TE Vfgh Erkenntnis 2002/3/4 B54/01

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Veröffentlicht am 04.03.2002
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art10
RundfunkG §2

Leitsatz

Keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit und des Gleichheitsrechts durch die vertretbare Annahme der Verletzung des Objektivitätsgebotes durch Ausstrahlung eines anonym zugespielten, nicht entsprechend geprüften Filmmaterials über die Verwendung verbotener Tiermedikamente und Tierquälerei in einer Schweinezuchtanstalt in identifizierender Weise

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die Beschwerdeführer sind schuldig, der beteiligten Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit Euro 2.256,3 bestimmten Verfahrenskosten bei sonstigem Zwang binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 30. Mai 2000 strahlte der Österreichische Rundfunk (ORF) im Fernsehprogramm ORF FS 2 die Sendung "Am Schauplatz" aus, in der Fragen der Tierhaltung und der Tierzucht bzw. des Tierschutzes und der Tierrechte behandelt wurden. Für die Sendung waren die nunmehrigen Beschwerdeführer, und zwar Dr. H L als Informationsintendant Fernsehen, Dr. R S als Chefredakteur - Aktueller Dienst Fernsehen und C S als Sendungsverantwortlicher - Aktueller Dienst Fernsehen, verantwortlich.

Die Sendung hatte - im hier maßgeblichen Zusammenhang - den folgenden Inhalt:

"Kommentartext: Dass aber Österreichs Fleischproduktion nicht nur durch solche Tiertransporte in Verruf gerät, belegt ein Kriminalfall, der jüngst sogar im Parlament für politischen Wirbel sorgte. Der Grünen Abgeordneten und prominenten Fürsprecherin der Tierrechte, Madeleine Petrovic, wurden Medikamente zugespielt, die angeblich aus einer niederösterreichischen Schweinezucht entwendet wurden. Auf einer beigelegten Videokassette sieht man Bilder, die nichts für zarte Gemüter sind.

(Einblendung:) Archivmaterial VgT

Kommentartext: Von den Aufnahmen alarmiert, brechen Tierrechtler zu einer sofortigen Inspektionsreise auf. Sie wollen sich ein aktuelles Bild von den Zuständen in Österreichs Betrieben machen.

S: Frau Dr. Petrovic, Gegner von Tierschutz werden jetzt behaupten, dass sie sich da zum Handlanger von Leuten machen lassen, die ein Verbrechen begangen haben, die in diesen Stall eingedrungen sind. Wie kann man solchen Argumenten entgegentreten?

Dr. Madeleine Petrovic: Ich geb' dann eine andere Frage zurück: Ist es wirklich schon so weit, dass unsere Lebensmittel nur mehr hinter verschlossenen Türen hergestellt werden können? Weil, wenn man das sehen würde, es nicht mehr aushält? Ist es wirklich schon so weit, dass das, was eigentlich den engsten Kontakt auch mit meinem Körper hat, was in meinen Magen hineinkommt, dass ich nicht mehr sehen darf, wie es entstanden ist? Das kann ja nicht so sein. Ich kann es nicht akzeptieren, dass man sagt, diejenigen die eigentlich Konsumentenschutz und Tierschutz vertreten, das sind die Rechtsbrecher und die anderen, die solche Arzneimittel einsetzen, die sind im Recht. So ist es nicht.

Kommentartext: Eine Station der Truppe ist die Zuchtanstalt des Grafen H bei Hollabrunn. 20.000 Schweine jährlich rechtfertigen für die Aktivisten die lange Anreise. Doch es ist Sonntag und der Betrieb ist geschlossen. Nicht einmal Feiertagspersonal lässt sich blicken. Dicke Mauern, Absperrgitter und ferngesteuerte Tore drängen den Vergleich zu einem Hochsicherheitsgefängnis auf. Plötzlich nähert sich ein Fahrzeug.

Dr. Madeleine Petrovic: Grüß Gott, sind sie da vom Betrieb?

Angestellter: Bitte?

Dr. Madeleine Petrovic: Sind sie da vom Betrieb?

Angestellter: Ich bin da vom Betrieb, ja.

