TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/22 2005/21/0105

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Veröffentlicht am 22.06.2006
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 9. März 2005, Zl. IVFr-360-1/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Armeniens, ist am 29. Juli 2002 zusammen mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen am 3. August 1995 geborenen Tochter in das Bundesgebiet eingereist. Am 1. September 2002 wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren. Die Eheleute und ihre Tochter stellten - wie aus den unten angeführten Akten des Verwaltungsgerichtshofes erhoben wurde - Asylanträge, der Sohn einen Asylerstreckungsantrag. Sämtliche Anträge wurden abgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 8 AsylG (idF vor der AsylG-Novelle 2003) festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers sowie seiner Ehefrau und Tochter nach Armenien zulässig sei. Den dagegen erhobenen Berufungen wurde jeweils nicht Folge gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen die Berufungsbescheide (betreffend den Beschwerdeführer, seine Ehegattin und seine Tochter) erhobenen Beschwerden mit Beschlüssen vom 26. November 2003 und vom 6. Mai 2004 (Zlen. 2003/20/0481 und 0482) abgelehnt. Der vom Sohn des Beschwerdeführers gestellte Verfahrenshilfeantrag wurde mit hg. Beschluss vom 27. November 2003, Zl. VH 2003/20/0341, wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen.

Am 2. März 2004 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. März 2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Ebenso stellten, wie der Verwaltungsgerichtshof beim unabhängigen Bundesasylsenat erhoben hat, die Ehegattin und die Tochter des Beschwerdeführers wieder Asylanträge, die gleichfalls gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Der Sohn des Beschwerdeführers stellte neuerlich einen Asylerstreckungsantrag, der abgewiesen wurde. Gegen die genannten Bescheide sind jeweils Berufungen vor dem unabhängigen Bundesasylsenat nach wie vor anhängig.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. März 2005 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 27. Oktober 2003 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 und 130 erster Satz, erster Fall StGB zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe (davon acht Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden sei. Er habe zwischen Herbst 2002 und 25. Februar 2003 in Bruck an der Mur wiederholt gewerbsmäßig Bekleidung und Schuhe in einem EUR 2.000,-- nicht übersteigenden Wert gestohlen (§ 36 Abs. 2 Z. 1 FrG).

Der Beschwerdeführer stelle somit eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie für das Eigentum Dritter dar. Auf Grund seines längere Zeit fortgesetzten deliktischen Verhaltens sei von einer "Ignoranz gegenüber der österreichischen Rechtsordnung" auszugehen, sodass eine Gefährlichkeitsprognose in hohem Maße gerechtfertigt erscheine. Darüber hinaus habe er nicht einmal im Rechtsmittelverfahren die Möglichkeit zum Nachweis genutzt, dass die für seinen Lebensunterhalt erforderlichen Mittel gesichert seien (§ 36 Abs. 2 Z. 7 FrG).

Bei der Interessenabwägung nach § 37 FrG ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und ihre beiden Kinder im gemeinsamen Haushalt lebten. Jedoch habe die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz am 26. November 2003 geendet. Auch der geduldete Aufenthalt seiner Ehefrau und der Kinder werde durch dessen Kürze relativiert und hätte im Übrigen, um einen maßgebenden Einfluss im vorliegenden Zusammenhang zu haben, "die Angepasstheit an die Gesetze des Gastlandes erfordert". Die Folgen des Aufenthaltsverbotes wögen insgesamt nicht schwerer als die nachteiligen Folgen von seiner Abstandnahme.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z. 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Der Beschwerdeführer tritt den behördlichen Feststellungen betreffend seine strafgerichtliche Verurteilung nicht entgegen, weshalb keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde bestehen, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei.

Wegen der Schwere des trotz anhängigen Asylverfahrens während eines erheblichen Zeitraumes begangenen Verbrechens besteht auch kein Zweifel am Vorliegen der in § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Inland dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer zuwiderlaufen würde (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2005, Zl. 2003/21/0184). Hieran ändert auch die teilbedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe nichts, zumal die Fremdenbehörde die genannte Prognosebeurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2001/21/0007, mwN).

Die belangte Behörde hat angesichts der persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner in Österreich lebenden Ehefrau und den gemeinsamen Kindern zutreffend einen mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf die Interessenlage des Beschwerdeführers - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein gravierendes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen und damit am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer erheblich beeinträchtigt.

Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes konnte auch die Interessenabwägung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen, zumal als integrationsbegründender Umstand lediglich der ca. dreijährige inländische Aufenthalt herangezogen werden kann.

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte vorübergehende Einschränkung seiner familiären Kontakte - wenn die Verfahren über die in 1. Instanz zurückgewiesenen Asylfolgeanträge seiner Angehörigen letztlich doch stattgebend und bei ihm negativ erledigt werden sollten - muss somit auf Grund des an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestehenden öffentlichen Interesses in Kauf genommen werden. Deren Ausgang musste daher vor einer Entscheidung über die vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbots-Bescheid erhobene Berufung nicht abgewartet werden.

Aus diesen Überlegungen folgt weiters, dass die zusätzliche Erfüllung des von der belangten Behörde auch herangezogenen Tatbestandes nach § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG für den Ausgang des Verfahrens nicht wesentlich ist. Hierauf muss somit nicht näher eingegangen werden, sodass auch den der belangten Behörde vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgeworfenen Ermittlungsmängeln keine Relevanz zukommt.

Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. Juni 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005210105.X00

Im RIS seit

21.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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