TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/20 2005/08/0094

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Veröffentlicht am 20.09.2006
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z3 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 27. April 2005, Zl. LGS600/SfA/0566/2005-SP/Pa, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem im Bezug von Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 9. März 2005 vom Arbeitsmarktservice Murau eine Stelle als Hubstaplerfahrer angeboten, wobei in der Stellenbeschreibung die Möglichkeit einer Ganztagesbeschäftigung bzw. Schichtarbeit genannt wird.

Gemäß einer mit dem Beschwerdeführer wegen des Nichtzustandekommens der zugewiesenen Beschäftigung am 17. März 2005 aufgenommenen Niederschrift gab dieser an, er habe persönlich beim potenziellen Arbeitgeber (nach der Aktenlage ein Personalvermittlungsunternehmen) vorgesprochen und sich bereits das zweite Mal um dasselbe Stellenangebot bemüht. Man habe ihm mitgeteilt, dass die Arbeitsstelle bereits besetzt sei. Im Gespräch habe er seine Selbständigkeit als Gastwirt kundgetan, dies sei jedoch in keiner Weise ein Hindernis für eine Arbeitsaufnahme.

In einer in der Niederschrift festgehaltenen vom Arbeitsmarktservice telefonisch eingeholten Stellungnahme des potenziellen Dienstgebers heißt es, der Beschwerdeführer habe "im Wege der Bewerbung" als Hubstaplerfahrer erklärt, er hätte wenig Zeit, weil er eine Nebenbeschäftigung ausübe und deshalb eine (Teilzeit-) Beschäftigung für ihn kaum in Frage komme. Er würde für eine Beschäftigungsmöglichkeit im Raum M aber weiterhin in Evidenz gehalten.

Dazu erklärte der Beschwerdeführer, die Angaben des potenziellen Dienstgebers seien wohl ein Irrtum, er sei auf alle Fälle arbeitswillig und stehe dem Arbeitsmarkt im vollen Umfang zur Verfügung.

Mit Bescheid vom 29. März 2005 hat das Arbeitsmarktservice Murau den Verlust des Anspruches des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe vom 14. März bis zum 24. April 2005 ausgesprochen und begründend ausgeführt, dass das in Rede stehende Dienstverhältnis durch das Verhalten des Beschwerdeführers beim Vorstellungsgespräch nicht zustande gekommen sei; Nachsichtsgründe lägen nicht vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, er habe am 21. Jänner und am 14. März 2005 wegen der Stelle als Staplerfahrer in W. beim potenziellen Dienstgeber vorgesprochen und beide Male erfahren, dass "keine passende Stelle für mich frei" gewesen sei. Beim ersten Mal sei dem Beschwerdeführer telefonisch abgesagt worden, beim zweiten Mal mit der Begründung, dass diese Stelle schon vergeben sei. Das Dienstverhältnis sei somit nicht auf Grund seines Verhaltens beim Vorstellungsgespräch nicht zustande gekommen. Dem Beschwerdeführer sei bei beiden Vorstellungsgesprächen zugesichert worden, dass man ihn in Evidenz halte.

Der Berufung legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des potenziellen Dienstgebers vom 4. April 2005 an die erstinstanzliche Behörde vor, in dem es unter anderem heißt, dass sich der Beschwerdeführer immer ordnungsgemäß gemeldet habe "und anscheinend wurde die letzte Meldung an das AMS Murau falsch verstanden", man sei an der Mitarbeit des Beschwerdeführers sehr interessiert, habe aber leider im Moment keine passende Stelle für den Beschwerdeführer. Da dieser eine lange Fahrtzeit nach Judenburg auf sich nehmen müsse, wolle man für eine entsprechende Entlohnung sorgen, die derzeit nicht gezahlt werden könne. Bei einer für den Beschwerdeführer passenden Stelle stünde seiner Aufnahme in den Personalstamm des Unternehmens nichts im Wege.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben.

In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen und Teile des eben zitierten Schreibens vom 4. April 2005 wieder und stellte fest, der Beschwerdeführer sei seit langem selbständig als Gastwirt tätig sowie, dass die angebotene Stelle erst am 24. März 2005 mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt worden sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer die angebotene Schichtarbeit zumutbar gewesen sei. Erwähne er während des Bewerbungsgespräches seine selbständige Tätigkeit als Gastwirt und die dafür notwendigen Arbeitszeiten, könne nicht erwartet werden, dass er für die angebotene Schichtarbeit in Betracht gezogen werde, sondern diese Stelle anderweitig besetzt werde. Selbst wenn der potenzielle Dienstgeber auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers Rücksicht nähme, habe der Beschwerdeführer durch sein Verhalten eine mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 77/2004 (vgl. § 79 Abs. 78 AlVG) verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z. 1 bis 4 folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn schon das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden:

Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit, etc.), oder aber dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 4. Juli 1995, Zl. 95/08/0099). Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, Slg. Nr. 13.722/A, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0050).

§§ 9 und 10 AlVG sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde ging von der unbekämpften Feststellung aus, dass die dem Beschwerdeführer zugewiesene Schichtarbeit erst nach seinem Vorstellungsgespräch mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt wurde. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht und die belangte Behörde geht davon aus, dass er beim Vorstellungsgespräch seine selbständige Tätigkeit und die damit verbundene zeitliche Einschränkung erwähnt hat.

Bei diesem Sachverhalt liegt vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage eine Vereitelung durch den Beschwerdeführer vor, weil dieser durch solche Äußerungen deutlich zu erkennen gegeben hat, dass er an der zugewiesenen Beschäftigung kein Interesse bzw. dafür keine Zeit hat. Da die Stelle im Zeitpunkt des Bewerbungsgespräches noch frei war und gegen die Anstellung des Beschwerdeführers keine anderen Einwände vorlagen, ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Beschwerdeführers und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses - ebenso wie sein Vorsatz in diese Richtung - zu bejahen.

Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer das Unterlassen der Einvernahme des "Verantwortlichen für Personalangelegenheiten" des potenziellen Dienstgebers über die Gründe des Unterbeleibens einer Einstellung. Der Beschwerdeführer führt allerdings nicht aus, welchen für ihn günstigeren Sachverhalt eine solche Einvernahme - anstelle welcher Feststellung - ergeben hätte. Weder aus der Stellungnahme des potenziellen Dienstgebers noch aus dem mit der Berufung vorgelegten Schreiben geht hervor, dass eine Einstellung daran gescheitert wäre, dass die Stelle bereits besetzt gewesen sei. Dass zum Zeitpunkt der Verfassung des Schreibens am 4. April 2005 keine "passende Stelle" für den Beschwerdeführer zur Verfügung stand, ist auch mit den unbekämpft gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid vereinbar, wonach die zugewiesene Schichtarbeit erst nach seinem Vorstellungsgespräch 2005 mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt wurde.

Bezeichnet der Beschwerdeführer die Feststellung der belangten Behörde, er sei durch seine selbständige Tätigkeit nicht in der Lage, Schichtarbeit zu leisten, als "völlig absurd", da er in dem von seiner Frau geführten Gastbetrieb nur "äußerst selten aushelfe", ist ihm einerseits zu entgegnen, dass die belangte Behörde diese Feststellung nicht getroffen hat, sondern nur seine als Sachverhalt angenommenen Erklärungen beim Bewerbungsgespräch wiedergegeben hat; andererseits vermag er mit einem solchen Argument die Schlüssigkeit der auf konkreten Angaben beruhenden Beweiswürdigung der belangten Behörde ohnehin nicht in Zweifel zu ziehen.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005080094.X00

Im RIS seit

30.11.2006

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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