Dr. Madeleine Petrovic: Können wir mit ihnen einmal reden, weil mir ist Foto- und Filmmaterial zugegangen, kann das sein, dass das in dem Betrieb tatsächlich sind. Da haben Schweine hinten am Rücken wunde Stellen von diesen Eisengittern.

Angestellter: Keine Ahnung.

Dr. Madeleine Petrovic: Das heißt, sie sehen die Tiere nie, oder?

Angestellter: Ich seh die Tiere wohl.

Dr. Madeleine Petrovic: Na dann müssen sie ja wissen, ob die wunde Stellen haben von den Gittern.

Angestellter: Mir ist bis jetzt nichts aufgefallen.

Dr. Madeleine Petrovic: Wollen sie das Filmmaterial mal sehen?

Angestellter: Nein, kein Bedarf.

S: Dürfen wir gemeinsam mit Ihnen reinschauen?

Angestellter: Nein.

S: Warum nicht?

Angestellter: Da müssen sie den Chef fragen.

Kommentartext: Wir baten M H, als Besitzer der größten Schweinezucht Österreichs, um ein Interview und wollten wissen, ob Zustände, wie sie auf dem Video zu sehen sind, zum Alltag gehören. Graf H wollte uns aber nur empfangen, wenn wir auf die Ausstrahlung des umstrittenen Filmes verzichten, weil er angeblich nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit zeige. Stattdessen führten die Aktivisten das Material dem Präsidenten der Österreichischen Tierärztekammer vor. Einem Mann, der sich nicht scheute, klar Stellung zu nehmen.

F J: Also ich würde sagen, dass man für solche Betriebe keinen Schilling Stützung ausgeben sollte, wenn die Tiere derart eingekastelt werden, wie in diesem. Dass solche Tiere krank werden, dass die Augenleiden bekommen, dass die Gebärmutterentzündungen bekommen, weil sie sich nicht bewegen, dass die Verstopfung bekommen, Kreislaufbeschwerden bei heißem Wetter, das ist eigentlich ganz klar. Also mir tut das in der Seele weh, muss ich ihnen ehrlich sagen, wenn ich diese Bilder sehe.

(Einblendung:) Archivmaterial VgT."

2. In einer mit Eingabe vom 28. Juni 2000 an die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im Folgenden: Kommission) gerichteten Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 des Rundfunkgesetzes - RFG beantragte Dipl.Ing. M H, die Kommission möge feststellen, dass der ORF durch die genannte Sendung, insbesondere wegen "unausgewogener Berichterstattung" das Objektivitätsgebot des RFG verletzt habe.

3. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 14. September 2000 gab die Kommission dieser Beschwerde Folge und stellte fest,

"dass der Österreichische Rundfunk in seiner Fernsehsendung 'Am Schauplatz' vom 30. Mai 2000 den Programmauftrag des Objektivitätsgebotes des §2 Abs1 Z1 lita RFG dadurch verletzt hat, dass er durch Wiedergabe eines nicht ausreichend überprüften, anonym zugespielten Filmmaterials in identifizierender Weise für den durchschnittlichen Seher und Hörer des Österreichischen Rundfunks unrichtigerweise dargestellt hat, dass DIng. M H in seiner Zuchtanstalt verbotene Tiermedikamente verwendet und Tiere gequält wurden."

Begründend wird dazu Folgendes ausgeführt:

"In (der) auf §27 Abs1 Z1 RFG gestützten Individualbeschwerde (wird vorgebracht), ... in der genannten Sendung habe der ORF über die 'Zuchtanstalt des Grafen H bei Hollabrunn' berichtet. Gleichzeitig wurde, ausdrücklich und für alle Seherinnen und Seher des ORF erkennbar, der Beschwerdeführer als Eigentümer des Gutshofes bezeichnet. Insbesondere habe der Film durch Darstellung von Medikamenten (die Präperate Suacron, Synpitan, Baytril, Stresnil und Monzal) den Eindruck vermittelt, dass der Beschwerdeführer illegal im Rahmen seiner Schweinezucht diese Medikamente nicht entsprechend gesetzlicher Bestimmungen verwendet. Tatsächlich seien diese Mittel jedoch in Österreich für die Schweinehaltung registriert und zugelassen; sie werden jedoch nur durch den Tierarzt oder über entsprechende Empfehlung bzw. Verschreibung verwendet. Weiters sei ein Großteil des in dieser Sendung wiedergegebenen Archivmaterials betreffend die Schweinezucht nachweislich (richtig: nicht) im Gutshof des Beschwerdeführers aufgenommen worden, insbesondere folgende Aufnahmen:

