TE Vfgh Erkenntnis 2002/3/7 WII-2/01

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Veröffentlicht am 07.03.2002
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art117 Abs5
B-VG Art141 Abs1 lite
Oö GemeindeO 1990 §30, §31

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im passiven Wahlrecht durch neuerliche Aberkennung eines Gemeindevorstandsmandates, diesmal aufgrund eines Misstrauensantrages; keine Rechtskraft der früheren, vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärten Mandatsaberkennung in Bezug auf den nunmehr angefochtenen Mandatsverlust; von einem allgemeinen Vertretungskörper empfangene Mandate vom Schutz des passiven Wahlrechts nicht umfasst

Spruch

Der Anfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5.3.2001 wurde der Anfechtungswerber seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes und als Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen der Gemeinde Hofkirchen im Mühlkreis (im Folgenden: Hofkirchen) für verlustig erklärt.

Der sich im Wesentlichen auf §30 Abs3 litb Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990 (GemO), LGBl. 1990/91, idF 2000/7, (Eintritt oder nachträgliches Bekanntwerden eines Umstandes, der die Wählbarkeit in den Gemeindevorstand gehindert hätte) stützende Bescheid wurde vom Anfechtungswerber beim Vefassungsgerichtshof bekämpft, und zwar insoweit er seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes für verlustig erklärt wurde (die Anfechtung vom 24.4.2001, beim Verfassungsgerichtshof protokolliert zu Z WII-1/01, führte - mit Erkenntnis vom heutigen Tag - zur Aufhebung dieses Bescheides).

1.2.1. In der Folge wurde der Anfechtungswerber mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25.10.2001 abermals seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes der Gemeinde Hofkirchen für verlustig erklärt, und zwar wegen Abberufung auf Grund eines Misstrauensantrages (§31 Abs1 GemO).

Dieser Bescheid (vom 25.10.2001) wurde wie folgt begründet:

"Herr F K wurde bei der am 5. Oktober 1997 stattgefundenen Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis auf der Liste der Österr. Volkspartei in den Gemeinderat und in dessen konstituierender Sitzung vom 17. Oktober 1997 von den der Österr. Volkspartei angehörenden Mitgliedern des Gemeinderates der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis zum Mitglied des Gemeindevorstandes gewählt.

Mit einem beim Gemeindeamt der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis am 6. Juli 2001 eingelangten Schreiben hat die ÖVP Gemeinderatsfraktion im Gemeinderat der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis gegen das Mitglied des Gemeindevorstandes, Herrn F K, einen Misstrauensantrag eingebracht. Der Misstrauensantrag ist von zehn Mitgliedern der ÖVP-Gemeinderatsfraktion unterfertigt. In der Gemeinderatssitzung vom 17. Juli 2001 wurde vom Gemeinderat der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis über den Misstrauensantrag in geheimer Abstimmung Beschluss gefasst. Der gegen Herrn F K eingebrachte Misstrauensantrag wurde mit zehn Stimmen bei einer Gegenstimme angenommen. Gemäß §31 Abs1 Oö. GemO. 1990 können der Bürgermeister, die Vizebürgermeister und die übrigen Vorstandsmitglieder von ihrem Mandat im Gemeindevorstand auf Grund eines Misstrauensantrages abberufen werden. Der Misstrauensantrag kann gemäß §31 Abs2 Oö. GemO. 1990 von jenen Mitgliedern des Gemeinderates gestellt werden, die bei der Wahl des betreffenden Mitgliedes des Gemeindevorstandes stimmberechtigt waren. Ist ein solches Mitglied verhindert oder inzwischen ausgeschieden, so ist an seiner Stelle das Ersatzmitglied bzw. das nachberufene Mitglied antragsberechtigt. Der Misstrauensantrag ist schriftlich einzubringen und zu begründen; er ist gültig, wenn er von wenigstens zwei Dritteln der Antragsberechtigten unterschrieben ist. Das Mitglied des Gemeindevorstandes, auf das sich der Antrag bezieht, ist weder antrags- noch unterschriftsberechtigt. Über einen nach den vorstehenden Bestimmungen gültig eingebrachten Misstrauensantrag ist gemäß §31 Abs3 Oö. GemO. 1990 in der nächsten Sitzung des Gemeinderates, die spätestens binnen acht Wochen anzuberaumen ist, in geheimer Abstimmung Beschluss zu fassen. Für diesen Beschluss ist die Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmberechtigten erforderlich. Hiebei sind jene Mitglieder des Gemeinderates stimmberechtigt, die gemäß §31 Abs2 Oö. GemO. 1990 zur Stellung des Misstrauensantrages berufen sind.

