TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/30 2001/17/0168

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Veröffentlicht am 30.06.2006
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Index

25/01 Strafprozess;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

GebAG 1975 §21 Abs2;
GebAG 1975 §21;
GebAG 1975 §22 Abs1;
StPO 1975 §381 Abs1 Z4;
StPO 1975 §389;
StPO 1975 §390 Abs1;
StPO 1975 §390a;
ZustG §9 Abs1;
ZustG §9 Abs3 idF 2004/I/010;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des Dr. HR, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 24. Juli 2001, Zl. Jv 1614- 33/01, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Festsetzung von Zeugengebühren gemäß § 22 Abs. 1 Gebührenanspruchsgesetz 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. Mai 2001 bestimmte der Präsident des Landesgerichts Innsbruck in einem vor dem Landesgericht Innsbruck geführten Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer die Gebühren des aus dem Ausland geladenen Zeugen D gemäß dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 in der Höhe von S 1.651,--. Der Bescheid wurde dem für den Beschwerdeführer bestellten Amtsverteidiger zugestellt. Der Beschwerdeführer erhob selbst Beschwerde gegen den Kostenbescheid.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die am 22. Mai 2001 beim Landesgericht Innsbruck eingelangte Beschwerde zurück, da der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren durch den Amtsverteidiger Dr. H vertreten gewesen und diesem der erstinstanzliche Bescheid nachweislich am 9. Mai 2001 zugestellt worden sei. Zur Erhebung eines Rechtsmittels seien aber gemäß § 22 Abs. 1 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 nur die in § 21 Abs. 2 leg. cit. genannten Personen befugt. Das vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Rechtsmittel sei daher mangels Aktivlegitimation des Beschwerdeführers zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Rechtsmittellegitimation des Beschwerdeführers:

1.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach ihm - da er von dem ihm beigegebenen Anwalt im gegenständlichen Verfahren vertreten gewesen sei - die Befugnis zur Erhebung einer Beschwerde gemäß § 22 Abs. 1 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 nicht zukomme.

1.2. § 21 des Gebührensanspruchsgesetzes 1975 (GebAG 1975), BGBl. Nr. 136 idF BGBl. I Nr. 140/1997, lautete:

"Bekanntgabe der Gebühr. Zustellung

§ 21. (1) Die bestimmte Gebühr ist dem Zeugen mündlich bekanntzugeben; eine schriftliche Ausfertigung, binnen einer Woche, hat an ihn nur zu ergehen, wenn es der Zeuge bei der mündlichen Bekanntgabe verlangt; über dieses Recht ist der Zeuge bei der mündlichen Bekanntgabe zu belehren. Hat der Zeuge seine Gebühr schriftlich geltend gemacht oder kann über den Antrag nicht sofort entschieden werden, so entfällt die mündliche Bekanntgabe und es ist dem Zeugen, binnen einer Woche nach dem Einlangen des Begehrens bzw. dem Abschluß der Ermittlungen, eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen.

(2) Übersteigt die bestimmte Gebühr 1 300 S, so ist eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung über die Gebührenbestimmung außerdem zuzustellen

1. in Zivilsachen

a)

den Parteien und

b)

dem Revisor, sofern diese Gebühr nicht ganz aus einem bereits erlegten Vorschuss gezahlt werden kann,

              2.              in Strafsachen

a)

dem Revisor,

b)

wenn die Gebühr eines aus dem Ausland geladenen Zeugen bestimmt wurde, überdies dem Privatankläger oder dem gemäß § 48 StPO einschreitenden Privatbeteiligten und dem Beschuldigten (Verdächtigen, Angeklagten, Verurteilten), falls dieser aber vertreten ist, seinem Vertreter bzw. Verteidiger."

Gemäß § 22 Abs. 1 GebAG 1975 idF BGBl. Nr. 343/1989, können gegen die Entscheidung über die Gebühr der Zeuge und unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 die dort genannten Personen binnen 14 Tagen die Beschwerde an den Leiter des Gerichtes, hat aber dieser entschieden, an den Leiter des übergeordneten Gerichtshofs, wäre dies aber der Oberste Gerichtshof, an das Bundesministerium für Justiz, erheben. Die Frist beginnt mit der mündlichen Bekanntgabe der Entscheidung an den Zeugen, im Fall der schriftlichen Ausfertigung nach § 21 Abs. 1 oder Abs. 2 mit dem Tag nach der Zustellung der Entscheidung. Die angefochtene Entscheidung kann auch zum Nachteil des Zeugen geändert werden. Die Entscheidung über die Beschwerde ist zu begründen und dem Zeugen, dem Beschwerdeführer und den im § 21 Abs. 2 sonst genannten Personen in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen.