Mastschweine (ganz eng gehalten), ein einzelnes Ferkel auf Betonspalten, eine offensichtlich verendete Muttersau mit gelber Ohrmarke, eine Muttersau mit Nachgeburt auf Aufstallung mit verzinktem Blech, sowie eine Muttersau mit Nachgeburt und einem toten sowie einem lebenden Ferkel.

Das übrige Material dieses Archivfilmes könne nicht eindeutig zugeordnet werden, sodass nach Ansicht des Beschwerdeführers eine Überprüfung, ob es sich dabei um Aufnahmen seiner Zuchtanstalt handelt, nicht möglich sei.

Insgesamt habe der ORF durch diese Vorgangsweise gegen das Objektivitätsgebot des §2 RFG verstoßen, weil er in identifizierender Weise eine üble Nachrede wiedergegeben habe, wodurch es für den durchschnittlichen Hörer und Seher des ORF unzweifelhaft geworden sei, dass der Beschwerdeführer verbotene Tiermedikamente verwendet habe und es in seinem Zuchtbetrieb zur Tierquälerei gekommen sei. Der ORF habe unsachlich berichtet, nämlich einseitig, verzerrt und unfair dargestellt.

Die Beschwerdegegner (d.sd. die nunmehrigen Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren) (führen) ... in ihrer

Stellungnahme ... insbesondere aus, dass das vom ORF in der besagten

Sendung ausgestrahlte 'Archivmaterial' nicht vom ORF aufgezeichnet wurde, sondern von Dritten zur Verfügung gestellt worden sei.

Außerdem sei dem Beschwerdeführer bereits vor Ausstrahlung der Sendung Gelegenheit geboten worden, zu den angesprochenen Aufnahmen Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer sei jedoch nur unter der Bedingung bereit gewesen, dazu Stellung zu nehmen, dass das umstrittene Material überhaupt nicht vom ORF gesendet werde. Diese Vorgangsweise habe der ORF nicht akzeptiert.

Zur Sendung 'Am Schauplatz' vom 30. Mai 2000 führten die Beschwerdegegner an, dass es sich dabei um eine Sendung zum Thema 'Tierschutz/Tierrechte' gehandelt habe. In dieser Sendung seien nicht nur Tierschützer, sondern auch Innungsmeister (Kürschner, Fleischer) und ein Tierarzt zu Wort gekommen. Es wäre auch dem Beschwerdeführer möglich gewesen, im Rahmen dieser Sendung Stellung zu nehmen. Die Beschwerdegegner legten auch dar, dass zwar der Beschwerdeführer als Eigentümer der größten Schweinezucht Österreichs in dieser Sendung bezeichnet wurde und gestanden auch zu, dass gewisse Medikamente in dieser Sendung gezeigt worden sind, doch sei dadurch keinesfalls der Eindruck erweckt worden, dass diese Medikamente vom Beschwerdeführer illegal bzw. nicht entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen verwendet worden wären. Außerdem sei - nach Meinung der Beschwerdegegner - in der gesamten Sendung nicht der Eindruck vermittelt worden, dass die Archivaufnahmen im Schweinezuchtbetrieb des Beschwerdeführers aufgenommen worden seien. Diesen Zusammenhang stelle lediglich der Beschwerdeführer selbst her. Die Beschwerdegegner legten auch dar, dass sie nicht beantworten können, ob die gezeigten 'Archivbilder' am Gutshof des Beschwerdeführers aufgenommen worden sind oder nicht. Es gäbe darüber auch keine Mutmaßungen in der inkriminierten Sendung. Insgesamt entspreche die Sendung durchaus dem Objektivitätsgebot des §2 RFG.

