TE Vwgh Beschluss 2006/6/29 2006/16/0074

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Veröffentlicht am 29.06.2006
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Index

L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art132;
GdG Vlbg 1985 §81;
GdG Vlbg 1985 §92;
VwGG §27;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, in der Beschwerdesache der D OHG in H, vertreten Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Dr. Waibelstraße 10, gegen das "Land Vorarlberg als Aufsichtsbehörde gem § 81 GemG vertreten durch den Landeshauptmann gem VO 49/2004" wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Getränkesteuer, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und ihren Beilagen ergibt sich Folgendes:

Die Abgabenkommission der Stadt Hohenems hat mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke für das Jahr 1999 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit der Eingabe vom 3. November 2005 Vorstellung.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof am 6. Juni 2006 eingelangten Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde. Als belangte Behörde bezeichnet sie das "Land Vorarlberg als Aufsichtsbehörde gem § 81 GemG vertreten durch den Landeshauptmann gem VO 49/2004".

Gemäß § 92 Abs. 2 des Gesetzes über die Organisation der Gemeindeverwaltung (Gemeindegesetz - Vorarlberger GemG), LGBl. für Vorarlberg Nr. 40/1985 ist im Fall der Erhebung einer Vorstellung nach § 83 Vorarlberger GemG die Landesregierung die Aufsichtbehörde, die über die Vorstellung zu entscheiden hat.

Mit der im Beschwerdefall vorliegenden Bezeichnung der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin dem "Land Vorarlberg als Aufsichtsbehörde" allenfalls auch dem "Landeshauptmann" von Vorarlberg eine Säumnis bei der Entscheidung über die von ihr erhobene Vorstellung in einer Getränkesteuersache zum Vorwurf gemacht, nicht aber der Behörde, die über die Vorstellung zu entscheiden hat.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG als belangte Behörde die oberste Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache verlangt wurde.

Sinn dieser Bestimmung ist es, in einer jeden Zweifel ausschließenden Art und Weise den Verwaltungsgerichtshof erkennen zu lassen, welcher Behörde Säumnis vorgeworfen wird. Welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, kann allerdings - wie der Verwaltungsgerichtshof für das Bescheidbeschwerdeverfahren ausgesprochen hat - nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch die Beschwerdeführerin ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar.

Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist. Dies gilt auch in Säumnisbeschwerdefällen, wenn aus der Beschwerde in ihrem Gesamtzusammenhang (einschließlich allfälliger Beilagen, wie z.B. Vorstellung an die säumige Behörde) zweifelsfrei hervorgeht, welcher obersten Behörde im Sinne des Art. 132 B-VG die Verletzung der Entscheidungspflicht vorgeworfen wird (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 30. September 1993, Zl. 92/17/0223, und das dort angeführte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. März 1986, Zl. 85/18/0078, Rechtssatz veröffentlicht in Slg. N.F. Nr. 12.088/A, wo fallbezogen ausgesprochen wurde, es sei nach der damaligen Aktenlage eindeutig erkennbar, dass sich die Beschwerde nicht gegen den in ihr bezeichneten "Hilfsapparat" des Amtes der Landesregierung, sondern gegen die Landesregierung selbst richte). Es ist freilich unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei der von ihr vorgenommenen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes und der belangten Behörde ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dessen Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Jänner 1989, Zl. 88/17/0183, und die dort zitierte Rechtsprechung, sowie den hg. Beschluss vom 20. Februar 1992, Zl. 92/08/0005).

Diese Beurteilung gilt angesichts desselben dahinter stehenden Regelungszweckes sowohl für die Bezeichnung der belangten Behörde in Bescheidbeschwerden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG als auch für die Bezeichnung der belangten Behörde in Säumnisbeschwerden gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. (hg. Beschlüsse vom 22. Februar 1991, Zl. 90/17/0181, und vom 25. August 2005, Zl. 2005/16/0211).

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin ausdrücklich dem "Land Vorarlberg als Aufsichtsbehörde gem § 81 GemG vertreten durch den Landeshauptmann gem VO 49/2004" eine Säumnis bei der Entscheidung über die von ihr erhobene Vorstellung zum Vorwurf gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin mit der so bezeichneten belangten Behörde in Wahrheit die gemäß § 92 Vorarlberger GemG zuständige Vorarlberger Landesregierung gemeint hat, sind weder der Beschwerde noch der dieser angeschlossenen Beilagen zu entnehmen. Auch die Vorstellung enthält nämlich keine ausdrückliche Bezeichnung der Vorstellungsbehörde.

Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Eine Umdeutung der in der Beschwerde ausdrücklich bezeichneten belangten Behörde in die Vorarlberger Landesregierung kommt daher nicht in Betracht (vgl. die oben schon zitierten hg. Beschlüsse vom 30. September 1993, Zl. 92/17/0223, und vom 25. August 2005, Zl. 2005/16/0211).

Unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG ist es, dass jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag zu entscheiden. Da die im Beschwerdefall als belangte Behörde in Anspruch genommene Behörde zur Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung gar nicht zuständig ist, fehlte der Beschwerdeführerin ihr gegenüber die Beschwerdelegitimation, weil diese Behörde, entgegen der Behauptung in der Säumnisbeschwerde, nicht zur Entscheidung über die Berufung berufen und daher auch nicht diejenige Behörde gewesen ist, durch deren Säumnis die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt werden konnte. Die Säumnisbeschwerde war daher wegen des Fehlens der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2006

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006160074.X00

Im RIS seit

24.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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