Den Verlust des Mandates eines Mitgliedes des Gemeindevorstandes hat gemäß §31 sowie §30 Abs3 litd und Abs4 in Verbindung mit §23 Abs2 Oö. GemO. 1990 die Landesregierung in einem von Amts wegen abzuführenden Verfahren mit Bescheid auszusprechen. Die Ermittlungen, ob im vorliegenden Fall der Mandatsverlusttatbestand nach §31 in Verbindung mit §30 Abs3 litd Oö. GemO. 1990 erfüllt ist, haben Folgendes ergeben:

Herr F K wurde in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis am 17. Oktober 1997 von den der Österr. Volkspartei angehörenden Mitgliedern des Gemeinderates in Fraktionswahl gemäß §26 Abs3 Oö. GemO. 1990 zum Mitglied des Gemeindevorstandes gewählt. Die ÖVP-Gemeinderatsfraktion im Gemeinderat der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis hat am 20. Juni 2001 - eingelangt beim Marktgemeindeamt Hofkirchen im Mühlkreis am 6. Juli 2001 - einen schriftlichen Misstrauensantrag eingebracht. Der Misstrauensantrag ist begründet 'auf Grund des Wechsels von der ÖVP zu den Grünen sieht die Fraktion Österreichische Volkspartei ihr Vertrauensverhältnis zum Mandatar nicht mehr in einer solchen Weise gegeben, dass Herr F K ein Gemeindevorstandsmandat für die ÖVP Hofkirchen ausüben kann' und von zehn der dreizehn Mitglieder der ÖVP-Gemeinderatsfraktion der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis unterfertigt. Da Herr F K von den Mitgliedern der ÖVP-Gemeinderatsfraktion in Fraktionswahl in den Gemeindevorstand gewählt wurde und dem Gemeinderat der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis auf Grund der Gemeinderatswahl vom 5. Oktober 1997 13 Mitglieder der ÖVP-Gemeinderatsfraktion angehören, von denen somit gemäß §31 Abs2, letzter Satz, Oö. GemO. 1990 12 antrags- und unterschriftsberechtigt sind, enthält er auch die nötige Anzahl der Unterschriften. Der Misstrauensantrag vom 20. Juni 2001 ist daher ein gültiger Misstrauensantrag im Sinne des §31 Abs2 Oö. GemO. 1990.

Der Gemeinderat der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis hat über den Misstrauensantrag vom 20. Juni 2001 in der Sitzung des Gemeinderates am 17. Juli 2001 Beschluss gefasst. Dabei handelt es sich um die nächste Sitzung des Gemeinderates nach Einbringung des Misstrauensantrages. An der Abstimmung, die geheim mit Stimmzettel vorgenommen wurde, haben elf Mitglieder der ÖVP-Gemeinderatsfraktion - Herr F K war nicht stimmberechtigt und A M ist unentschuldigt der Gemeinderatssitzung fern geblieben - ,somit sämtliche stimmberechtigte Gemeinderatsmitglieder, teilgenommen. Die Abstimmung ergab 10:1 Stimmen für die Annahme des Misstrauensantrages. Der Misstrauensantrag ist somit in der Gemeinderatssitzung am 17. Juli 2001 mit der gemäß §31 Abs3 Oö. GemO. 1990 erforderlichen Mehrheit der Stimmberechtigten angenommen (beschlossen) worden.

