TE Vwgh Erkenntnis 2006/8/9 2003/10/0222

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Veröffentlicht am 09.08.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §10 Abs2 Z1 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs2 Z2 idF 2001/I/016;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der A-Apotheke KG in H, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nussdorferstraße 10-12, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 4. Juli 2003, Zl. 262.711/0-I/B/7/03, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. Dr. MM in K, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 19. Mai 1999 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Hermagor mit der voraussichtlichen Betriebsstättenadresse Multifunktionsprojekt Hermagor an der Gailtalstraße und einem näher umschriebenen Standort abgewiesen.

Begründend führte der Landeshauptmann von Kärnten unter Hinweis auf den Einspruch der beschwerdeführenden Partei wegen Bedarfsmangels im Hinblick auf die Entfernung des Multifunktionsprojekts von 320 m von der Betriebsstätte der beschwerdeführenden Partei aus, dass die Bezirkshauptmannschaft Hermagor berichtet hätte, dass die kürzeste Entfernung zwischen den beiden Apotheken ca. 370 m betrage. Diese Strecke sei begehbar und auch mit dem Pkw befahrbar. Die vom Baubezirksamt Hermagor gemessene Route führe zur Gösseringlände, von dort aus sei die Apotheke zu Fuß erreichbar (ca. 80 m). Die mitbeteiligte Partei habe das Gutachten der Vermessungskanzlei Dipl. Ing. M vom 4. August 1998 vorgelegt, aus welchem sich ergeben sollte, dass die Entfernung über die Gösseringlände 505 m, über die Eggerstraße 507 m und über die 10. Oktober-Straße 544 m betrage. Auf Grund eines Ortsaugenscheines habe die Bezirkshauptmannschaft Hermagor sodann die exakte Entfernung zwischen der geplanten Apotheke der mitbeteiligten Partei und der bestehenden Apotheke der beschwerdeführenden Partei, jeweils von Eingangstür zu Eingangstür auf kürzestem Weg für verschiedene Routen durch Messung ermittelt.

Dabei sei für die Route über die Gösseringlände eine Entfernung von ca. 518 m ermittelt worden. Die anderen Routen hätten ca. 500 m, ca. 523 m bzw. ca. 534 m (über die 10. Oktober-Straße, die Eggerstraße bzw. eine alternative Route unter Benützung der 10. Oktober-Straße) ergeben.

Der Leiter des Baubezirksamtes Hermagor, Ing. B, hätte jedoch am 5. Februar 1999 die exakte Entfernung zwischen der Betriebsstätte der bestehenden Apotheke der Beschwerdeführerin und der zu errichtenden Apotheke der mitbeteiligten Partei unter Zuhilfenahme eines Messrades festgestellt. Dabei sei eine Entfernung von einem angenommenen Fixpunkt vor dem Multifunktionsprojekt von 444, 427, 446 bzw. 458 m festgestellt worden, wobei noch eine Distanz von 50,5 m vom angenommenen Fixpunkt bis zum Apothekeneingang im Multifunktionsprojekt hinzugerechnet wurde.

Die Begehung der Strecke sei im Beisein von Herrn Mag. N von der Bezirkshauptmannschaft Hermagor erfolgt. Dieser habe zur Diskrepanz zwischen der Messung von Ing. B und jener der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 20. November 1998 angegeben, dass das Gutachten des Ing. B sich durch eine präzisere Vorgangsweise auszeichne. Bei der Messung am 20. November 1998 sei man von einem Fußpunkt der Fußgängerrampe ausgegangen, der planlich nicht bestimmbar sei. Ing. B sei von einem plangetreuen Fixpunkt ausgegangen. Es sei schlüssig und nachvollziehbar, welche Strecke mit dem Messrad gemessen und welche aus dem Plan ermittelt worden sei. Die in den Plänen von Dipl. Ing. M eingezeichneten Routen führten von der neuen Apotheke zunächst nach Osten bis unmittelbar an die Gösseringlände, um dann wieder nach Westen in einer lang gezogenen Schleife weiterzuführen. Durch die geplante Zufahrtsstraße zum Multifunktionsprojekt sei zu erwarten, dass die Fußgänger schon früher abbiegen würden.

