TE OGH 1997/7/10 2Ob169/97k

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Veröffentlicht am 10.07.1997
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Otto Hauck und Dr.Julius Bitter, Rechtsanwälte in Kirchdorf/Krems, wider die beklagte Partei Gemeinde M*****, vertreten durch Dr.Erich Bernögger, Rechtsanwalt in Windischgarsten, wegen S 99.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Berufungsgericht vom 11. Februar 1997, GZ 5 R 129/96k-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kirchdorf/Krems vom 26. September 1996, GZ 2 C 409/94w-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 24.749,30 (darin S 3.021,56 Umsatzsteuer und S 6.620 Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Gemeinde als Straßenhalterin den Ersatz von drei Vierteln ihres Fahrzeugschadens, den sie am 4.12.1993 erlitten habe, weil die verantwortlichen Leute der beklagten Partei grob fahrlässig die Fahrbahn der Schiefer Bezirksstraße beim Straßenkilometer 2,540 in Seebach mangelhaft gestreut hätten, wodurch die Lenkerin des klägerischen Schulbusses von der Fahrbahn abgekommen und am Fahrzeug Totalschaden eingetreten sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung es Klagebegehrens und wandte ein, die Fahrbahn der Schiefer Bezirksstraße sei noch in den früheren Morgenstunden des Unfallstages - bis knapp vor der Unfallstelle, nur wenige hundert Meter vor der Sprengelgrenze - kontrolliert und ohne Vereisung sowie ausreichend gestreut befunden worden, eine Vereisung im Unfallszeitpunkt an der Unfallstelle sei nicht vorhersehbar gewesen, der Unfall sei allein auf das technisch unrichtige Fahrverhalten der Lenkerin des Klagsfahrzeuges zurückzuführen.

Das Erstgericht wies - wie schon in seinen beiden vorhergehenden Urteilen vom 3.12.1994 (ON 14) und vom 14.11.1995 (ON 23), welche jeweils vom Gericht zweiter Instanz ohne Zulassung eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof aufgehoben wurden (ON 20 und ON 29) - mit Urteil vom 26.9.1996 (ON 30) das Klagebegehren ab. Neben umfangreichen, teils zufolge der berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlüsse erweiterten Feststellungen über die im späteren Unfallsbereich herrschenden Witterungs- und Fahrbahnverhältnisse während der dem Unfallstag vorangegangenen Tage und am Unfallstag selbst sowie über die Kontrolleinsätze der für die beklagte Gemeinde tätigen Leute ihres Bauhofes traf das Erstgericht noch folgende Feststellungen über den Unfallsablauf:

Die Lenkerin des klägerischen Fahrzeuges, eines Schulbusses, lenkte dieses am 4.12.1993 gegen 7,25 Uhr auf der Schiefer Bezirksstraße mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 km/h talwärts. Die Fahrbahn beschreibt in der Annäherungsrichtung des Klagsfahrzeuges vorerst eine Linkskurve, in welcher sie die Richtung um 180 Grad ändert, verläuft dann etwa 15 m gerade und geht sodann in eine Rechtskurve mit einem Krümmungsradius von etwa 25 m über, die ein (Längs-)Gefälle von etwa 10 % und ein Quergefälle zur Kurveninnenseite von etwa 5 % aufweist. Zur Unfallszeit war die Schiefer Bezirksstraße im Unfallsbereich durch gefrorenes Schmelzwasser im Bereich nach dem Scheitel der beschriebnen Rechtskurve mit geringer Tiefe vereist. Diese vereiste Stelle war für das Unfallsgeschehen aber irrelevant. Daß neben dieser (und auch weiter bergwärts vorhandenen, von der Lenkerin des Klagsfahrzeuges aber bereits schadlos passierten) Stelle noch weitere Vereisungen der Straße im Unfallsbereich vorhanden waren, konnte nicht festgestellt werden. Der mit vier Winterreifen ausgestattete Schulbus schleuderte bereits deutlich vor dem Scheitel der beschriebenen Rechtskurve, der Schleuderbeginn liegt etwa im Bereich des Kurvenbeginns, das ist zugleich rund 35 m vor der kurveninneseitigen späteren Absturzstelle. Die Ursache für das Schleudern des Klagsfahrzeuges (Ausbrechen des Hecks im Gegenuhrzeigersinn) lag darin, daß die Lenkerin in Annäherung an die Rechtskurve versuchte, ihre Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren, und gleichzeitig mit dem Einlenken in die Rechtskurve auch die Bremsen betätigte. Das Fahrzeug drehte daraufhin in die Kurveninnenseite hinein (passierte nach den vom Erstgericht übernommenen Ausführungen des Sachverständigen (AS 55) die vereiste Stelle bereits in Querstellung von rund 90 Grad zur Fahrbahnlängsachse, wodurch der Schleudervorgang auch nicht verändert wurde) und kam über den rechten Fahrbahnrand hinaus von der Fahrbahn ab. Hätte die Lenkerin des Klagsfahrzeugs bei der für die Rechtskurve nicht überhöhten Geschwindigkeit von 25 km/h die Bremse wieder gelöst, hätte sie die Kurve mit dosiertem Lenken unfallfrei befahren können.

In rechtlicher Hinsicht befand das Erstgericht unter Hervorhebung seiner Bindung an die berufungsgerichtlichen Rechtsansichten, daß die Haftungsvoraussetzungen des § 319a ABGB mangels des dort geforderten Verschuldens der (Leute der) beklagten Partei nicht gegeben seien.In rechtlicher Hinsicht befand das Erstgericht unter Hervorhebung seiner Bindung an die berufungsgerichtlichen Rechtsansichten, daß die Haftungsvoraussetzungen des Paragraph 319 a, ABGB mangels des dort geforderten Verschuldens der (Leute der) beklagten Partei nicht gegeben seien.