Mit Schreiben vom 26. Juli 2001 ... wurde Herrn F K Gelegenheit gegeben, zu diesem Sachverhalt binnen vier Wochen eine Äußerung abzugeben. Mit Schreiben vom 22. August 2001 hat Herr F K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B W, im Wesentlichen mitgeteilt, dass die Aberkennung des Mandates als Gemeindevorstandsmitglied rechtlich unzulässig sei, da er bereits mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 5. März 2001 seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes für verlustig erklärt wurde. Er habe diesen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof und auch beim Verwaltungsgerichtshof angefochten. Das anhängige Verfahren beim Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof, bzw. der rechtskräftige Entzugsbescheid, stelle ein Hindernis für ein neuerliches Verfahren dar. Schließlich habe die Erstbehörde ihren alten Bescheid noch nicht behoben und sei dieser nach wie vor existent, auch wenn er nicht in die Wirklichkeit umgesetzt werden könne.

Hierüber wird Folgendes erwogen:

Mit Bescheid ... vom 5. März 2001 wurde Herr F K seines Mandats als Mitglied des Gemeindevorstandes und als Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen infolge Parteiaustritt gemäß §30 Abs3 litb in Verbindung mit §23 Abs2 für verlustig erklärt. Dieser Bescheid wurde beim Verfassungsgerichtshof und auch beim Verwaltungsgerichtshof angefochten, eine Entscheidung wurde bisher aber noch nicht gefällt. Da die Anfechtung gemäß §71 a Abs3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hat, ist F K weiterhin Mitglied des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis.

        Der Bescheid ... vom 5. März 2001 betreffend den

Mandatsverlust ... als Mitglied des Gemeindevorstandes und als Obmann

des Ausschusses für örtliche Umweltfragen infolge Parteiaustritt gemäß §30 Abs3 litb in Verbindung mit §23 Abs2 stellt kein Hindernis für ein neuerliches Verfahren dar, weil es sich hier nicht um ein neuerliches Verfahren hinsichtlich des Mandatsverlusttatbestandes 'Parteiaustritt', sondern um den Mandatsverlusttatbestand 'Abberufung infolge Misstrauensantrag' handelt.

Da im vorliegenden Fall ein im Sinn des §31 Abs2 Oö. GemO. 1990 gültiger Misstrauensantrag gegen das Gemeindevorstandsmitglied Herrn F K eingebracht worden ist und der Misstrauensantrag in der Gemeinderatssitzung am 17. Juli 2001 mit der gemäß §31 Abs3 Oö. GemO 1990 erforderlichen Mehrheit angenommen wurde, ist der Mandatsverlusttatbestand der Abberufung nach §30 Abs3 litd Oö. GemO. 1990 verwirklicht. Herr F K war daher seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis verlustig zu erklären.

Es wird darauf hingewiesen, dass durch den Verlust des Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes infolge Abberufung gemäß §30 Abs5 Oö. GemO. 1990 das Mandat als Mitglied des Gemeinderates der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis nicht berührt wird."

1.2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, von einem Rechtsanwalt eingebrachte und der Sache nach auf Art141 Abs1 lite B-VG gestützte Eingabe des Anfechtungswerbers vom 11.12.2001, in der die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Im Antrag finden sich die folgenden Ausführungen:

"Am 5. Oktober 1997 fand die Gemeinderatswahl in der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis statt. Der Anfechtungswerber war Kandidat auf der Liste der Österreichischen Volkspartei für den Gemeinderat. Er wurde als Gemeinderatsmitglied angelobt und in der Gemeinderatssitzung vom 17.10.1997 zum Mitglied des Gemeindevorstandes gewählt. In weiterer Folge beendete er seine Mitgliedschaft zur ÖVP Oberösterreich, was von der Marktgemeinde Hofkirchen mit Schreiben vom 27.6.2000 der Oberösterreichischen Landesregierung mitgeteilt wurde. Auch die Landesparteileitung der ÖVP Oberösterreich gab dies mit Schreiben vom 15.1.2001 der Oberösterreichischen Landesregierung bekannt.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5.3.2001 wurde der Anfechtungswerber seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes und als Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen für verlustig erklärt.

