TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/11 B383/01

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Wr PensionsO 1995 §3 ff
Wr Ruhe- und VersorgungsgenußzulageG 1995 §3 ff

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Festsetzung einer Ruhegenusszulage; Festsetzung einer Zulage und deren Höhe im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Juli 2000 mit Ablauf des 31. August 2000 gemäß §68 Abs1 Z1 Wiener Pensionsordnung 1995 (PO) in den Ruhestand versetzt. Zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung wies er eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 42 Jahren auf.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß §§3 ff PO ab dem 1. September 2000 eine Ruhegenuss von monatlich ATS 44.101,60 und gemäß §§3 bis 5 und 9 des Wiener Ruhe- und Versorgungsgenusszulagegesetz 1995 (RVZG) ab dem selben Zeitpunkt eine Ruhegenusszulage von ATS 4.261,38 monatlich gebührten.

Mit Schriftsatz vom 13. November 2000 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid eine Berufung, die sich - mit näherer Begründung - gegen die Festsetzung der Ruhegenusszulage richtete.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 29. Jänner 2001 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus: Gemäß §5 Abs1 RVZG betrage die Ruhegenusszulage den vierzehnten Teil von 3,2 % der Bemessungsgrundlage. Wenn aber ein Beamter mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate aufweise, dann sei der maßgebliche Prozentsatz im Wege der Division der Zahl 960 durch die Anzahl der Nebengebührenbezugsmonate zu ermitteln (§5 Abs3 RVZG). Daraus ergebe sich für den Berufungswerber ein Prozentsatz von 2,167. Aus §3 Abs2 RVZG, wonach als Nebengebührenbezugsmonat jeder Kalendermonat gelte, in dem mindestens eine nach dem RVZG anrechenbare Nebengebühr bezogen wurde, folge, dass die Nebengebührenbezugsmonate nach ihrem zeitlichen Anfall (somit chronologisch die ersten 300 Monate) zu erfassen seien. Eine Verpflichtung, für die Vergleichsberechnung die letzten 300 Nebengebührenbezugsmonate heranzuziehen, könne aus dem Wortlaut des §5 Abs2 RVZG nicht entnommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützt Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der verfassungswidrigen Bestimmungen des §5 Abs2 und 3 RVZG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Verwaltungsakten einen Gegenschrift erstattete, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4. Auf diese Gegenschrift hat der Beschwerdeführer repliziert.

II. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des RVZG 1995 lauten auszugsweise wie folgt:

"Anspruch auf die Ruhegenußzulage

§3. (1) Dem Beamten des Ruhestandes gebührt zum Ruhegenuß eine monatliche Ruhegenußzulage, wenn er nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien mindestens 60 Nebengebührenbezugsmonate aufweist.

(2) Als Nebengebührenbezugsmonat gilt jeder Kalendermonat, in dem mindestens eine im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbare Nebengebühr bezogen wurde.

Bemessungsgrundlage der Ruhegenußzulage

§4. (1) Die Bemessungsgrundlage der Ruhegenußzulage ist die Summe der nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien bezogenen, im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbaren Nebengebühren.

...

Ausmaß der Ruhegenußzulage

§5. (1) Die Ruhegenußzulage beträgt den vierzehnten Teil von 3,2 % der Bemessungsgrundlage.

(2) Bei Beamten, die mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate aufweisen, ist für die Ermittlung der Ruhegenußzulage an Stelle des Prozentsatzes 3,2 ein nach Abs3 zu ermittelnder Prozentsatz anzuwenden; es gebührt jedoch mindestens die Ruhegenußzulage, die bei 300 Nebengebührenbezugsmonaten gebührt hätte.

(3) Bei Beamten, die mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate aufweisen, ergibt sich der Prozentsatz durch die Division der Zahl 960 durch die Anzahl der Nebengebührenbezugsmonate.

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen.

1. Der Beschwerdeführer bringt auf das Wesentliche zusammengefasst vor:

1.1 Die Bestimmungen des §5 Abs2 und 3 RVZG stelle eine sachwidrige Regelung dar, da sie jene Beamte, die mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate erworben hätten, schlechter stelle als solche Beamte, die diese 300 Monatsgrenze nicht überschritten hätten. Der im §5 Abs3 RVZG vorgesehene Berechnungsmodus bewirke nämlich, dass bei Vorliegen von mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonaten der prozentuelle Anteil der Ruhegenusszulage am Durchschnittsbetrag der bezogenen Nebengebühren nicht mehr anwachse, während er bis dahin kontinuierlich steige. Auch die Begünstigungsvorschrift des 2. Halbsatzes des §5 Abs2 RVZG vermöge diese Schlechterstellung nicht zu beseitigen. Diese Regelung führe dazu, dass jene Beamte, welchen über einen langen Zeitraum ein "höhere Leistung abverlangt worden" sei, schlechter gestellt würden "als jene Beamten, von denen - im Hinblick auf einen kürzeren Leistungszeitraum - eine geringere Leistung abverlangt worden" sei. Ein Systembruch liege auch darin, dass sich aus der Regelung des §3 RVZG ergäbe, dass längere gegenüber kürzeren Zeiten begünstigt werden sollten. Überdies sei rechnerisch nachzuweisen, dass die Ruhegenusszulage umso mehr sinke, je niedriger die Nebengebühren in den den Zeitraum von 300 Monaten übersteigenden Monaten gewesen sei.

