TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/11 B83/02

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG Art133 Z1
B-VG Art144 Abs3
StGG Art12 / Vereinsrecht
AVG §69 Abs1 Z2
AVG §69 Abs2
VereinsG 1951 §24

Leitsatz

Keine Verletzung des Rechts auf Vereinsfreiheit durch Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrags betreffend eine Vereinsauflösung wegen Versäumung der Frist; Abweisung des Antrags auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof aufgrund umfassender Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes sowohl hinsichtlich der materiellen als auch der formalen verfahrensrechtlichen Fragen bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechts

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Dezember 1998 wurde der Verein "Dichterstein Offenhausen" gemäß §24 des Vereinsgesetzes 1951 aufgelöst. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Juli 1999 abgewiesen.

2. Den vom nunmehrigen Beschwerdeführer - unter Hinweis auf seine ehemalige Vereinsmitgliedschaft - am 9. November 2001 eingebrachten, auf §69 Abs1 Z2 AVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 7. Dezember 2001 wegen offenkundiger Versäumung der zweiwöchigen subjektiven Frist zur Antragstellung als unzulässig zurück.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Vereinsfreiheit (Art12 StGG, Art11 EMRK) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheids beantragt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, umfaßt die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs nach Art144 B-VG bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechts auch die verfahrensrechtlichen Fragen (vgl. VfSlg. 4816/1964 mwN). Es ist daher auf die Beschwerdeausführungen - die ausschließlich eine Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen - einzugehen.

1.2. Der Beschwerdeführer stützte seinen Wiederaufnahmeantrag auf die schriftliche Beantwortung einer - den Verein "Dichterstein Offenhausen" betreffenden - parlamentarischen Anfrage durch den damaligen Bundesminister für Inneres, Dr. Caspar Einem, vom 9. Juli 1995. Von dieser Anfragebeantwortung habe der Beschwerdeführer erstmals am 17. Juli 2001 Kenntnis erlangt. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich habe dem Beschwerdeführer in einem Schreiben vom 30. Oktober 2001 mitgeteilt, daß sie von der Anfragebeantwortung am 26. Juli 2001 erfahren habe. Daraus ergebe sich, daß die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich nicht in der Lage gewesen sei, die genannte Anfragebeantwortung in dem die Auflösung des Vereins "Dichterstein Offenhausen" betreffenden Verfahren als Beweismittel zu verwenden. Dieses Beweismittel hätte jedoch voraussichtlich einen im Hauptteil des Spruchs anders lautenden Bescheid herbeigeführt.

1.3. In Anbetracht des Umstands, daß der Beschwerdeführer von dem Beweismittel, das seiner Ansicht nach einen Wiederaufnahmegrund iSd. §69 Abs1 Z2 AVG darstellt, nach eigenen Angaben bereits am 17. Juli 2001 Kenntnis erlangt hat, ist die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrags vom 9. November 2001 wegen offenkundiger Versäumung der zweiwöchigen subjektiven Frist zur Antragstellung (§69 Abs2 AVG) zu Recht erfolgt (vgl. zB VwGH 29.11.1994, 94/20/0732).

Der Beschwerdeführer ist also im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Vereinsrecht nicht verletzt worden.

Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts kommt angesichts der festgestellten Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht in Betracht (vgl. zB VfSlg. 9246/1981, 9879/1983, 11.735/1988).

Der Beschwerdeführer ist auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

2. Dem Antrag, die Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, ist keine Folge zu geben:

Bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechts umfaßt die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs sowohl die materiellen als auch die formalen verfahrensrechtlichen Fragen. Jeder Verwaltungsbescheid, der die Behinderung des Rechts auf freie Bildung oder Umbildung von Vereinen bewirkt und den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen nicht entspricht, ist nicht nur gesetzwidrig, sondern verletzt auch das durch Art12 StGG gewährleistete Recht. Es tritt in jedem solchen Fall die in Art144 Abs1 B-VG festgelegte Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofs ein, die nach Art133 Z1 B-VG die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ausschließt (vgl. zB VfSlg. 9879/1983, 11.735/1988).

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Vereinsrecht, Vereinsauflösung, Verwaltungsgerichtshof Zuständigkeit, Verwaltungsverfahren, Wiederaufnahme, VfGH / Abtretung, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B83.2002

Dokumentnummer

JFT_09979389_02B00083_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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