TE Vwgh Beschluss 2006/6/1 AW 2006/07/0006

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Veröffentlicht am 01.06.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
14/01 Verwaltungsorganisation;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 2002 §31 Abs2 Z2;
VerpackV 1996 §11;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der A GmbH, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 13. Februar 2006, Zl. BMLFUW-UW.2.1.16/0011- VI/6/2006, betreffend aufsichtsbehördliche Maßnahme, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei ist Betreiberin eines Sammel- und Verwertungssystems im Sinne des § 11 der Verpackungsverordnung 1996.

Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 13. Februar 2006 wurde die beschwerdeführende Partei gemäß § 31 Abs. 2 Z. 2 AWG 2002 verpflichtet, "den verordnungskonformen Zustand durch die Auflösung der passiven Rechnungsabgrenzung für Nachlaufmengen zum nächstmöglichen Bilanzstichtag ehestbaldig herzustellen" und die Einhaltung dieser Verpflichtung dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachzuweisen.

In der Begründung heißt es, der Aufsichtsbehörde sei bekannt geworden, dass beim System der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich der Erfassung und Verwertung von Nachlaufmengen finanzielle Vorsorge in Form einer passiven Rechnungsabgrenzung getroffen worden sei. Als Nachlaufmaterial werde jenes Verpackungsmaterial verstanden, welches während der ordnungsgemäßen Tätigkeit eines Systems lizenziert werde, das jedoch erst nach Ablauf der Genehmigung des Systems oder nach Auslaufen der Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung oder nach Ablauf einer Bilanzierungsperiode anfalle. Die Bildung einer passiven Rechnungsabgrenzung für solche Nachlaufmengen sei - wie sich aus einem Gutachten des Expertengremiums gemäß § 33 AWG ergebe, unzulässig.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde beantragt die beschwerdeführende Partei die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Sie begründet dies damit, dass einer solchen Zuerkennung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden.

Öffentliche Interessen sprächen vielmehr für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Wäre die beschwerdeführende Partei gezwungen, zum nächstmöglichen Bilanzstichtag ihre passive Rechnungsabgrenzung aufzulösen und als Folgewirkung den buchmäßigen Ertrag durch unter den Kosten liegende Tarife an die Lizenznehmer weiterzugeben, wäre sie nach gänzlichem Abfluss der entsprechenden liquiden Mittel in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht und mit ihr auch die bestehende Altglasentsorgung in Österreich. Dies deshalb, weil dann entstehende Verluste aus der Sammlung und Verwertung von Nachlaufmengen nicht mehr gedeckt wären, sofern diese Kosten nicht in einem (erhöhten) Tarif berücksichtigt werden könnten.

Auch sonstige öffentliche Interessen stünden einem Aufschub des Vollzugs nicht entgegen.

Eine sofortige Auflösung der passiven Rechnungsabgrenzung würde zu einer entsprechenden Tarifsenkung für die Lizenzpartner führen. Diese seien durchwegs rein private Unternehmen und stünden nicht im Eigentum der öffentlichen Hand. Die einzelnen Letztverbraucher würden von einer solchen Tarifsenkung wirtschaftlich nicht profitieren. Auch sonst seien mit einem sofortigen Vollzug des Bescheides keine Vorteile für eine andere Person verbunden.

Die Beibehaltung einer passiven Rechnungsabgrenzung liege aber im öffentlichen Interesse. Dies vor allem dann, wenn das Sammelsystem durch ein anderes ersetzt werden sollte.

Mit dem sofortigen Vollzug des Bescheides wäre für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden. Sie sei schuldrechtlich dem Non-profit-Prinzip verpflichtet und werde nach einer der Auflösung der passiven Rechnungsabgrenzung folgenden entsprechenden Tarifsenkung nicht mehr in der Lage, im Falle eines Erfolges ihrer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde eine solche passive Rechnungsabgrenzungspost in einer handelsrechtlich gebotenen Weise und Höhe ohne Ausweis einer buchmäßigen Überschuldung neu aufzubauen. Die Tarifkalkulation würde dies nicht zulassen. Der Vollzug des Bescheides würde insofern eine irreversible und die beschwerdeführende Partei in ihrem wirtschaftlichen Fortbestand bedrohende Situation schaffen.