Mit Schreiben vom 6. Mai 1999 habe die Rechtsvertreterin der mitbeteiligten Partei einen Auswechslungsplan über das Multifunktionsprojekt Hermagor vorgelegt, aus dem sich die genaue Lage und die Erreichbarkeit des Geschäftslokals ergäben. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass nach dem Schneeräumplan der Stadtgemeinde Hermagor die Räumung der Rampe FF-Haus B 111 erst an

14. Stelle stehe. Die Rampe könne daher nicht der Ermittlung der Entfernung zwischen der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke und der neuen Apotheke zu Grunde gelegt werden, weil dieser Weg im Winter erst spät, wenn überhaupt, geräumt werde und durch die Schneeräumung auf der B 111 selbst so viel Schnee auf den Weg geleert werde, dass von einer ganzjährigen Benützung dieses Weges nicht die Rede sein könne.

Die Behörde erster Instanz legte der Entscheidung sodann die Messergebnisse des Leiters des Baubezirksamtes, Ing. B, zu Grunde. Die kürzeste Verbindung betrage somit 427 m, bei Berücksichtigung einer Werbeträgerwand 436 m (Wegstreckenverlängerung vom alten zum neuen Eingang 9,27 m). Auch die auf Grund des vorgelegten Auswechslungsplanes über das Multifunktionsprojekt Hermagor erfolgte Ermittlung zwischen den Betriebsstätten auf der genannten Route durch Ing. B habe ergeben, dass die Entfernung weniger als 500 m betrage (und zwar ca. 485 m). Weder durch die Planung einer Werbeträgerwand vor der Apotheke noch durch die Planung einer Stützmauer werde die gesetzlich geforderte Mindestentfernung von 500 m erreicht.

Die Behörde erster Instanz ging dabei davon aus, dass die von der mitbeteiligten Partei genannte Rampe FF-Haus B 111 im Schneeräumplan der Stadtgemeinde enthalten sei und eine Betreuung des Gehweges durch die Gemeinde erfolge, sodass die ganzjährige Benützbarkeit des Weges nachgewiesen sei. Zu den von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Plänen der Vermessungskanzlei Dipl. Ing. M sei festzuhalten, dass die Wegermittlung über die Eggerstraße 488 m und über die 10. Oktober-Straße 532 m ergeben habe. Die von der mitbeteiligten Partei selbst vorgelegte graphische Wegermittlung der Kanzlei Dipl. Ing. M über die Eggerstraße liege somit mit 488 m ebenfalls unter der gesetzlichen Mindestentfernung von 500 m.

Wenn in dem von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Vermessungsplan vom 4. August 1998 der Weg über die Eggerstraße mit 507 m und über die 10. Oktober-Straße mit 544 m ermittelt werde, so berücksichtigten diese Pläne nicht die kürzeste Verbindung zwischen der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke und der neuen Apotheke über die Feuerwehrausfahrt entlang der Weißensee-Bundesstraße durch die 10. Oktober-Straße und die Hauptstraße, sondern gingen von längeren Routen aus.

Da somit die Voraussetzung des § 10 Abs. 2 Z 2 Apothekengesetz nicht erfüllt sei, sei dem Antrag keine Folge zu geben gewesen.

1.2. Die mitbeteiligte Partei erhob Berufung.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung Folge gegeben und der mitbeteiligten Partei die beantragte Konzession "mit der Betriebsstättenadresse im Multifunktionsprojekt HERMAGOR an der Gailstraße mit dem genau dargestellten Eingang entsprechend der beiliegenden planmäßigen Darstellung des Objektes und dem genau eingezeichneten Eingang der beantragten Apotheke sowie dem auf diese Betriebsstätte mit diesem Eingang eingeschränkten Standort" erteilt. Der Plan der Vermessungskanzlei Dipl. Ing. M und der Plan "Grundriss Erdgeschoß Apotheke" des Architekten J bildeten einen integrierenden Bestandteil des Spruches des Bescheides. Der Einspruch der beschwerdeführenden Partei wurde als unbegründet abgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens in der ersten Instanz und des wesentlichen Inhalts der Berufung aus, dass seit der Berufungsvorlage im Juni 1999 über drei Jahre fortlaufend Messungen durchgeführt, Gutachten und Gegengutachten vorgelegt und zwischen den Parteien "im Rahmen des Parteiengehörs ausgetauscht" und wiederum neue Messungen durchgeführt worden seien. Das Multifunktionsprojekt sei in der Zwischenzeit auch gebaut worden und es seien dadurch Messungen am Gebäudekomplex ermöglicht worden.