Mit Anfechtung vom 24.4.2001 bekämpfte er beim Verfassungsgerichtshof den Bescheid, mit dem er des Mandates als Gemeindevorstandsmitglied für verlustig erklärt wurde. Mit Schreiben des Verfassungsgerichtshofes vom 25.6.2001 übermittelte der Verfassungsgerichtshof der Oberösterreichischen Landesregierung die Anfechtung des Bescheides.

In der Gegenschrift vom 17.7.2001 beantragte die Oberösterreichische Landesregierung den Anfechtungsantrag als unzulässig zurückzuweisen bzw. als unbegründet abzuweisen. Zwischen 26.3.2001 und der Einbringung der Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof Ende April 2001 war der Anfechtungswerber von der Ausübung seines Mandates im Gemeindevorstand ausgeschlossen. Seit der Verfahrenseinleitung zu WII-1/01 übte er sein Mandat wieder aus, bis es ihm nunmehr mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25.10.2001, zugestellt am 8.11.2001, ein zweites Mal aberkannt wurde.

Die Gemeinderatsfraktion, der der Anfechtungswerber angehört, brachte einen schriftlichen Mißtrauensantrag ein. Die Begründung lautete, daß aufgrund des Wechsels von der ÖVP-Landesorganisation zu einer anderen Partei das Vertrauensverhältnis hinsichtlich der Gemeindevorstandstätigkeit nicht mehr gegeben wäre.

Die Abstimmung ergab 10: 1 Stimmen für die Annahme des Mißtrauensantrages. Die Oberösterreichische Landesregierung erkannte einen neuen Mandatsverlusttatbestand und erließ den bekämpften Bescheid.

...

Aus prozessualer Vorsicht und weil ein administrativer Instanzenzug von der Oberösterreichischen Landesregierung an eine weitere Instanz nicht vorgesehen ist, bekämpft der Anfechtungswerber den streitgegenständlichen Bescheid. Er fühlt sich in seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Ausübung seines Mandates, das er aufgrund der aufschiebenden Wirkung seiner letzten Anfechtung ausübt, verletzt.

...

In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertritt die Oberösterreichische Landesregierung die Rechtsansicht, daß der Bescheid vom 5.3.2001 kein Hindernis für ein neuerliches Verfahren darstelle. Es liege ein neuer Sachverhalt vor. Dabei übersieht die OÖ. Landesregierung allerdings, daß dem Anfechtungswerber das Mandat bereits entzogen wurde, der Entziehungsbescheid allerdings noch nicht vollstreckt werden kann, weil eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof anhängig ist. Die Oberösterreichische Landesregierung kann eine erledigte Sache nicht neuerlich entscheiden. Das erledigte Entzugsverfahren ist unwiederholbar. Ein bereits entzogenes Mandat der Funktion eines Gemeindevorstandsmitgliedes kann nicht abermals entzogen werden. Erst nach einer neuerlichen Wahl zum Mitglied des Gemeindevorstandes könnte wiederum ein Mandatsverlusttatbestand eintreten. Eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes ist nicht eingetreten. Die OÖ. Landesregierung knüpft immer an meinen Parteiaustritt an.

Ergeht in der selben Sache, die unanfechtbar und unwiderrufen entschieden wurde, eine neue Entscheidung, so ist diese inhaltlich rechtswidrig, verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter..."