Zum Beweis ihres Vorbringens schlossen die Beschwerdegegner die Sendungstranskripte an und boten C S als Auskunftsperson an. Ergänzend brachte der Drittbeteiligte S in der mündlichen Verhandlung vor, dass die Sendung 'Am Schauplatz' eine Reportagesendung mit stark subjektiver Annäherung sei, die das Leben in (seiner) Widersprüchlichkeit zeigen soll. Gegenstand dieser Sendung war, eine umstrittene Gruppe bei ihren Aktivitäten zu begleiten. Das Bild sei möglicherweise unausgewogen geblieben, dies sei jedoch auf den Beschwerdeführer zurückzuführen.

Aufgrund mündlicher, nicht öffentlicher Verhandlung und Aufnahme der Beweise durch Abspielen der Videoaufzeichnung der Sendung 'Am Schauplatz' vom 30. Mai 2000 ab der 22. Sendeminute, Einsicht in das vorgelegte Sendungstranskript (insbesondere ab S. 14) sowie die Vernehmung des Beschwerdeführers und Drittbeteiligten ergibt sich die Berechtigung der Beschwerde.

§ 2 Abs1 Z1 lita RFG trägt dem Österreichischen Rundfunk unter anderem die objektive Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen auf (Objektivitätsgebot).

Auch die Reportagesendung 'Am Schauplatz' zählt zweifellos zu jenen Informationssendungen, für die dieses Informationsgebot gilt. Objektivität bedeutet Streben nach Wahrhaftigkeit. Unobjektiv sind daher: tatsachenwidrige, tendenziöse und polemische Feststellungen, Verzerrung der Dimensionen, unkritische Wiedergabe einseitiger Behauptungen, wodurch der Eindruck der Identifikation entsteht. Objektiv berichtet jedenfalls, wer ein zutreffendes Bild der Wirklichkeit zeichnet, was voraussetzt, dass alle Elemente der Berichterstattung nach ihrer Richtigkeit und Wesentlichkeit, somit im Sinne der Vollständigkeit der Darstellung, erkannt und sachlich dargelegt werden. Eine Objektivitätsverletzung erfordert, dass die in zumutbarer Weise realisierbare Möglichkeit zu objektiver Berichterstattung bestanden hat. Objektivität bei Berücksichtigung der Meinungsvielfalt bedeutet somit die unabdingbare Verpflichtung der Reporter oder Kommentatoren, sich ihre Meinung aufgrund verlässlicher Quellen und Informationen zu bilden, sie möglichst stichhältig zu begründen und sachlich darzulegen (Twaroch-Buchner, Rundfunkrecht5, E39-43 zu §2 RFG). Aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers, der einen glaubwürdigen Eindruck hinterließ, ist erwiesen, dass das gegenständliche Bildmaterial nicht im Betrieb des Beschwerdeführers aufgenommen wurde.

Nach dem weiters unstrittigen Sachverhalt hat der ORF in der besagten Sendung 'Am Schauplatz' am 30.5.2000 diese Archivbilder, die den Beschwerdegegnern zugespielt wurden, vorgeführt, ohne detailliert zu prüfen, von wem und vor allem wo diese Archivbilder aufgenommen wurden. Anhaltspunkte, wonach die Beschwerdegegner auch nur ansatzweise versucht hätten, den Inhalt der Archivbilder entsprechend zuzuordnen, liegen nicht vor. Dennoch hat der ORF - entgegen der Meinung der Beschwerdegegner - das Archivmaterial (für einen unvoreingenommenen Seher) in einem Zusammenhang ausgestrahlt, der insgesamt den Eindruck erweckt, dass die Zuchtanstalt des Beschwerdeführers sich illegaler Medikamente bedient, und die Tiere durch schlechte Haltung in dieser Zuchtanstalt gequält werden. Es wird sogar ein Zusammenhang mit einem 'Kriminalfall' hergestellt. Verstärkt wird dieser Eindruck durch ein mitgesendetes Interview mit der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Petrovic (Seite 14 des Sendungstranskripts). Insgesamt vermittelt dieser Teil der Sendung gerade den Eindruck, dass es sich bei den 'Archivbildern' um die Zuchtanstalt (der beteiligten Partei) handelt. Dies wird durch die Textpassage verstärkt, der zu entnehmen ist, dass Dr. Petrovic prüfen möchte, ob das gezeigte anonyme 'Filmmaterial' in der Zuchtanstalt des Beschwerdeführers aufgenommen wurde (Seite 5 (gemeint offenbar: 15) des Sendungstranskripts).