In der Folge gibt die belangte Behörde den Inhalt verschiedener Stellungnahmen wieder und referiert, welche Verfahrensschritte hinsichtlich der Feststellung der Entfernung zwischen den Apotheken gesetzt worden seien. Unter anderem wird auf ein Messprotokoll der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 29. August 2000 verwiesen, in welchem die Entfernung von fünf verschiedenen Routen zwischen 439 m und 516 m (vier Routen unter 500 m) angegeben seien.

Die mitbeteiligte Partei habe darauf verwiesen, dass im Multifunktionsprojekt Hermagor auch das Tourismusbüro etabliert sei und in diesem Zusammenhang die Errichtung einer Busbucht beschlossen worden sei, sodass die Rampe FF-Haus B-111 aufgelassen werde. Die graphische Ermittlung durch die Vermessungskanzlei Dipl. Ing. M vom 28. April 2000 habe ergeben, dass die Entfernung über die Eggerstraße 536 m, über die 10. Oktober-Straße 565 m betrage. Die von der beschwerdeführenden Partei im Verfahren vorgelegten Angaben von Dipl. Ing. Z könnten hinsichtlich der mit 425,6 m angegebenen Route nicht herangezogen werden, da in diesem Fall ein Durchlass berücksichtigt werde, der nicht öffentlich zugänglich sei. Diesbezügliche Messungen hätten mindestens 507 m ergeben. Auf Grund von Plänen und Fotos habe die mitbeteiligte Partei versucht darzulegen, dass die von Dipl. Ing. Z vorgenommene Entfernungsmessung nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspreche.

In der Folge wird das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 7. Jänner 2002 hinsichtlich des Bedarfs nach dem Apothekengesetz dargestellt.

Schließlich wird das weitere Geschehen im Zusammenhang mit dem Versuch der Bestimmung der Entfernung zwischen den Apotheken detailliert wiedergegeben und festgehalten, dass sich die mitbeteiligte Partei nach Vorlage eines Tauschvertrages zwischen der Stadtgemeinde Hermagor und der Q-GmbH, auf Grund dessen sich die Benützbarkeit eines Durchganges ergeben habe, zu umfangreichen Umbauten bzw. Umplanungen des Betriebsstättenlokales gezwungen gesehen habe (der Eingang in die Apotheke wurde so verlegt, dass der Weg von außen bis zu dem im Inneren des Gebäudes gelegenen Eingang möglichst lang ist; der Weg führt vom Eingang in das Center kommend am Apothekenlokal vorbei, an einem Stiegenhaus vorbei und sodann wieder zurück zu dem nun gebäudeinnenseitig gelegenen Eingang in die Apotheke).

In rechtlicher Hinsicht wird nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des Apothekengesetzes zunächst ausgeführt, dass auf Grund der verschiedenen Messungen durch verschiedene Gutachter die Berufungsbehörde "vor der Gutachtenserstellung" zu dem Schluss gekommen sei, dass die 500 m Mindestentfernung knapp überschritten sei (unter der "Gutachtenserstellung" ist offenbar das Gutachten der Kammer der Apotheker zur Bedarfsfrage gemeint). Zu diesem Zeitpunkt sei der Behörde noch nicht bekannt gewesen, dass der oben erwähnte Durchgang auf Grund der Tauschvereinbarung einen öffentlichen Weg darstelle. Es sei nicht von Bedeutung, wie der Tauschvertrag zu Stande gekommen sei; relevant sei lediglich die Tatsache, dass sich hiedurch eindeutig die Wegstrecke auf unter 500 m verkürzt habe. Die Tafel "Durchgang bis auf Widerruf gestattet" befinde sich nun nicht mehr bei diesem Durchgang. Die Berufungsbehörde gehe "vom gegebenen maßgeblichen Sachverhalt" aus, "nämlich dass bei Benützung dieses Weges die 500 m-Mindestentfernung ausschließlich nur dadurch überschritten" sei, dass die mitbeteiligte Partei "einen Umbau ihres Apothekenlokals vorgesehen" habe und mit dem neuen planmäßigen Eingang die gesetzlichen Voraussetzungen unbestreitbar vorlägen. Der gesetzliche Mindestabstand sei insofern auch für die beschwerdeführende Partei sichergestellt, als die Apothekenkonzession spruchgemäß nur mit diesem planmäßig ausgewiesenen neuen Eingang bewilligt worden sei und eine Betriebsanlagengenehmigung an anderer Stelle nicht erfolgen könne.