1.2.3. Die Oberösterreichische Landesregierung als belangte Behörde erstattete unter Vorlage der bezughabenden Akten eine Gegenschrift, in der Folgendes ausgeführt wird:

"Unbestritten ist im Verfahren geblieben, dass F K bei der am 5. Oktober 1997 stattgefundenen Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis auf der Liste der Österreichischen Volkspartei in den Gemeinderat sowie in der Gemeinderatssitzung vom 17. Oktober 1997 zum Mitglied des Gemeindevorstandes gewählt wurde, und dass F K infolge Parteiaustritt gemäß §30 Abs3 litb in Verbindung mit §23 Abs2 der Oö. Gemeindeordnung 1990 seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes für verlustig erklärt wurde.

Da dieser Bescheid beim Verfassungsgerichtshof und auch beim Verwaltungsgerichtshof angefochten, eine Entscheidung bisher aber noch nicht gefällt wurde, ist F K weiterhin Mitglied des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis, da die Anfechtung gemäß §71 a Abs3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hat.

Gegen das Mitglied des Gemeindevorstandes F K wurde am 20. Juni 2001 von den dazu berechtigten Mitgliedern des Gemeinderates ein Misstrauensantrag eingebracht, über den in der Sitzung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis vom 17. Juli 2001 Beschluss gefasst wurde.

Die Beschwerde richtet sich im Grunde dagegen, dass dem Anfechtungswerber das Mandat (infolge Parteiaustritt) bereits entzogen worden sei, der Entziehungsbescheid allerdings noch nicht vollstreckt werden könne, weil eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof anhängig sei und die Oö. Landesregierung eine erledigte Sache nicht neuerlich entscheiden könne.

Im Besonderen fühle sich der Beschwerdeführer in seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Ausübung seines Mandates, das er auf Grund der aufschiebenden Wirkung seiner letzten Anfechtung ausübt, verletzt.

...

Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers, dass die Oö. Landesregierung immer an den (seinerzeitigen) Parteiaustritt anknüpfe, darf ausgeführt werden, dass der von der ÖVP-Gemeinderatsfraktion eingebrachte Misstrauensantrag zwar mit dem 'Parteiaustritt' ... begründet wurde, es der belangten Behörde jedoch lediglich obliegt, zu untersuchen, ob sowohl der Misstrauensantrag als auch der darüber im Gemeinderat gefasste Beschluss entsprechend den dafür maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zustande gekommen sind. Diesbezüglich darf auch auf den Bericht des Ausschusses des Oö. Landtages für allgemeine innere Angelegenheiten zur Gemeindewahlordnung 1961, Beilage 376/1961, zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. Landtages (XVIII. GP.) hingewiesen werden: 'Die Landesregierung ist dabei an den Beschluss des Gemeindeausschusses (jetzt Gemeinderates) gebunden, sofern dieser gesetzmäßig zu Stande gekommen ist'. Eine weitere inhaltliche Überprüfung durch die Landesregierung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 9. Juni 1992, W II-1-92-6, B689/91-6, dazu unter anderem ausgeführt, dass die Landesregierung zutreffend erkannt habe, dass in dem der Beschlussfassung über einen Misstrauensantrag nachfolgenden Administrativverfahren zum Ausspruch des Mandatsverlustes (§23 Abs2 Oö. Gemeindeordnung 1990) den (politischen) Motiven der antragsberechtigten Mitglieder des Gemeinderates nicht weiter nachzuforschen ist.