Der Zusammenhang zwischen dem anonymen Filmmaterial und der Zuchtanstalt des Beschwerdeführers wird auch dadurch hergestellt, als Dr. Petrovic auf der Fahrt zur Zuchtanstalt des Beschwerdeführers zu den zuvor gezeigten Medikamenten interviewt wird und sie darauf antwortet: 'Ist es wirklich schon so weit, dass unsere Lebensmittel nur mehr hinter verschlossenen Türen hergestellt werden können? Weil wenn man das sehen würde, es nicht mehr aushält? Ist es wirklich schon so weit, dass das, was eigentlich den engsten Kontakt auch mit meinem Körper hat, was in meinen Magen hineinkommt, das nicht mehr sehen darf wie es entstanden ist? Das kann ja nicht so sein. Ich kann es nicht akzeptieren, dass man sagt, diejenigen, die eigentlich Konsumentenschutz und Tierschutz vertreten, das sind die Rechtsbrecher und die anderen, die solche Arzneimittel einsetzen, die sind im Recht. So ist es nicht.' Auch der anschließende Kommentartext des ORF verstärkt den Eindruck, dass diese Missstände (verbotener Medikamenteneinsatz, Tierquälerei) in der Zuchtanstalt des Beschwerdeführers (der beteiligten Partei im verfassungsgerichtlichen Verfahren) festgestellt wurden (Seite 14 des Sendungstranskripts) und lenkt die Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Beschwerdeführer (die beteiligten Partei).

Dies widerspricht objektiver Berichtspflicht, weil wahrheitswidrig dargestellt wird, dass die in nicht näher überprüftem, anonymen Filmmaterial dargestellten Missstände, den tatsächlichen Gegebenheiten in der Zuchtanstalt des Beschwerdeführers entsprechen."

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde vom 11. Jänner 2001 an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsfreiheit gemäß Art10 EMRK und auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

"Zur Sendung von anonymem Material:

Die belangte Behörde ist offenbar der Auffassung, dass die Sendung von anonymem Filmmaterial generell unzulässig ist. Darauf deutet jedenfalls das Zitat von Twaroch/Buchner (Rundfunkrecht5 E 39-43 zu §2 RFG) hin, hält die belangte Behörde doch in diesem Zusammenhang die unabdingbare Verpflichtung der Reporter oder Kommentatoren fest, sich ihre Meinung aufgrund verläßlicher Quellen und Informationen zu bilden.

Damit unterstellt die belangte Behörde §2 Abs1 Ziffer 1 lita RFG jedoch einen verfassungswidrigen Inhalt. Wie die belangte Behörde nämlich in anderem Zusammenhang selbst festhält, besteht keine Erfolgshaftung für die Wahrheit einer Berichterstattung (RFK 24. April 1992 RfR 1995, 3 1). So bedeuten Äußerungen, die sich nachträglich als wahrheitswidrig herausstellen, keine Verletzung des Objektivitätsgebots, sofern nicht eine absichtliche Unrichtigkeit zu unterstellen ist (RFK 17. Februar 1994 RfR 1995, 48). Insbesondere vor dem Hintergrund des Umstands, dass nach ständiger Judikatur des EGMR auch die Form der journalistischen Darstellung, also die journalistische Gestaltungsfreiheit, eine der wesentlichsten Bedingungen der Medienfreiheit darstellt und somit jedenfalls vom Schutz des Art10 EMRK miterfaßt ist (vgl. insbesondere EGMR Fall Jersild, A-298), kann das Objektivitätsgebot des §2 Abs1 Ziffer 1 lita RFG nicht dahingehend ausgelegt werden, dass anonymes Material, dessen Herkunft nicht eindeutig verifizierbar ist, nicht gesendet werden darf. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des Umstands, dass gerade das im vorliegen Fall strittige Filmmaterial bereits Gegenstand der öffentlichen Diskussion war und bereits durch Dritte anlässlich einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Dürfte derartiges Material nicht gesendet werden, könnte der ORF nämlich die allen Medien obliegende Aufgabe als 'public watchdog' nicht erfüllen. Gerade die in Artikel I Abs2 BVGRundfunk festgehaltene Verpflichtung zur Berücksichtigung der Meinungsvielfalt gebietet es, anonymes Material, das bereits der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, nicht von vornherein als nicht dem Objektivitätsgebot entsprechend anzusehen. Dass gerade an diesem Thema öffentliches Interesse herrschte, beweist nicht zuletzt die Involvierung der Abgeordneten zum Nationalrat Frau Dr. Madeleine Petrovic und die bereits erwähnte Pressekonferenz, anlässlich derer das umstrittene Material bereits veröffentlicht wurde.