Da somit die Problematik der 500 m-Entfernung "endgültig weggefallen sei", sei die Frage des Bedarfes zu prüfen. Hiebei werde dem im Wesentlichen schlüssigen und vollständigen Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer gefolgt. In der Folge wird detailliert dargestellt, dass das Gutachten der Apothekerkammer hinsichtlich der Zweitwohnungsbesitzer nur eine wesentlich geringere Zurechnung als in anderen Gebieten vorgenommen habe, dass aus bestimmten Ortschaften nur einige ständige Einwohner berücksichtigt worden seien und dass es sich bei Hermagor und Umgebung um ein Fremdenverkehrszentrum mit sehr hoher Nächtigungszahl handle. Der Touristenstrom erhöhe sich nach wie vor, nicht zuletzt von der auch den Medien zu entnehmenden Eröffnung der neuen Kabinenbahn auf das Nassfeld. Die Fremdennächtigungen seien im Gutachten - stark abgegrenzt durch das entfernungsmäßig maßgebliche Versorgungsgebiet der bestehenden öffentlichen Apotheke - mit einem Einwohnergleichwert von 1.263 ermittelt worden. Dabei sei ein Divisor von 365 zu Grunde gelegt worden, wohingegen die beschwerdeführende Partei darauf hingewiesen habe, dass der Tagesdivisor in internen Untersuchungen der Österreichischen Apothekerkammer auf 620 korrigiert worden sei. Das in diesem Zusammenhang genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2002, Zl. 2000/10/0022, habe jedoch eine gänzlich andere Region (Laxenburg) betroffen; diese sei in keiner Weise mit einem Fremdenverkehrszentrum wie dem Nassfeld zu vergleichen. Wenn man aber - wollte man der beschwerdeführenden Partei folgen - einen Divisor von 620 für die Bestimmung der Einwohnergleichwerte auf Grund der Fremdennächtigungen heranziehen wollte, so ergäbe sich zwar an Stelle der Zahl von 5.959 zu versorgenden Personen eine Zahl von

5.439 Personen, die sich jedoch auf Grund der "seit damals erhöhten Fremdennächtigungszahl und der sonstigen im Gutachten unberücksichtigt gebliebenen Faktoren wiederum auf weit über 5.500 zu versorgenden Personen" erhöhe.

Unberücksichtigt sei unter anderem geblieben, dass Hermagor als Bezirksstadt mit 21 Arztordinationen mit einer hohen Fachärztedichte (elf Fachärzte), die auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als Einflutungserreger gälte, auch noch weitere zu versorgende Personen anziehe. Außerdem sei mit der Erweiterung der Gailtalklinik zu rechnen sowie der Bau weiterer Hotels in Tröpolach geplant.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Dieser Stellungnahme ist auch eine Bilddokumentation angeschlossen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2001 (ApG), ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

Ein Bedarf besteht gemäß § 10 Abs. 2 ApG nicht, wenn

1. sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als

5.500 betragen wird.

Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind gemäß § 10 Abs. 4 ApG die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinn des Abs. 3 und 4 weniger als 5.500, so sind gemäß § 10 Abs. 5 ApG die auf Grund Beschäftigung, die Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

Zur Frage des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist gemäß § 10 Abs. 7 ApG ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß § 29 Abs. 4 und 5 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen.

Gemäß § 68a Abs. 2 ApG in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2002 waren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle BGBl. I Nr. 65/2002 (das war der 1. August 2002) anhängige Verfahren nach den bis dahin geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Die belangte Behörde war daher auch zuständig, über die bei ihr am 1. August 2002 anhängige Berufung zu entscheiden.

2.2. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid zunächst davon ausgegangen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 2 Z 2 ApG bezüglich des Abstandes zwischen der bestehenden öffentlichen Apotheke und der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke von mehr als 500 m gegeben sei.