        Die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass dem

Anfechtungswerber das Mandat bereits entzogen worden sei (infolge

Parteiaustritt), der Entziehungsbescheid allerdings noch nicht

vollstreckt werden könne, weil eine Anfechtung beim

Verfassungsgerichtshof anhängig sei und daher die Oö. Landesregierung

eine erledigte Sache nicht neuerlich entscheiden könne, gehen

insofern ins Leere, weil es sich beim Bescheid ... vom 5. März 2001

um den Mandatsverlust ... als Mitglied des Gemeindevorstandes infolge

Parteiaustritt gemäß §30 Abs3 litb in Verbindung mit §23 Abs2 handelt

und F K anschließend mit Bescheid ... vom 25. Oktober 2001 infolge

eines Misstrauensantrages im Sinn des §31 Abs2 Oö. Gemeindeordnung 1990 seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Hofkirchen im Mühlkreis verlustig wurde. Da es sich hierbei also nicht um ein neuerliches Verfahren hinsichtlich des Mandatsverlusttatbestandes 'Parteiaustritt' sondern um den Mandatsverlusttatbestand 'Abberufung infolge Misstrauensantrag' handelte, war Herr F K seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes verlustig zu erklären.

..."

Abschließend wird beantragt, die Anfechtung als unbegründet abzuweisen, weil der Anfechtungswerber durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei.

1.3. Die hier vor allem maßgeblichen Bestimmungen der §§30 und 31 GemO haben folgenden Wortlaut:

"§30

Erledigung des Mandates eines Mitgliedes des Gemeindevorstandes

(1) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeindevorstandes wird erledigt:

a) durch Mandatsverzicht (Abs2);

b) durch Mandatsverlust (Abs3).

(2) Ein Mitglied des Gemeindevorstandes kann auf sein Mandat verzichten. Der Verzicht ist schriftlich zu erklären und wird mit dem Einlangen beim Gemeindeamt wirksam.

(3) Ein Mitglied des Gemeindevorstandes wird seines Mandates verlustig:

a) mit dem Enden seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates;

b) wenn bei ihm ein Umstand eintritt, der seine Wählbarkeit in den Gemeindevorstand gehindert hätte, oder wenn ein solcher Umstand nachträglich bekannt wird;

c) wenn es die Angelobung nicht in der im §24 Abs4 vorgeschriebenen Weise leistet;

d) durch Abberufung (§31 und §31a);

e) durch Amtsverlust (§61 Abs4).

(4) Der Verlust des Mandates tritt im Falle des Abs3 lita von Gesetzes wegen ein. In den Fällen des Abs3 litb bis d gilt §23 Abs2 (Den Verlust des Mandates hat die Landesregierung in einem von Amts wegen abzuführenden Verfahren mit Bescheid auszusprechen...) sinngemäß.

(5) Das Mandat als Mitglied des Gemeinderates wird durch die Erledigung des Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes - ausgenommen den Fall des Abs3 lita - nicht berührt."

"§31

Abberufung von Mitgliedern des Gemeindevorstandes

(1) Der Bürgermeister, die Vizebürgermeister und die weiteren Vorstandsmitglieder können von ihrem Mandat im Gemeindevorstand auf Grund eines Mißtrauensantrages abberufen werden. Die Abberufung eines direkt gewählten Bürgermeisters bedarf zusätzlich der Bestätigung durch eine Volksabstimmung (§31a).

(2) Ein Mißtrauensantrag gegen den Bürgermeister kann von den Mitgliedern des Gemeinderates gestellt werden. Ein Mißtrauensantrag gegen die übrigen Vorstandsmitglieder kann von jenen Mitgliedern des Gemeinderates gestellt werden, die bei der Wahl des betreffenden Vorstandsmitgliedes stimmberechtigt waren; ist ein solches Mitglied verhindert oder inzwischen ausgeschieden, ist an seiner Stelle das Ersatzmitglied bzw. das nachberufene Mitglied antragsberechtigt. Der Mißtrauensantrag ist schriftlich einzubringen und zu begründen; er ist gültig, wenn er von wenigstens zwei Drittel der Antragsberechtigten unterschrieben ist. Das Mitglied des Gemeindevorstandes, auf das sich der Antrag bezieht, ist weder antrags- noch unterschriftsberechtigt.

