TE Vfgh Beschluss 2002/3/13 B2299/00 ua

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Veröffentlicht am 13.03.2002
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §48
BAO §294, §295
VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

Einstellung der Beschwerdeverfahren betreffend die Feststellung der Abzugsfähigkeit von im Ausland erlittenen Verlusten bei Ermittlung der Einkommensteuer aufgrund materieller Klaglosstellung der Beschwerdeführer nach Anordnung des Abzugs durch den Finanzminister; kein Kostenzuspruch

Spruch

Die Beschwerden werden für gegenstandslos erklärt und die Verfahren eingestellt.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die in Deutschland ansässigen Beschwerdeführer sind - als Kommanditisten einer österreichischen Kommanditgesellschaft - in Österreich beschränkt steuerpflichtig. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 7. November 2000 wurden bei der Ermittlung der Einkommensteuer für die Jahre 1993 bis 1995 die von der Kommanditgesellschaft in den Jahren 1990 bis 1992 erlittenen Verluste nicht zum Abzug zugelassen, obwohl auch in Deutschland der Abzug der Verluste nicht geltend gemacht werden konnte.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, in denen die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide begehrt wird.

II. 1. Die belangte Behörde legte innerhalb der ihr gesetzten Frist einen Schriftsatz vor, in dem sie (u.a.) darauf hinweist, daß sie die Verwaltungsakten unter Erstattung einer Gegenschrift dem Verwaltungsgerichtshof auf dessen Auftrag hin vorgelegt habe und von einer förmlichen Erstattung einer Gegenschrift im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Abstand nehme.

2. Mit Schreiben vom 11. Jänner 2002 übermittelte der Bundesminister für Finanzen zwei auf §48 BAO gestützte Bescheide vom selben Datum, mit denen - im Ergebnis dem Antrag der Beschwerdeführer Rechnung tragend - der Abzug der erlittenen Verluste angeordnet wird, weshalb der Bundesminister die Ansicht vertritt, daß die Beschwerdeführer materiell klaglos gestellt seien und beantragt, die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

3. Über Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof teilten die Beschwerdeführer mit, daß sie sich im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht als klaglos gestellt erachten, da die nach §48 BAO erlassenen Bescheide nach Maßgabe anderer Vorschriften der BAO (z.B. §§293 ff. und §§303 ff.) wieder aus dem Rechtsbestand beseitigt werden könnten, was zu einem Rechtsschutzproblem führen würde, da somit die "neuen" Bescheide aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wären, aber keine Möglichkeit mehr bestünde, die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg zu bekämpfen, wenn das verfassungsgerichtliche Verfahren nunmehr eingestellt würde. Die Beschwerdeführer stützen dabei ihre Argumentation auf das Erkenntnis VfSlg. 8780/1980.

4. In den vorliegenden Beschwerdesachen wurden zwar nicht die beim Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheide behoben, die Beschwerdeführer sind aber durch die bekämpften Bescheide, mit denen die Einkommensteuer für 1993, 1994 und 1995 ohne Abzug der Verluste festgesetzt wurde, nicht mehr beschwert, weil inzwischen (siehe Pkt. II.2.) der Bundesminister für Finanzen - den Abzug der Verluste anordnende - Bescheide gem. §48 BAO erlassen hat, auf Grund deren für die betreffenden Jahre vom Finanzamt Bregenz mit 1. Februar 2002 neue Einkommensteuerbescheide erlassen wurden.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist dadurch eine materielle Klaglosstellung eingetreten: Im Unterschied zu dem von den Beschwerdeführern zitierten Erkenntnis VfSlg. 8780/1980 (und ebenso zu VfSlg. 9078/1981) wurden hier keine (Dauerwirkung entfaltenden) Nachsichtsbescheide, sondern Bescheide gem. §48 BAO erlassen, die Rechtsfolgen nur für bestimmte Einkommensteuerveranlagungen anordnen. Bescheide, die keine fortdauernden Wirkungen anordnen, sind aber von vornherein einer Abänderung nach §294 Abs1 lita BAO nicht zugänglich (Stoll, BAO - Kommentar, Wien 1994, S 2844; die Abänderungsmöglichkeit nach litb würde einer Klaglosstellung keinesfalls entgegenstehen). Im übrigen wären bei einem allfälligen Ausscheiden der auf §48 BAO gestützten Bescheide aus dem Rechtsbestand auch die darauf gestützten Einkommensteuerbescheide (neuerlich) abzuändern (§295 BAO), womit sich für die Beschwerdeführer die Möglichkeit ergäbe, die neuen Bescheide zum Gegenstand einer Anfechtung zu machen.

Infolge der dadurch bewirkten (materiellen) Klaglosstellung waren die Beschwerden gemäß §86 VfGG als gegenstandslos zu erklären und die Verfahren einzustellen.

5. Verfahrenskosten waren nicht zuzusprechen, weil die beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheide nicht aufgehoben wurden, eine formelle Klaglosstellung somit nicht erfolgt ist. Für die Anwendung des §88 VfGG reicht jedoch eine Klaglosstellung im bloß materiellen Sinn nicht aus (vgl. VfSlg. 11.119/1986, 14.662/1996 mwN).

III. Dieser Beschluß wurde gemäß §19 Abs3 Z3 VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.

Schlagworte

Finanzverfahren, Abänderung und Behebung von amtswegen, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B2299.2000

Dokumentnummer

JFT_09979687_00B02299_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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