1.2. Überdies habe die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, da sie chronologisch die ersten 300 Nebengebührenbezugsmonate zur Berechnung herangezogen habe. Die Interpretation hätte sich vielmehr daran zu orientieren, dass es sich "um einen Annex zum eigentlichen Pensionsrecht" handle, welches auf den letzten Aktivbezug abstelle, sodass auch bei der Interpretation des Zulagenrechtes "gedanklich von diesem Zeitpunkt auszugehen" sei.

Auch der Gesetzestext gebe Anlass zu einer solchen Interpretation. Der zweite Halbsatz des §5 Abs2 RZVG stelle eine Begünstigungsvorschrift dar, die verhindern solle, dass Beamte mit mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonaten schlechter gestellt würden als solche, die nur 300 Monate erworben hätten. Dieser Intention könne nur durch die Heranziehung der letzten

300 Nebengebührenbezugsmonaten entsprochen werden, nur dann könne nämlich der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Nebengebühren typischerweise mit der fortschreitenden Dauer der Dienstzeit anstiegen.

1.3. Es lägen überdies auch grobe Verstöße gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens vor, da weder die erste noch die zweite Instanz ein Parteiengehör eingeräumt hätten noch der entscheidungsrelevante Sachverhalt dargestellt worden sei.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2.1. Der Beschwerdeführer ist mit seinen Bedenken, die von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Bestimmungen seien unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes verfassungswidrig, nicht im Recht.

Das Gleichheitsgebot gebietet, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, lediglich, das System des Dienst-, Besoldung- und Pensionsrechtes derart zu gestalten, dass es im Großen und Ganzen in angemessenem Verhältnis zu den den Beamten obliegenden Pflichten steht. Der Gesetzgeber ist jedoch durch das Gleichheitsgebot nicht verhalten, jede über dem Durchschnitt liegende Leistung eines Beamten Zug um Zug finanziell abzugelten und schon gar nicht ist er gezwungen, hiefür eine (bestimmte) Zulage vorzusehen. Ebenso liegt es aber im Rahmen des dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz offen gelassenen Gestaltungsspielraumes zu bestimmen, ob, und unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß sich gesetzlich vorgesehene Nebengebühren auf die Höhe des dem Beamten gebührenden Ruhebezuges auswirken (vgl. zB VfSlg. 11.998/1989).

Der Gerichtshof hält es im Hinblick auf diese Vorjudikatur für zulässig, wenn Beamte, die mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate erworben haben, einer anderen Regelung unterworfen sind, als Beamte, die diese Grenze nicht überschritten haben, zumal durch den zweiten Halbsatz des §5 Abs2 RVZG sichergestellt ist, dass in jedem Fall mindestens die Ruhegenusszulage gebührt, die bei 300 Bezugsmonaten gebührt hätte.

Selbst wenn die Regelung unter Umständen zu unbefriedigenden Ergebnissen und Härten führte, berührte das ihre Sachlichkeit nicht (VfSlg. 11.998/1989).

2.2. Unter diesen Umständen würde der angefochtene Bescheid das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzen, wenn die Behörde bei seiner Erlassung den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicher Weise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte (vgl. dazu etwa VfSlg. 11.998/1989).

In diesem Zusammenhang erachtet der Verfassungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, sie habe zur Berechnung der Höhe der Ruhegenusszulage die ersten 300 Nebengebührenbezugsmonate heranzuziehen, - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht als denkunmöglich (vgl. dazu VwGH 16.12.1992, 91/12/0127).

3. Ausgehend davon, erachtet der Verfassungsgerichtshof den Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

4. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden wären.

5. Auch ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Parteiengehörs sowie die fehlende Begründung des bekämpften Bescheides ist nicht erkennbar, denn mit dieser Behauptung werden nur allfällige Vollzugsfehler geltend gemacht, die nicht in die Verfassungssphäre reichen. Ob das Gesetz von der belangten Behörde in jeder Hinsicht richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde, wie hier, gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann

(VfSlg. 13.291/1992, 13.513/1993).

Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet, sie war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Ruhegenuß, Zulage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B383.2001

Dokumentnummer

JFT_09979389_01B00383_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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