2.3 Die beschwerdeführende Partei ist dem unter Hinweis auf die Messungen der Bezirkshauptmannschaft Hermagor, die von ihr selbst im Verfahren vorgelegten Gutachten des Dipl. Ing. Z und schließlich mit dem Hinweis darauf, dass das von der belangten Behörde letztlich ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Gutachten von Dipl. Ing. M ("graphische Wegermittlung" vom 28. März 2002) der beschwerdeführenden Partei nicht im Rahmen des Parteiengehörs zur Stellungnahme vorgehalten worden sei, entgegen getreten.

Wäre dies geschehen, hätte die Beschwerdeführerin bereits im Verfahren vor der belangten Behörde ein Gegengutachten des Dipl. Ing. Z, welches der Beschwerde angeschlossen ist, vorlegen können. Aus diesem Gutachten ergebe sich, dass selbst bei Verwendung der von der Kanzlei Dipl. Ing. M benützten Wege lediglich eine Entfernung von 475 m gegeben sei (auch wenn man durch das Stiegenhaus im Multifunktionsprojekt gehe). Dipl. Ing. M komme nur deshalb auf 503 m, weil er nicht von einer natürlichen Gehlinie bei Kurven und Ecken ausgehe, sondern immer den längstmöglichen Radius heranziehe; dazu wird insbesondere auch auf die im Stiegenhaus eingezeichnete Gehlinie, die auch um die Ecken herum mittig angelegt worden sei, verwiesen.

2.4. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Festzuhalten ist zunächst, dass die belangte Behörde dem Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs nicht entgegen getreten ist und dem Akt auch nicht zu entnehmen ist, ob das Gutachten zur Wegermittlung durch die Vermessungskanzlei Dipl. Ing. M der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt wurde (in Zl. 262.711/2-VI/D/5/2002, unter welcher Zahl den Parteien mit Schreiben vom 29. Mai 2002 weitere Ermittlungsergebnisse zur Stellungnahme übermittelt wurden, liegt zwar ein Schreiben der Vertreterin der mitbeteiligten Partei, mit welchem ein Gutachten der Kanzlei M vom 14. März 2002 übermittelt wurde, ob die entsprechende Beilage jedoch dem Schreiben vom 29. Mai angeschlossen wurde, ist nicht ersichtlich). Mit Schreiben vom 29. Mai 2002 wurde den Parteien offenbar lediglich der Umstand bekannt gegeben, dass der im Zuge des letztlich herangezogenen Weges zu benützende Durchgang ein öffentlicher Weg sei.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar weitwendig das Verwaltungsgeschehen und die verschiedenen, miteinander nicht in Einklang stehenden Gutachten, die unter Heranziehung der verschiedensten Wegvarianten und Berechnungsmethoden zu einer Vielzahl divergierender Ergebnisse für die Entfernung zwischen den beteiligten Apotheken kommen, wiedergegeben (dabei insbesondere auch solche, die die sogenannte Werbeträgerwand, die innerhalb des Multifunktionszentrums geplant war, nun aber offenbar nicht errichtet wurde, berücksichtigten oder nicht berücksichtigten, was für die Entscheidung des Falles ohne Relevanz ist, weil der Weg im Multifunktionszentrum laut dem zum integrierenden Bestandteil erklärten Plan von Dipl. Ing. J unabhängig von der Errichtung einer solchen Werbeträgerwand, die ursprünglich den Gang vor der Apotheke geteilt hätte, geführt wird), jedoch nicht ausreichend dargelegt, aus welchen Erwägungen sie davon ausgeht, dass die Entfernung mehr als 500 m betrage.

Es wird weder begründet, weshalb die im Gutachten von Dipl. Ing. M vermessene Route die kürzeste sei, noch geht die belangte Behörde näher auf die konkrete Berechnung der Entfernung in diesem Gutachten, die von der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 91/17/0140, grundsätzlich als geboten angesehenen Methode abweicht, ein (vgl. zur Möglichkeit, dass es kürzere Wegverbindungen geben könnte, auch das Schreiben der Österreichischen Apothekerkammer vom 28. Februar 2002).