Das Gericht zweiter Instanz änderte infolge Berufung der klagenden Partei das Ersturteil im Sinne der Klagsstattgebung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen vertrat es die Rechtsansicht, die beklagte Gemeinde habe den Schaden der klagenden Partei zu ersetzen, weil ihre mit den Straßerhalterpflichten betrauten Leute vor dem gegenständlichen Unfall grob fahrlässig die Kontrolle und entsprechende Absicherung des Unfallsbereichs unterlassen hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das zweitinstanzliche Urteil wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt allerdings nicht vor, weil das zweitinstanzliche Urteil für die Zwecke seiner Überprüfung ausreichend begründet ist und ein Urteilswiderspruch, der den Spruch der Entscheidung beträfe, nicht vorliegt (s hiezu die Nachweise bei Kodek in Rechberger, ZPO Rz 12 zu § 477).Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des Paragraph 477, Absatz eins, Ziffer 9, ZPO liegt allerdings nicht vor, weil das zweitinstanzliche Urteil für die Zwecke seiner Überprüfung ausreichend begründet ist und ein Urteilswiderspruch, der den Spruch der Entscheidung beträfe, nicht vorliegt (s hiezu die Nachweise bei Kodek in Rechberger, ZPO Rz 12 zu Paragraph 477,).

Auch die gerügte Aktenwidrigkeit liegt - mangels Relevanz der davon betroffenen Umstände - nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).Auch die gerügte Aktenwidrigkeit liegt - mangels Relevanz der davon betroffenen Umstände - nicht vor (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

In der Sache ist die Revision allerdings berechtigt:

Die in § 1319a ABGB angeordnete Wegehalterhaftung kommt schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (§ 1319a (1) "Wird durch den mangelhaften Zustand des Weges.... eine Sache beschädigt, so haftet.....") nur dann zur Geltung, wenn der als Mangel behauptete und festgestellte Zustand des Weges den Schaden auch herbeigeführt hat, also für diesen ursächlich war (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II 199; Reischauer in Rummel2 Rz 6 zu § 1319a). Im vorliegenden Fall war die einzig festgestellte Vereisungsstelle im näheren Unfallsbereich für die Schadensentstehung nach den maßgebenden Feststellungen des Erstgerichtes, die insoweit von der klagenden Partei in ihrer Berufung unbekämpft blieben, nicht kausal, weil durch sie der zum Unfall und zum Schaden führende Schleudervorgang des klägerischen Fahrzeuges weder eingeleitet, noch verändert wurde. Das Schadensereignis ist danach vielmehr allein auf das fahrtechnisch unrichtige Verhalten der Lenkerin des Klagsfahrzeuges vor und bei der Befahrung der unfallsgegenständlichen, abfallenden Rechtskurve zurückzuführen, weil sie zugleich mit dem Rechtslenken die Bremsen betätigte und durch die Beibehaltung dieses Fahrverhaltens trotz Einhaltung einer nicht überhöhten Kurvengeschwindigkeit die Schleuderbewegung entgegen dem Uhrzeigersinn zur Kurveninnenseite hin bis zum Absturz von der Fahrbahn bewirkte, was vermieden worden wäre, wenn sie die Bremse gelöst hätte.Die in Paragraph 1319 a, ABGB angeordnete Wegehalterhaftung kommt schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (Paragraph 1319 a, (1) "Wird durch den mangelhaften Zustand des Weges.... eine Sache beschädigt, so haftet.....") nur dann zur Geltung, wenn der als Mangel behauptete und festgestellte Zustand des Weges den Schaden auch herbeigeführt hat, also für diesen ursächlich war (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht römisch II 199; Reischauer in Rummel2 Rz 6 zu Paragraph 1319 a,). Im vorliegenden Fall war die einzig festgestellte Vereisungsstelle im näheren Unfallsbereich für die Schadensentstehung nach den maßgebenden Feststellungen des Erstgerichtes, die insoweit von der klagenden Partei in ihrer Berufung unbekämpft blieben, nicht kausal, weil durch sie der zum Unfall und zum Schaden führende Schleudervorgang des klägerischen Fahrzeuges weder eingeleitet, noch verändert wurde. Das Schadensereignis ist danach vielmehr allein auf das fahrtechnisch unrichtige Verhalten der Lenkerin des Klagsfahrzeuges vor und bei der Befahrung der unfallsgegenständlichen, abfallenden Rechtskurve zurückzuführen, weil sie zugleich mit dem Rechtslenken die Bremsen betätigte und durch die Beibehaltung dieses Fahrverhaltens trotz Einhaltung einer nicht überhöhten Kurvengeschwindigkeit die Schleuderbewegung entgegen dem Uhrzeigersinn zur Kurveninnenseite hin bis zum Absturz von der Fahrbahn bewirkte, was vermieden worden wäre, wenn sie die Bremse gelöst hätte.

Die Sache ist daher im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles spruchreif. Auf die praktisch ausschließlich zum Vorliegen und Ausmaß eines Verschuldens der Leute der beklagten Partei erstatteten Rechtsmittelausführungen der Parteien kommt es nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 50,, 41 ZPO.

Anmerkung

E46945 02A01697

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0020OB00169.97K.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19970710_OGH0002_0020OB00169_97K0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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