Die Auslegung der belangten Behörde, §2 RFG sei schon deshalb verletzt, weil anonymes und nicht ausreichend überprüftes Filmmaterial gesendet wurde, verletzt daher Art10 EMRK.

Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Abgehen vom Akteninhalt,

Begründungsmängel:

Die belangte Behörde hat es auch unterlassen, in der Begründung des angefochtenen Bescheids auf die von uns vorgetragenen Argumente einzugehen. Da die belangte Behörde somit die von uns vorgetragenen Gründe mit den vom Beschwerdeführer Dipl.-Ing. H vorgebrachten Gründen gar nicht abgewogen hat und in diese Richtung auch keinerlei Ermittlungstätigkeit entfaltet hat, verletzt der angefochtene Bescheid auch das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

Die belangte Behörde ist zunächst insoweit leichtfertig vom Akteninhalt abgewichen, als sie (im) angefochtenen Bescheid festgehalten hat, dass aufgrund der Einvernahme des Dipl.-Ing. H, der einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe, erwiesen sei, dass das gegenständliche Bildmaterial nicht in seinem Betrieb aufgenommen worden sei. Diese Feststellung entspricht nicht einmal dem Vorbringen und der Aussage des Dipl.-Ing. H im Verfahren vor der belangten Behörde. Hat er doch selbst bloß angegeben, dass ein Teil der gesendeten Bilder mit Sicherheit nicht aus seinem Betrieb stamme. Für einen anderen Teil konnte er dies jedoch nicht ausschließen.

Die belangte Behörde hat aber auch unberücksichtigt gelassen, dass Dipl.-Ing. H erstmals in seiner Beschwerde bei der Rundfunkkommission die dezidierte Behauptung aufgestellt hat, die umstrittenen Aufnahmen würden (zumindest zum Teil) nicht aus seinem Betrieb stammen. Es war ja Dipl.-Ing. H, der aus unserer Sicht als erster behauptet hat, dass die umstrittenen Aufnahmen anlässlich eines Einbruchs in seinen Betrieb widerrechtlich hergestellt worden seien ... Wir konnten daher mit Recht davon ausgehen, dass die Aufnahmen aus dem Betrieb des Beschwerdeführers stammen, wenngleich sie unter widerrechtlichen Umständen von einem uns unbekannten Dritten angefertigt wurden. Diesen von ihm selbst uns gegenüber vermittelten Eindruck hat Dipl.-Ing. H auch anlässlich der gemeinsamen Besichtigung des Materials am 17. April 2000 nicht relativiert. Er hat dabei bloß gemeint, dass die Darstellung der Tiere unvollständig sei und bei der ausschließlichen Wiedergabe von Tieren nicht erkenntlich sei, woher das Material stamme ... Dipl. -Ing. H hat in weiterer Folge selbst bestätigt, die Authentizität des Materials anlässlich dieser Besichtigung nicht dezidiert bestritten zu haben ...

Letztlich hat Dipl.-Ing. H noch vor der Rundfunkkommission selbst die von ihm aufgestellte Behauptung, dass zumindest ein Teil der Bilder nicht aus seinem Betrieb stammt, relativiert. Hat doch sein Vertreter zu Beginn der Verhandlung vorgebracht, dass sich die Frage stelle, inwieweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Handlanger verbrecherischer Eingriffe gemacht wird, was im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Charakter des Rundfunks stehe. Dieses Vorbringen kann nur dahingehend verstanden werden, dass dem ORF damit ... zum Vorwurf gemacht wird, widerrechtlich bei Dipl.-Ing. H hergestelltes Material gesendet zu haben.