Die Auflösung der passiven Rechnungsabgrenzung und deren Verbrauch im Wege einer nachfolgenden Tarifsenkung würde zu einem Abfluss entsprechender liquider Mittel führen, der bereits im Zuge dieses Prozedere, jedenfalls aber nach dem Ende des gänzlichen Abbaues existenzbedrohende Risiken auslöse. Gerade angesichts des überwundenen Ausgleichs der beschwerdeführenden Partei wäre der sofortige Vollzug des Bescheides eine unbillige Härte.

Die belangte Behörde hat sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen. Sie bestreitet die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, dass bei Auflösung der passiven Rechnungsabgrenzung entstehende Verluste aus der Sammlung und Verwertung von Nachlaufmengen nicht mehr gedeckt wären.

Weiters führt die belangte Behörde an, es entspreche nicht der Praxis des Wirtschaftslebens, dass die Letztverbraucher von einer Tarifsenkung nicht profitierten.

Aus einem Rechtsübergang an einen neuen Betreiber könne nicht geschlossen werden, dass zwingend alle nicht verbrauchten Mittel aus der Sammlung auf ein neues System zu übertragen wären.

Durch die Bildung einer passiven Rechnungsabgrenzung für Nachlaufmaterial komme es zu einer nicht den rechtlichen Grundlagen entsprechenden Tarifberechnung. Die bei Stattgebung der aufschiebenden Wirkung und Abweisung der Beschwerde erforderliche rückwirkende Erstattung ungerechtfertigter Lizenzgebühren würde sich als äußerst schwer administrierbar gestalten. Dies könne auch nicht im Interesse der beschwerdeführenden Partei gelegen sein.

Entgegen der Behauptung der beschwerdeführenden Partei sei aus Gründen des von dieser selbst angeführten Non-profit-Prinzips sowie des rechtlich vorgegebenen Umlageprinzips nicht anzunehmen, dass die beschwerdeführende Partei nach einer der Auflösung der passiven Rechnungsabgrenzung folgenden Tarifsenkung nicht mehr in der Lage wäre, im Falle einer stattgebenden Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof eine solche passive Rechnungsabgrenzung ohne Ausweis einer buchmäßigen Überschuldung neu aufzubauen. Sowohl die Bildung wie auch die Auflösung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten könne und müsse über relevante Zeiträume in einer entsprechend angepassten Tarifstruktur ausgeglichen werden. Eine kurzfristige Belastung des Systems bis zum Wirksamwerden der Tarifanpassung könne die beschwerdeführende Partei nicht in ihrem wirtschaftlichen Fortbestand bedrohen.

Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Aus dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten Argument, die bei Stattgebung der aufschiebenden Wirkung und Abweisung der Beschwerde erforderliche rückwirkende Erstattung ungerechtfertigter Lizenzgebühren würde sich als äußerst schwer administrierbar gestalten, was nicht im Interesse der beschwerdeführenden Partei gelegen sein könne, ist - ohne dass noch zu untersuchen ist, ob eine solche Rückabwicklung überhaupt stattzufinden hat - kein zwingendes öffentliches Interesse abzuleiten, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünde.

Es bleibt also eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Warum die von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführten Nachteile nicht eintreten sollten, wird von der belangten Behörde nicht näher erläutert. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass solche Nachteile möglich sind. Dem stehen keine gegenläufigen Interessen gegenüber, die das aufwiegen würden.

Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher stattzugeben.

Wien, am 1. Juni 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Diverses Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:AW2006070006.A00

Im RIS seit

11.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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