TE Vwgh Beschluss 2006/6/12 AW 2006/04/0012

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Veröffentlicht am 12.06.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §78 Abs1;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der B AG, vertreten durch Mag. W, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Februar 2006, Zl. Senat-AB-05-0002, betreffend Betriebsanlagengenehmigung (mitbeteiligte Parteien: 1. M, 2. A und

3. Dr. L, alle vertreten durch Dr. C, Mag. M, Dr. K, Dr. H, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt), erhobenen und zur hg. Zl. 2006/04/0045 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 15. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführerin die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage zur Erzeugung von Wärme und elektronischem Strom aus nachwachsenden Rohstoffen an einem näher bezeichneten Standort erteilt. Einwände und Anträge der mitbeteiligten Parteien wurden als unzulässig zurückgewiesen, der weitere Einwand des Erstmitbeteiligten, die Behörde sei unzuständig, wurde als unzulässig zurückgewiesen, seine inhaltlichen Einwendungen wurden abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen der Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos. Begründend führte sie (zusammengefasst) aus, der Zweit- und die Drittmitbeteiligte seien Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994, da ihr dauernder Aufenthalt im möglichen Immissionsbereich der gegenständlichen Betriebsanlage liege. Die Zurückweisung ihrer Einwände sei daher zu Unrecht erfolgt und dieser Spruchteil des erstinstanzlichen Bescheides jedenfalls ersatzlos zu beheben gewesen. Da eine Trennbarkeit der Zurückweisung der Einwände des Zweit- und der Drittmitbeteiligten einerseits und die Erteilung der Genehmigung der Errichtung und des Betriebes der Betriebsanlage andererseits nicht möglich sei und die Zurückweisung der Einwendungen zu Unrecht erfolgt sei, seien auch die Genehmigung und die übrigen Spruchteile ersatzlos zu beheben gewesen.

2. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde wurde mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Darin wird vorgebracht, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen. Auf Grund der vorliegenden Amtsgutachten werde die Genehmigung für die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage jedenfalls erteilt werden. Durch die nunmehrige ersatzlose Behebung würde sich dies so lange Zeit hinauszögern, dass die Beschwerdeführerin um Subventionen in der Höhe von 1 bis 1,3 Mio. Euro umfallen und die aufgelaufenen Projektkosten in Höhe von ca. EUR 150.000,-- nutzlos würden. Diese Einbuße wäre für das Unternehmen der Beschwerdeführerin ruinös. Auch fiele für die Landwirtschaft in dieser Region eine gesicherte Einnahmequelle hinsichtlich eines Teiles ihrer Produktion weg. Das Ökostromgesetz sehe für Anlagen, die bis Ende 2004 genehmigt worden seien und bis Ende 2007 in Betrieb gingen, vor, dass diese in den Genuss der "alten" Einspeiseregelung kämen. Seit 1. Jänner 2005 gebe es keine gültige Einspeiseregelung.

Die belangte Behörde spricht sich in ihrer Gegenschrift gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit der Begründung aus, eine inhaltliche Beurteilung der tatsächlichen Gefährdung bzw. Belästigung der Parteien sei nicht erfolgt.

Die mitbeteiligten Parteien sprechen sich in ihrer Stellungnahme gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und bringen mit näherer Begründung vor, der bekämpfte Bescheid sei einer aufschiebenden Wirkung nicht zugänglich und es könne mit der aufschiebenden Wirkung nach ständiger Rechtsprechung niemals mehr erreicht werden als mit der Beschwerde selbst.

3. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof einer an ihn gerichteten Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Bei der Entscheidung über einen auf § 30 Abs. 2 VwGG gestützten Antrag einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch nicht zu prüfen. Vielmehr ist in diesem Stadium des Verfahrens auf der Grundlage des Bescheides zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegeben sind.

4. Entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Parteien ist der angefochtene Bescheid einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich:

Gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994 dürfen Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Bescheides über die Berufung gegen den Genehmigungsbescheid, spätestens jedoch drei Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmigungswerber.

Mit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides hatte die Beschwerdeführerin demnach das Recht, die Anlage entsprechend dem noch nicht rechtskräftigen Genehmigungsbescheid zu errichten und zu betreiben. Dieses Recht hat mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides geendet. Mit diesem Bescheid sind daher Wirkungen verbunden, die durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sistiert werden können. Die Vollzugstauglichkeit im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG ist daher zu bejahen.

Auch durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird die Beschwerdeführerin nicht besser gestellt als im Falle des Obsiegens im Beschwerdeverfahren, befindet sich doch nach Aufhebung des Berufungsbescheides die Rechtssache wieder im Stadium des Berufungsverfahrens, in dem sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Errichtung und des Betriebes wiederum auf § 78 Abs. 1 GewO 1994 berufen kann.

Da ein unverhältnismäßiger Nachteil der Beschwerdeführerin nach dem Antragsvorbringen anzunehmen ist, war dem Antrag stattzugeben.

Wien, am 12. Juni 2006

Schlagworte

Begriff der aufschiebenden Wirkung Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Unverhältnismäßiger Nachteil Vollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:AW2006040012.A00

Im RIS seit

11.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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