüfung dieser Grundsätze der Eindruck des Durchschnittskonsumenten im Gesamtkontext des Gebotenen maßgebend, wobei vom Wissens- und Bildungsstand des Durchschnittskonsumenten auszugehen ist.

Unter Zugrundelegung all dessen hält der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall die Auffassung der Kommission, dass allein wegen des Inhalts der Texteinblendungen der gesamte in Rede stehende Sendungsbeitrag die Grundsätze der Objektivität und Pluralität gemäß ArtI Abs2 BVG-Rundfunk und §2 Abs1 Z1 lita und b sowie Abs2 RFG verletzt habe, im Lichte des Art10 EMRK für vertretbar. Was die Texteinblendungen als solche betrifft, wird dies nicht einmal vom beschwerdeführenden ORF bestritten. Er meint jedoch, dass fraglich bleibe, ob dadurch der Sendungsbeitrag insgesamt als gesetzesverletzend anzusehen sei, da selbst einzelne Darstellungen, die für sich genommen unsachlich seien, durch andere Inhalte ausgeglichen werden könnten. Auch daraus ist jedoch für den Standpunkt des beschwerdeführenden ORF nichts zu gewinnen. Dies vor allem deshalb, weil die meisten dieser - nachträglich eingefügten - Texteinblendungen die jeweiligen Aussagen des Interviewpartners inhaltlich geradezu konterkarieren, ohne dass dieser - da ihm der Text dieser Einblendungen bei der Aufnahme der Sendung unbestrittener Maßen nicht bekannt war - Gelegenheit gehabt hätte, dazu Stellung zu nehmen. Dazu kommt noch, dass diese visuell erfassbaren Texteinblendungen die verbalen Ausführungen des Interviewpartners in ihrer medialen Wirkung (auf den Konsumenten des Sendungsbeitrages) deutlich übertreffen. Dadurch wird aber der Eindruck, den der Durchschnittskonsument im Gesamtkontext des Gebotenen gewinnt, einseitig zu Ungunsten des Interviewpartners verzerrt.

Ausgehend davon liegt es aber auch auf der Hand, dass der in Rede stehende Sendungsbeitrag, soferne er überhaupt als Darbietung von Unterhaltung im Sinne des §2 Abs1 Z4 RFG zu qualifizieren ist, jedenfalls nicht als "einwandfrei" bewertet werden kann.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der Kommission deshalb, weil sie ihre Ermittlungstätigkeit in diesem Punkt auf die Einsichtnahme in die Videoaufzeichnung der in Rede stehenden Sendung beschränkte, - anders als der beschwerdeführende ORF meint - auch keine willkürliche, den Gleichheitsgrundsatz verletzende Anwendung des RFG vorgeworfen werden kann.

Aus all dem ergibt sich also, dass der bekämpfte Bescheid, mit dem festgestellt wird, dass allein schon wegen des Inhaltes der einseitig wertenden Texteinblendungen der gesamte in Rede stehende Sendungsbeitrag die genannten Bestimmungen des Rundfunkgesetzes verletzt habe, den beschwerdeführenden ORF nicht in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsfreiheit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt hat; es ist auch nicht hervorgekommen, dass der beschwerdeführende ORF in dieser Hinsicht in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden wäre. Im Hinblick darauf ist aber die vorliegende Beschwerde abzuweisen, ohne dass ihr weiteres, gegen diesen Bescheid gerichtetes Vorbringen geprüft werden musste.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunk, Rechte subjektive öffentliche, Beschwerdeverfahren, Rundfunkkommission, Objektivitätsgebot, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B30.2001

Dokumentnummer

JFT_09979696_01B00030_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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