Bleibt eine Darstellung allerdings einseitig, weil der Betroffene trotz Aufforderung eine Stellungnahme verweigert, stellt dies keine Objektivitätsverletzung dar (RFK 18. Dezember 1995 RfR 1997, 6), insbesondere dann nicht, wenn der Betroffene zwar keine 'offizielle Stellungnahme' abgibt, allerdings in der Sendung der bekannte Standpunkt des Betroffenen wiedergegeben wird (vgl. zur Verletzung des Objektivitätsgebots durch Verschweigung einer Stellungnahme des Betroffenen RFK 17. März 1997 RfR 1997, 8).

Selbst wenn man daher den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angenommenen vom ORF hergestellten Zusammenhang zwischen dem strittigen Bildmaterial und der Person des Dipl.-Ing. H als richtig, oder zumindest im Lichte des Art10 EMRK jedenfalls vertretbar, unterstellt, ist damit kein anderer Zusammenhang berichtet worden als der, den Dipl.-Ing. H durch sein Verhalten selbst hergestellt hat. Im angegriffenen Bericht wurde sogar ausdrücklich darauf verzichtet, den nach damaligem Wissensstand auf der Hand liegenden Zusammenhang ausdrücklich herzustellen. Explizit wird von 'anonymem Material' gesprochen und davon, dass die Abgeordnete zum Nationalrat Frau Dr. Madeleine Petrovic nachprüfen wolle, ob diese Aufnahmen aus dem Betrieb des Dipl.-Ing. H stammen. Ein - nach damaligem Wissenstand - unrichtiger Eindruck oder Zusammenhang wurde dem Durchschnittskonsumenten - auf dessen Sicht es bei der Beurteilung der Objektivität einer Sendung ankommt (RFK 16. Juli 1990, RfR 1990, 35) - nicht vermittelt.

Dazu kommt, dass das strittige Bildmaterial schon zuvor der Abgeordneten zum Nationalrat, Frau Dr. Madeleine Petrovic, zugespielt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und Dipl.-Ing. H nach Aussage des Drittbeteiligten C S ... anlässlich der Besichtigung des Materials am 17. April 2000 auch mit der Stellungnahme von Dr. J und den Vorwürfen der Abgeordneten zum Nationalrat Frau Dr. Madeleine Petrovic konfrontiert wurde. Dieser Aussage kommt - was die belangte Behörde ebenfalls übersehen hat - insofern erhöhte Glaubwürdigkeit zu, als C S (obwohl Verfahrenspartei) ausdrücklich unter Wahrheitspflicht vernommen wurde. Die entgegenstehende Aussage des Dipl.-Ing. H ist insoweit weniger glaubwürdig, als dieser aufgrund der Anzeigen der Abgeordneten zum Nationalrat Frau Dr. Madeleine Petrovic ohnehin vom Inhalt ihrer Vorwürfe Kenntnis hatte. Jedenfalls aber hat die belangte Behörde zu all diesen Umständen keinerlei Erwägungen angestellt, was im Ergebnis einer unsachlichen Benachteiligung der Beschwerdeführer und somit einer Gleichheitsverletzung gleichkommt."

5.1. Mit Schreiben vom 22. März 2001 legte die Kommission als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und teilte mit, dass eine Gegenschrift nicht erstattet werde.

5.2. Mit Eingabe vom 28. März 2001 erstattete Dipl.-Ing. M H als beteiligte Partei, eine Äußerung, in der er für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintritt.

5.3. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes wurde auch eine Videoaufzeichnung der strittigen Sendung vorgelegt.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Die Kommission ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug iSd Art144 Abs1 Satz 3 B-VG ist also mit ihrer Anrufung ausgeschöpft (vgl. zB VfSlg. 12.086/1989 mwH).

Den Umständen nach besteht die - für die Beschwerdeberechtigung vor dem Verfassungsgerichtshof essentielle - Möglichkeit, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt wurden (s. gleichfalls VfSlg. 12.086/1989 mwH sowie VfSlg. 14.221/1995).

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Gemäß §2 Abs1 lita RFG hat der ORF durch die Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen unter anderem für die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen durch objektive Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen zu sorgen. Zu Folge §2 Abs2 erster Satz RFG hat der ORF dabei insbesondere auf die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme Bedacht zu nehmen.