1.3. Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen erweist sich die Rechtsansicht der belangten Behörde als verfehlt:

1.3.1. Wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, die Bestimmung des § 21 Abs. 2 letzter Halbsatz GebAG 1975 - welche von dem Verweis in § 22 Abs. 1 GebAG 1975 mitumfasst ist - bewirke, dass der Beschuldigte für den Fall der Bestellung eines Vertreters seine Parteistellung im Verfahren nach dem GebAG 1975 verliere und diese sozusagen auf seinen Vertreter übergehe (Hinweis auf die mangelnde Aktivlegitimation), verkennt sie den Inhalt der genannten Bestimmungen.

Gemäß § 21 Abs. 2 Z 2 GebAG 1975 ist in Strafsachen die Entscheidung über die Gebührenbestimmung dem Beschuldigten, falls dieser vertreten ist, seinem Vertreter bzw. Verteidiger zuzustellen, wenn die Gebühr eines aus dem Ausland geladenen Zeugen bestimmt wurde.

Die belangte Behörde hat den Verweis in § 22 Abs. 1 GebAG 1975 auf die in § 21 genannten Personen (denen das Beschwerderecht zukommen soll) dahin gehend verstanden, dass im Falle der Vertretung des Beschuldigten das Beschwerderecht (nur) dem Vertreter (Verteidiger) zukomme. Ein solcher Inhalt kann § 22 GebAG 1975 jedoch nicht unterstellt werden.

Der normative Gehalt der Anordnung des § 21 Abs. 2 Z 2 lit. b GebAG 1975, dass im Vertretungsfall die Entscheidung dem Vertreter zuzustellen sei, liegt darin, den Empfänger für die zuzustellende Ausfertigung festzulegen. Dabei trifft der letzte Halbsatz des Abs. 2 des § 21 GebAG 1975 lediglich eine dem § 9 Abs. 3 Zustellgesetz in der Fassung des E-Government-Gesetzes, BGBl. I Nr. 10/2004, (früher: § 9 Abs. 1 Zustellgesetz in der Fassung vor dem E-Government-Gesetz) entsprechende Regelung (dazu siehe unten die Ausführungen zu § 80 StPO). Partei eines Verfahrens, in dem ein Beschuldigter durch einen Verteidiger vertreten ist, bleibt der Beschuldigte. Die Anordnung, dass im Fall der Vertretung dem Vertreter zuzustellen sei, bedeutet für sich noch nicht, dass die Wirkung der Entscheidung nicht für den Vertretenen, sondern für den Vertreter eintrete. Daraus folgt zunächst, dass ungeachtet der Notwendigkeit zur Zustellung der Entscheidung an den Verteidiger, die Rechtswirkungen der Entscheidung für den Beschuldigten als materiellen Adressaten eintreten. Wollte der Gesetzgeber über die bloße Festlegung des Empfängers der Ausfertigung hinaus einen Wechsel in der Parteistellung für den Zweck des Gebührenfestsetzungsverfahrens anordnen, hätte er dies deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Die Bezugnahme auf die in § 21 GebAG 1975 genannten Personen bei der Regelung der Rechtsmittellegitimation bietet für sich allein noch keinen Grund zur Annahme, dass im Vertretungsfall ein derartiger Parteiwechsel eintrete. Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber über die bloße Anordnung der Zustellung der für den Beschuldigten wirkenden Entscheidung hinaus eine Rechtswirkung (lediglich) für den Verteidiger anordnen hätte wollen. Der Beschuldigte kann gemäß § 381 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit § 389 StPO zur Tragung der Kosten aus dem Ausland geladener Zeugen verpflichtet sein. Wollte man die Anordnungen des GebAG 1975 - wie dies die belangte Behörde getan hat - dahin gehend verstehen, dass der Beschuldigte nicht Partei des Verfahrens über die Festsetzung dieser Kosten sei, wäre davon auszugehen, dass infolge der subjektiven Grenzen der Rechtskraft keine Bindung des Beschuldigten an die Entscheidung über die Höhe der Gebühr im Verfahren über den Kostenersatz gegeben ist (die Annahme einer Bindung ohne Beiziehung zum Verfahren würde sich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen verbieten, da die Verneinung der Rechtsmittelbefugnis des Beschuldigten bei gleichzeitiger Annahme einer Bindungswirkung der Entscheidung für ihn dazu führen würde, dass er an der Wahrnehmung seiner subjektiven Rechte - insbesondere dem Recht darauf, nicht zur Zahlung einer nicht rechtmäßig bestimmten Zeugengebühr herangezogen zu werden, §§ 381 Abs. 1 Z 4 und 389 Abs. 1 StPO - gehindert wäre). Demgegenüber kann jedoch die Bestimmung vielmehr dahin gehend verstanden werden, dass sowohl der Privatankläger oder Privatbeteiligte als auch der Beschuldigte Beschwerde erheben können, weil die Wirkungen der Entscheidung für sie eintreten sollen (vgl. für den Privatankläger und Privatbeteiligten § 390 Abs. 1 und § 390a StPO).