(3) Über einen nach Abs2 eingebrachten Mißtrauensantrag ist in der nächsten Sitzung des Gemeinderates, die spätestens binnen acht Wochen anzuberaumen ist, in geheimer Abstimmung Beschluß zu fassen. Für diesen Beschluß ist die Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmberechtigten erforderlich. Stimmberechtigt sind jene Mitglieder des Gemeinderates, die gemäß Abs2 zur Stellung des Mißtrauensantrages berufen sind.

..."

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß Art141 Abs1 lite B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über die Anfechtung von Bescheiden, durch die der Verlust eines Mandates in einem mit der Vollziehung betrauten Organ einer Gemeinde (Gemeindevorstand) ausgesprochen wurde, soweit in den die Wahlen regelnden Bundes- oder Landesgesetzen die Erklärung des Mandatsverlustes durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde vorgesehen ist.

Nach §71a Abs1 VfGG kann die Anfechtung des Bescheides einer Verwaltungsbehörde, mit dem der Verlust der Funktion in einem Gemeindevorstand ausgesprochen wird, nur nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides erhoben werden.

Da die Anfechtung rechtzeitig erhoben wurde und auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist sie somit zulässig.

2.2.1. Der Anfechtungswerber führt in seiner Eingabe an den Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass er zwischen 26.3.2001 (Datum der Zustellung des (ersten) Bescheides der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5.3.2001) und der Einbringung einer Anfechtung gegen diesen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof Ende April 2001 von der Ausübung seines Mandates im Gemeindevorstand ausgeschlossen gewesen sei. Seit der Verfahrenseinleitung beim Verfassungsgerichtshof (protokolliert zu Z WII-1/01) habe er sein Mandat wieder ausgeübt, bis es ihm nunmehr mit (dem zweiten) Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25.10.2001, zugestellt am 8.11.2001, erneut aberkannt worden sei. Er fühle sich in seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Ausübung seines Mandates, welches er auf Grund der aufschiebenden Wirkung seiner letzten Anfechtung (beim Verfassungsgerichtshof) ausübe, verletzt. Die Oberösterreichische Landesregierung übersehe, dass dem Anfechtungswerber das in Rede stehende Mandat bereits entzogen worden sei, der Entziehungsbescheid allerdings noch nicht vollstreckt werden könne, weil eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof anhängig sei. Nach Auffassung des Anfechtungswerbers dürfe die Oberösterreichische Landesregierung eine erledigte Sache nicht neuerlich entscheiden; das erledigte Entzugsverfahren sei unwiederholbar. Ein bereits entzogenes Mandat der Funktion eines Gemeindevorstandmitgliedes könne nicht abermals entzogen werden. Wenn in derselben Sache, die unanfechtbar und unwiderruflich entschieden worden sei, eine neue Entscheidung ergehe, so sei diese inhaltlich rechtswidrig; sie verletze das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

2.2.2. Die Oberösterreichische Landesregierung führt in ihrem (zweiten) Bescheid vom 25.10.2001, der Gegenstand dieses Verfahrens ist, aus, dass der Anfechtungswerber weiterhin Mitglied des Gemeindevorstandes der Gemeinde Hofkirchen sei, weil der (erste) Bescheid vom 5.3.2001, womit der Anfechtungswerber seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes für verlustig erklärt wurde, beim Verfassungsgerichtshof angefochten worden sei und einer solchen Anfechtung gemäß §71a Abs3 VfGG von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukomme. Die Oberösterreichische Landesregierung steht sowohl im hier angefochtenen Bescheid als auch in ihrer Gegenschrift auf dem Standpunkt, dass der seinerzeitige Bescheid vom 5.3.2001 "kein Hindernis für ein neuerliches Verfahren dar(stelle), weil es sich hier nicht um ein neuerliches Verfahren hinsichtlich des Mandatsverlusttatbestandes 'Parteiaustritt', sondern um den Mandatsverlusttatbestand 'Abberufung infolge Misstrauensantrag' handelt." Im vorliegenden Fall sei der Mandatsverlusttatbestand der Abberufung nach §30 Abs3 litd GemO verwirklicht, weshalb der Anfechtungswerber seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes der Gemeinde Hofkirchen verlustig zu erklären gewesen sei.