3.1. Auf das Wesentliche zusammengefasst beruht die hier bekämpfte bescheidmäßige Feststellung, der ORF habe durch die Ausstrahlung des strittigen Beitrages das Objektivitätsgebot des §2 Abs1 Z1 lita RFG verletzt, allein auf der folgenden, von der belangten Behörde in der Begründung des Bescheides getroffenen Annahme:

Der ORF habe ihm anonym zugegangene Archivbilder, ohne detailliert geprüft zu haben, wo diese aufgenommen wurden, in einem Zusammenhang ausgestrahlt, der für einen unvoreingenommenen Seher insgesamt den Eindruck erwecke, dass sich die Zuchtanstalt der beteiligten Partei illegaler Medikamente bediene und die Tiere in dieser Zuchtanstalt gequält würden.

Daraus zieht die belangte Behörde den folgenden Schluss:

"Dies widerspricht objektiver Berichtspflicht, weil wahrheitswidrig dargestellt wird, dass die in nicht näher überprüftem, anonymen Filmmaterial dargestellten Missstände, den tatsächlichen Gegebenheiten in der Zuchtanstalt des Beschwerdeführers (der nunmehr beteiligten Partei des verfassungsgerichtlichen Verfahrens) entsprechen."

3.2. Dagegen bringen die Beschwerdeführer aber überhaupt nichts vor. Sie argumentieren vielmehr im Wesentlichen damit, dass die - der Kommission zu unterstellende - Auffassung, der zu Folge die Ausstrahlung "anonymen und nicht ausreichend überprüften Filmmaterials" generell unzulässig sei, gegen Art10 EMRK verstoße. Diese Argumentation geht aber insoweit ebenso ins Leere wie das Beschwerdevorbringen, die Kommission habe zur Frage, ob das in Rede stehende Bildmaterial im Betrieb der beteiligten Partei aufgenommen worden sei oder nicht, die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Gründe nicht mit jenen abgewogen, die die beteiligte Partei vorgebracht habe; das Verfahren vor der Kommission sei daher mangelhaft gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof hält die dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegende Auffassung, dass das in Rede stehende Filmmaterial "in identifizierender Weise", also in einem Zusammenhang ausgestrahlt worden sei, der für einen unvoreingenommenen Seher insgesamt den Eindruck erwecke, dass sich die Zuchtanstalt der beteiligten Partei illegaler Medikamente bediene und die Tiere in dieser Zuchtanstalt gequält würden, sowohl im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Meinungsfreiheit als auch unter dem Aspekt des aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Willkürverbotes für vertretbar. Dass das Objektivitätsgebot gemäß §2 Abs1 lita und Abs2 RFG - auch bei verfassungskonformer Deutung - eine Berichterstattung durch den ORF ausschließt, in der - so wie hier - nicht entsprechend geprüftes Filmmaterial in identifizierender Weise ausgestrahlt wird, liegt auf der Hand. Ebensowenig ist der Kommission entgegenzutreten, wenn sie auf Grund des von ihr - ordnungsgemäß - durchgeführten Ermittlungsverfahrens zur Auffassung gelangte, strittiges Filmmaterial sei im Rahmen der in Rede stehenden Sendung (in besagter identifizierender Weise) ausgestrahlt worden, ohne dass geprüft worden wäre, ob die Archivbilder im Betrieb der beteiligten Partei aufgenommen wurden; dabei konnte sich die Kommission nämlich insbesondere auch auf das Ergebnis der Einvernahme des Drittbeschwerdeführers stützen, der angab, es sei seine "persönliche Meinung", dass das Bildmaterial vom Betrieb des Beschwerdeführers stamme, seitens des ORF habe dies jedoch "nicht verifiziert" werden können.

3.3. Ausgehend davon, erachtet der Verfassungsgerichtshof die Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid nicht in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsfreiheit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3.4. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden wären.

3.5. Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet, sie war daher abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG; in den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von Euro 376,05 enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunk, Beschwerdeverfahren, Objektivitätsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B54.2001

Dokumentnummer

JFT_09979696_01B00054_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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