Selbst wenn man auf den bloßen Wortlaut der Regelung (die von den in § 21 Abs. 2 GebAG 1975 genannten Personen spricht) abstellen wollte, könnten sowohl der Beschuldigte als auch der Verteidiger die Beschwerde erheben (wobei noch nicht geklärt wäre, in wessen Namen eine solche Beschwerde zu erheben wäre, wenn sie vom Verteidiger erhoben wird), weil beide in § 21 genannt sind. Die belangte Behörde kann sich somit für ihre Auffassung nicht auf den Wortlaut stützen (wiewohl die knappe Begründung des angefochtenen Bescheides den Eindruck erweckt, als sollte dies erfolgen). Die Auslegung, dass im Falle der Vertretung nur der Vertreter beschwerdelegitimiert sei, setzt vielmehr bereits eine nach erst offen zu legenden Kriterien vorzunehmende Auslegung des Verweises voraus. Im Hinblick auf den oben aufgezeigten systematischen Zusammenhang (allgemeine Grundsätzen des Vertretungsrechts; Frage, für wen die Entscheidung Rechtswirkungen entfalten soll und das angesprochene, dabei auftretende Problem, dass die zustellrechtliche Wirkung der Vertretung regelungsbedürftig ist) ist bei systematischer Auslegung davon auszugehen, dass § 21 GebAG 1975 seinem Wortlaut entsprechend, der die Zustellung regelt, auf den zustellrechtlichen Aspekt eingeschränkt zu lesen ist, und der Verweis in § 22 GebAG 1975 kein Beschwerderecht des in seiner Stellung als Zustellempfänger in § 21 GebAG 1975 angesprochenen Verteidigers begründen sollte. Die Annahme eines eigenen Beschwerderechts des Verteidigers scheidet daher aus.

1.3.2. Ist aber kein Wechsel in der Parteistellung eingetreten, sondern besteht vielmehr das Beschwerderecht des Beschuldigten, bleibt noch zu prüfen, ob im Falle der Verteidigerbestellung § 22 GebAG 1975 bedeuten könnte, dass der Beschuldigte seine Postulationsfähigkeit im Verfahren über die Gebührenfestsetzung verloren hätte und insoweit nur durch seinen Verteidiger wirksam handeln könnte.

Eine solche (von der belangten Behörde zwar nicht angenommene) Anordnung, dass im Falle der Bestellung eines Verteidigers (nur) dieser namens des Beschuldigten Beschwerde erheben könnte, ist der Bestimmung jedoch (ebenfalls) nicht zu entnehmen.

Die Behörde hat im Verfahren zur Festsetzung der Zeugengebühren - in dem das AVG nicht zur Anwendung kommt (vgl. diesbezüglich das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1992, Zl. 92/17/0124) - nach den allgemeinen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens vorzugehen. Eine Anordnung, dass der Beschuldigte im Verfahren über die Festsetzung der Zeugengebühr nicht postulationsfähig wäre, enthält das GebAG 1975 nicht. Es sind demnach auch Erklärungen des Beschuldigten, die dieser ohne Heranziehung seines Vertreters abgibt, entgegenzunehmen und stellen wirksame Verfahrenshandlungen dar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Februar 1958, Zl. 209/55, VwSlg 4557 A/1958, und vom 21. Februar 1963, Zl. 1515/61). Im Falle eines - hier im Übrigen gar nicht vorliegenden - Widerspruches zwischen den Erklärungen einer Partei und denen ihres eigenen Vertreters kommt dann der Erklärung der Partei der Vorrang zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. März 1969, Zl. 1739/68).

1.3.3. Aus den genannten Gründen kann aber auch die Frage, ob die Bestellung eines Amtsverteidigers für den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte, dahinstehen, denn selbst unter der Voraussetzung der rechtswirksamen und rechtmäßigen Bestellung des Vertreters wäre der Beschwerdeführer jedenfalls zur Erhebung des Rechtsmittels berechtigt gewesen.

2. Da die belangte Behörde dies verkannte und das vom Beschwerdeführer erhobene Rechtsmittel nach den Feststellungen der belangten Behörde (Zustellung an den Vertreter am 9. Mai 2001; Einlangen der Beschwerde am 22. Mai 2001) auch nicht etwa als verspätet zurückzuweisen gewesen wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Die vom Beschwerdeführer entrichtete Pauschalgebühr in der Höhe von S 2.500,-- war dabei gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, mit EUR 181,68 in Ansatz zu bringen.

4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 30. Juni 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2001170168.X00

Im RIS seit

10.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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