TE Vwgh Beschluss 2006/6/30 2001/04/0099

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Veröffentlicht am 30.06.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

ABGB §431;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 idF 1997/I/063;
GewO 1994 §81 Abs1 idF 1997/I/063;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, in der Beschwerdesache 1.) der M - "auch als Rechtsnachfolgerin von Frau S in den Eigentumsrechten der Liegenschaft Lgasse 297, Grundstücke Nr. 525/1 und Nr. 527 mit dem Wohnhaus und dem Fremdenpensionshaus Lgasse 297 in A" - und 2.) des A, beide in A im P und vertreten durch Dr. Gerhard Othmar Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 19. März 2001, Zl. 5/02-1343/5-2001, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A GmbH in A, vertreten durch Raits Ebner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Ignaz-Rieder-Kai 11c), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage am näher bezeichneten Standort durch Errichtung eines Hochregallagers und einer Kommissionierhalle (A Logistik-Center) samt Ölfeuerungsanlage und vier Hebebühnen erteilt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift einen gleichlautenden Antrag.

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

§ 74 Abs. 2 GewO 1994 - in der hier anzuwendenden Fassung

BGBl. I Nr. 63/1997 - hat folgenden Wortlaut:

"(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist."

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Gemäß § 42 Abs. 1 AVG in der Fassung der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158, verliert eine Person ihre Stellung als Partei, wenn eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde, soweit die Person nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.

Von den Beschwerdeführern wurden (im eigenen Namen) keine Einwendungen erhoben, und zwar weder vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde noch während der Verhandlung. In der Verhandlungsschrift vom 24. August 2000 wird (zunächst) bei der Anführung der Anwesenden nur ausgeführt, dass "A und M für S (Mutter)" anwesend (gewesen) seien sowie Rechtsanwalt Dr. Mory für H und S. Auch weist die umfangreiche Verhandlungsschrift (59 Seiten) keinerlei sonstigen Hinweis auf, dass A und M im eigenen Namen Einwendungen erhoben hätten (bzw. findet sich überhaupt keine Wortmeldung von A und M in der Verhandlungsschrift). Auch vom nunmehrigen Beschwerdeführervertreter wurden keine Einwendungen (oder auch Stellungnahmen) im Namen von A und M vorgebracht. Das Vorbringen des nunmehrigen Beschwerdevertreters in der Verhandlung erfolgte nur im Namen von "S vertreten durch M sowie von H, beide vertreten durch Rechtsanwalt Gerhard Mory".

Die mit der Unterschrift versehenen Erklärungen (des nunmehrigen Beschwerdeführervertreters) lassen keinen Einwand gegen den Protokollierungsvorgang als solchen erkennen. Danach liefert aber die Verhandlungsniederschrift vom 24. August 2000 über die Art der hier in Frage stehenden "Einwendungen" gegen die beantragte Genehmigung der Betriebsanlagenänderung vollen Beweis. Auch sonst findet sich in den Akten keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Präklusionswirkung des § 42 Abs. 1 AVG nicht hätte eintreten können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zu Unrecht Parteistellung zuerkannt worden sein sollte (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 9. September 1998, Zl. 98/04/0084).

In den in der Gewerbeordnung 1994 festgelegten Nachbarrechten können Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 durch einen Genehmigungsbescheid nach § 77 oder § 81 nur im Rahmen ihrer - durch rechtzeitig erhobene Einwendungen erhaltenen - Parteistellung verletzt werden, nicht aber wenn sie durch die Präklusionswirkung des § 42 Abs. 1 AVG ihre (auf die Einräumung subjektiver Rechte gegründete) Parteistellung verloren haben. Da die Beschwerdeführer, wie oben dargelegt, mangels Erhebung von (geeigneten qualifizierten) Einwendungen ihre (allfällige) Parteistellung verloren haben, können sie auch durch den angefochtenen Bescheid nicht in diesbezüglichen Rechten verletzt sein.

Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn die Erstbeschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren "auch als Rechtsnachfolgerin von Frau S in den Eigentumsrechten der Liegenschaft ..." auftritt.

Wie in der Beschwerde selbst ausgeführt wird, ist S bereits vor Erhebung der Beschwerde verstorben. Wie es in der Beschwerde weiters heißt, habe sie bereits zuvor mit Schenkungsvertrag vom 30. Dezember 2000 die gesamte (in Frage stehende) Liegenschaft an ihre Tochter M veräußert. M sei auch die Alleinerbin nach S. Der Nachlass sei bisher (jedoch) noch nicht eingeantwortet. Auch der erwähnte Schenkungsvertrag sei bisher grundbücherlich noch nicht durchgeführt.

Eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der M als - so die Schlussfolgerung in der Beschwerde - "außerbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft ..." ist aber nicht gegeben:

Als (allfälliges) Nachbarrecht hinsichtlich der Position "als Rechtsnachfolgerin von Frau S" kommt nur die Gefährdung des Eigentums in Betracht. Unter diesem Gesichtspunkt kann allerdings nur der Grundeigentümer eine Verletzung subjektiver öffentlicher Nachbarrechte geltend machen (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1976, Zl. 137/71). Wer Eigentümer ist, muss nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts beurteilt werden (maßgeblich § 431 ABGB). Der in der Beschwerde verwendete Begriff des "außerbücherlichen Eigentums" ist hier irreführend, weil ein schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung des Eigentums noch kein Eigentum verschafft und einer der im Gesetz vorgesehenen Fälle des Eigentumserwerbs ohne grundbücherliche Einverleibung eben (mangels Einantwortung) nicht vorliegt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1975, Zl. 2003/74).

Die Beschwerde war daher zufolge des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Eingehen auf den Inhalt des Beschwerdevorbringens gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. Juni 2006

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht und Eisenbahnrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2001040099.X00

Im RIS seit

29.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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