Aus welchem Grund jene Ermittlungsergebnisse, die für einzelne Wegvarianten zu einer geringeren Entfernung kommen, unzutreffend wären, wird nicht näher dargetan. Es wird nicht begründet, weshalb die übrigen im Laufe des Verwaltungsverfahrens von den verschiedenen Gutachtern untersuchten Wege bei der Bestimmung der Entfernung zwischen den Eingängen der beteiligten Apotheken nicht herangezogen werden können oder aber die entsprechenden Messungen oder Berechnungen falsch wären. Der angefochtene Bescheid leidet insoweit an einem Begründungsmangel.

Angesichts der geringfügigen Überschreitung des Werts von 500 m auch bei Heranziehung der von der belangten Behörde zu Grunde gelegten Variante führt schon der Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs, in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen, welches die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufzeigt, die Beschwerde zum Erfolg. Die belangte Behörde hat das letztlich von ihr dem Bescheid zu Grunde gelegte Gutachten der Beschwerdeführerin nach dem Vorgesagten nicht zur Stellungnahme übermittelt. Da selbst nach dem von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Gutachten die Entfernung lediglich 503 m betragen soll, ist dieser Verfahrensmangel auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. zu einem ähnlichen Fall der Zugrundelegung eines der beschwerdeführenden Partei nicht zur Stellungnahme übermittelten Gutachtens betreffend die Entfernung das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 91/10/0140).

2.5. Im Einzelnen ist zu der von der belangten Behörde der Entscheidung zu Grunde gelegten Annahme der Überschreitung der Entfernung von 500 m Folgendes auszuführen:

Zunächst ist in rechtlicher Hinsicht darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass die hier interessierende Entfernung zwischen den beteiligten Apotheken (den Betriebsstätten) auf der kürzesten Linie zu erfolgen habe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 91/10/0140). Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei weiters unter Hinweis auf die Materialien zur Apothekengesetz Novelle 1984, BGBl. Nr. 502, davon ausgegangen, dass nicht die Luftlinie ausschlaggebend sei, sondern der Fußweg (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1999, Zl. 98/10/0348). Nach der Rechtsprechung ist schließlich - worauf die mitbeteiligte Partei in ihrer Berufung zutreffend hingewiesen hat - die kürzeste Verbindung jedenfalls dann, wenn keine besonderen Gründe gegen diese Methode sprächen, durch Messung in der Mitte der Verkehrsflächen zu bestimmen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 91/10/0140).

Einerseits geht die belangte Behörde zunächst davon aus, dass durch die von ihr genannte Tauschvereinbarung sich die Wegstrecke "eindeutig" auf unter 500 m verkürze; andererseits kommt sie ohne nähere Erläuterungen im Anschluss daran zum Ergebnis, dass auf Grund des Umbaus des Apothekenlokals die Entfernung doch mehr als 500 m betrage. Welcher Weg innerhalb des Multifunktionsprojekts dieser Annahme zu Grunde gelegt wurde und wie die Berechnung von dessen Länge erfolgte, ist ebenso wenig ersichtlich wie eine Begründung für den dieser Berechnung zu Grunde liegenden Verlauf des Weges bis zum Multifunktionsprojekt Hermagor.

Es ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, warum der Berechnung nicht - entsprechend dem hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 91/10/0140 - die in der Mitte der Verkehrsflächen gemessenen Entfernungen zu Grunde gelegt wurden. Ein Abgehen von der in diesem Erkenntnis zu Grunde gelegten Berechnungsart wäre im Besonderen begründungspflichtig.

Zum Begründungsmangel hinsichtlich der Frage, welche Route für die Berechnung des Mindestabstandes heranzuziehen ist, ist weiters darauf zu verweisen, dass im Verwaltungsverfahren auch verschiedene Alternativrouten geprüft und ihre Länge mit weniger als 500 m angegeben wurden. Die Österreichische Apothekerkammer ist im oben zitierten Schreiben offenbar davon ausgegangen, dass diese Routen durchaus maßgeblich sein könnten. Der angefochtene Bescheid lässt eine Begründung dafür vermissen, aus welchen Gründen diese Routen nicht herangezogen werden können bzw. ob und inwieweit bei der Vermessung bzw. Bestimmung der Entfernung Fehler unterlaufen wären (oder ob diese Routen ebenfalls wegen des nunmehr längeren Weges zum Apothekeneingang innerhalb des Multifunktionsprojekts über 500 m betragen).

2.6. Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet hat, bei deren Vermeidung sie zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 9. August 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003100222.X00

Im RIS seit

20.09.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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