TE Vwgh Beschluss 2006/7/25 2004/11/0099

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Veröffentlicht am 25.07.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §3 Abs1 Z2;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs4;
StGB §142 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, in der Beschwerdesache des A P in W, vertreten durch Dr. Bernhard Gittler, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Hernalser Hauptstraße 116, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 25. März 2004, Zl. UVS-FSG/18/1279/2004/2, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 20. Dezember 2002 die Erteilung der Lenkberechtigung für die Klasse B. Dieser Antrag wurde von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 22. Jänner 2004 gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 des Führerscheingesetzes (FSG) abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. In der Begründung führte sie - nach Wiedergabe des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 13. Mai 2002 wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Weiters sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 24. Juni 2003 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden, die ebenfalls unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Die Verurteilung wegen des Verbrechens nach § 142 StGB bilde eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG; im Zusammenhalt mit der Verurteilung nach § 83 Abs. 1 StGB sei daraus auf ein erhöhtes Aggressionspotenzial des Beschwerdeführers zu schließen. Aus dem erstgenannten Urteil gehe hervor, dass der Beschwerdeführer "im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) anderen mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz unrechtmäßig weggenommen bzw. abgenötigt" habe, indem die Mittäter "ihre Opfer schlugen, umstellten, stießen, an den Ohren zogen bzw. verbal und durch Gesten weitere Misshandlungen ankündigten". Für die Wertung dieser Tatsache seien bei strafbaren Handlungen ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen worden seien, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Da seit den zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen noch keine so lange Zeit verstrichen sei, dass mit Sicherheit auf eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers geschlossen werden könne, müsse er noch als verkehrsunzuverlässig angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2006 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass ihm zwischenzeitig eine Lenkberechtigung erteilt worden sei und ein rechtliches Interesse an der inhaltlichen Erledigung der Beschwerde nicht mehr bestehe.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss nach Einvernahme des Beschwerdeführers als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass dieser klaglos gestellt ist.

§ 33 Abs. 1 VwGG ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Mai 2003, Zl. 2003/11/0044).

Diese Voraussetzung ist auch im Beschwerdefall gegeben: Da der Beschwerdeführer nunmehr nach seinem eigenen Vorbringen eine Lenkberechtigung erhalten hat, hat der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, wie er selbst einräumt. Die Beschwerde war daher als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG ist bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der nachträgliche Wegfall des Rechtschutzinteresses bei einer Beschwerde nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden. Im vorliegenden Fall erfordert die Entscheidung über die Kosten keinen unverhältnismäßigen Aufwand:

Ausgehend von § 7 Abs. 4 FSG ist für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Die belangte Behörde hat hinsichtlich der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 13. Mai 2002 zwar die Art der Gewaltanwendung bzw. -androhung konkretisiert, es im Übrigen aber unterlassen, die näheren Tatumstände und den Zeitraum der Tatbegehung festzustellen. Schon deshalb ist die von ihr vorgenommene Wertung nicht nachvollziehbar.

Der angefochtene Bescheid wäre demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen.

Dem Beschwerdeführer war deshalb - im Rahmen des gestellten Begehrens - Kostenersatz im gesetzlichen Ausmaß zuzuerkennen.

Wien, am 25. Juli 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §58 Abs2 VwGG idF BGBl 1997/I/088

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004110099.X00

Im RIS seit

18.09.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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