2.2.3. Einer Anfechtung gemäß Art141 Abs1 lite B-VG muss der Verfassungsgerichtshof stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit tatsächlich unterlief (§71a Abs4 VfGG; s. VfSlg. 2890/1955, 13.060/1992, 14.804/1997). Hiebei hat er die bekämpfte Maßnahme nur innerhalb der durch die Anfechtungserklärung gezogenen Grenzen zu überprüfen (VfSlg. 11.732/1988, 12.064/1989 uvam. zum Prüfungsumfang bei Wahlanfechtungen; VfSlg. 14.804/1997).

Die vom Anfechtungswerber geltend gemachten Rechtsverletzungen (Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte) sind auf Grund der nachstehenden Erwägungen nicht gegeben:

Die vom Anfechtungswerber gerügte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter läge im vorliegenden Fall vor, wenn die Oberösterreichische Landesregierung - bei unverändertem Sachverhalt - ungeachtet der Rechtskraft einer hierüber bereits früher ergangenen Entscheidung neuerlich in der Sache entschieden hätte (vgl. VfSlg. 10.086/1984). Dies trifft aber schon deshalb nicht zu, weil die beiden in Rede stehenden Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5.3.2001 sowie vom 25.10.2001 auf völlig unterschiedlichen Gründen für die Erledigung des Mandates des Anfechters als Gemeindevorstand durch Mandatsverlust beruhten:

Stützte sich der (erste) Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5.3.2001 im Wesentlichen auf §30 Abs3 litb GemO, wonach ein Mitglied des Gemeindevorstandes seines Mandates verlustig wird, wenn bei ihm ein Umstand eintritt, der seine Wählbarkeit in den Gemeindevorstand gehindert hätte (oder wenn ein solcher Umstand nachträglich bekannt wird), so ging die Oberösterreichische Landesregierung bei Erlassung des nunmehr in Anfechtung gezogenen (zweiten) Bescheides von der Verwirklichung des Tatbestandes einer Mandatserledigung durch Verlust in Folge eines Misstrauensvotums des Gemeinderates (§30 Abs3 litd GemO) aus (ein Fall, in dem im Übrigen die Oberösterreichische Landesregierung - wie sie zu Recht ausführt - in dem der Beschlussfassung des Gemeinderates über einen Misstrauensantrag nachfolgenden Administrativverfahren den politischen Motiven der antragsberechtigten Mitglieder des Gemeinderates nicht weiter nachzuforschen hat).

Zum Gewährleistungsumfang des verfassungsgesetzlich verbürgten passiven Wahlrechts wiederum sprach der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur aus, dass sich das daraus abgeleitete Recht auf Ausübung des Amtes nur auf den Schutz eines durch Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper erlangten, nicht hingegen eines von einem solchen Vertretungskörper empfangenen Mandats erstreckt. Das passive Wahlrecht schließt also nicht etwa das Recht ein, als Mitglied des Gemeinderates zum Mitglied des Gemeindevorstandes gewählt zu werden und - wie es der in den Gemeinderat gewählte Anfechtungswerber anstrebt - in dieser (Gemeindevorstands-)Funktion zu verbleiben (s. VfSlg. 3445/1958, 8385/1978, 8990/1980, 12.708/1991, 13.060/1992, 14.804/1997).

2.4. Da der Verlustigerklärung des Mandates des Anfechtungswerbers die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht anhaften, war die Anfechtung als unbegründet abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Gemeinderecht, Gemeinderat, Gemeindevorstand, Wahlen, Wahlrecht passives, Mandatsverlust

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:WII2.2001

Dokumentnummer

JFT_09979693_01W0II02_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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