TE Vwgh Beschluss 2006/9/21 2003/15/0075

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Veröffentlicht am 21.09.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/15/0076

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über den Antrag des Ing. G in W, vertreten durch Mag. Dr. Hella Ranner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 19/II, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde und über die Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 20. April 1999, GZ. AO 579/18-10/99, betreffend Anerkennung und Erklärung der Vollstreckbarkeit eines ausländischen Vollstreckungstitels, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus der Beschwerde samt Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer war bis Ende des Jahres 1989 in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen (vgl. dazu auch das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 18. September 1996, 94/15/0058).

Die Oberfinanzdirektion F, Deutschland, übermittelte mit Schreiben vom 12. April 1999 der belangten Behörde unter Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom 4. Oktober 1954, BGBl. Nr. 249/55, ein Ersuchen des Finanzamtes La., Deutschland, vom 17. März 1999 an das im Bereich der belangten Behörde liegende Finanzamt Le., samt Rückstandsanzeige des Finanzamtes La., die auf der Rückstandsanzeige ausgewiesenen, gegen den Beschwerdeführer bestehenden und in Vollstreckung befindlichen Rückstände betreffend im Wesentlichen Einkommensteuer für die Jahre 1991 und 1993 sowie 1994 und Vermögensteuer für die Jahre 1990 bis 1994, jeweils samt Zinsen, im Gesamtbetrag von 47.383,50 DM beizutreiben. Das Finanzamt La. hatte die Vollstreckbarkeit und die Unanfechtbarkeit der Rückstandsanzeige auf dieser festgestellt. Die Zuständigkeit des ersuchenden Finanzamtes La. war durch die Oberfinanzdirektion F., Deutschland, bescheinigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. April 1999 erkannte die belangte Behörde die Rückstandsanzeige des Finanzamtes La. vom 17. März 1999 gemäß Art. 11 Abs. 2 des genannten Vertrages an und erklärte sie für vollstreckbar.

Mit Schreiben ebenfalls vom 20. April 1999 übermittelte die belangte Behörde das Vollstreckungsrechtshilfeersuchen des deutschen Finanzamtes La., die Rückstandsanzeige des Finanzamtes La. vom 17. März 1999 sowie den angefochtenen Bescheid dem in ihrem Bereich gelegenen Finanzamt Le. "zur weiteren Veranlassung" und mit der Aufforderung, den angefochtenen Bescheid dem Vollstreckungsschuldner (Beschwerdeführer) zuzustellen.

Aus in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ersichtlichen Umständen unterblieb eine Zustellung des angefochtenen Bescheides vorerst. Nach mehreren Urgenzen ("Sachstandsanfragen") des Finanzamtes La., Deutschland, an das Finanzamt Le. vom 13. September 1999, 31. August 2000 und 30. Mai 2001 richtete das Finanzamt Le. an den Beschwerdeführer eine "Zahlungsaufforderung/Mahnung" vom 29. Juni 2001, wonach ihm in der Beilage der Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 1999 und eine Kopie der Rückstandsanzeige des Finanzamtes La. vom 10. März 1999 übermittelt werde. Nach dem Inhalt dieser Unterlagen schulde er einen Betrag von 47.383,50 DM, das seien 333.368,02 S. Er werde aufgefordert, diesen Betrag innerhalb von vier Wochen nach Erhalt der Mahnung einzuzahlen. Das Rückscheinkuvert langte mit dem Vermerk "Empfänger an der Abgabestelle nicht anzutreffen. Gemeindeamtlich nicht gemeldet" am 3. Juli 2001 wieder beim Finanzamt Le. ein. Durch Anfrage an die Meldebehörden ermittelte das Finanzamt Le. in der Folge eine Anschrift des Beschwerdeführers in G.

Am 12. Juli 2001 wurde R.M., dem Steuerberater des Beschwerdeführers, die "Zahlungsaufforderung/Mahnung" samt dem angefochtenen Bescheid mit Beilagen zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 23. August 2001 teilte ein deutscher Rechtsanwalt und Steuerberater dem Finanzamt Le. mit, er vertrete den Beschwerdeführer. Nach Ausführungen zur Rückstandsanzeige eines anderen deutschen Finanzamtes führte der Einschreiter aus:

"Des Weiteren liegt uns die Rückstandsanzeige wegen Steuerschulden gegenüber dem Finanzamt La. in Höhe von DM 47.383,50 vor. Die diesbezüglichen Steuerbescheide sind meinem Mandanten ebenfalls nicht zugestellt worden."

Mit Schreiben vom 11. September 2001 übermittelte das Finanzamt Le. diesen Schriftsatz dem Finanzamt G.

"zuständigkeitshalber".

In der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 1999 führt der Beschwerdeführer zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde aus, durch die Art der "Zustellung" des angefochtenen Bescheides durch das Finanzamt Le. habe der Beschwerdeführer glauben müssen, dass der angefochtene Bescheid auf Grund der irreführenden "Übermittlung in der Beilage zum Schreiben des Finanzamtes Le." mit der Überschrift "Zahlungsaufforderung/Mahnung" bereits im Jahr 1999 zugestellt worden wäre. Tatsächlich sei der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer "zuvor" mit Sicherheit niemals zugestellt worden. Der Beschwerdeführer sei der Ansicht, "die Zustellung des gegenständlichen Bescheides der Finanzlandesdirektion im Jahr 1999 übersehen bzw. im Jahr 1999 nicht entsprechend rechtlich gewürdigt zu haben, da er offensichtlich der Meinung war, der gegenständliche Bescheid wäre bereits im Jahr 1999 zugestellt und rechtskräftig geworden". Davon unabhängig sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Übermittlung des Bescheides durch das Finanzamt Le. ordnungsgemäß durch Herrn R.M., Steuerberater, steuerlich vertreten gewesen sei. Zumal es sich bei dem angefochtenen Bescheid um eine Vollstreckbarkeitserklärung einer Rückstandsanzeige eines deutschen Finanzamtes handle, hätten besonders wichtige Gründe vorgelegen, die eine Zustellung des angefochtenen Bescheides zu eigenen Handen des Beschwerdeführers erfordert hätten. Zumal der Beschwerdeführer weiters ordnungsgemäß durch den Steuerberater R.M. vertreten gewesen sei, hätte die Zustellung zudem nur an diesen erfolgen dürfen. Der Beschwerdeführer sei daher der Ansicht, dass eine ordnungsgemäße Zustellung des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht vorliege und somit die Frist zur Erhebung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof jedenfalls noch offen sei.

Die belangte Behörde weist in der Gegenschrift zutreffend auf den in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Rückschein hin, ausweislich dessen der angefochtene Bescheid am 12. Juli 2001 dem vom Beschwerdeführer in der Beschwerde selbst bezeichneten Steuerberater R.M. zugestellt worden ist. Auf diesen Hinweis replizierte der Beschwerdeführer nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und einen der meritorischen Erledigung der Beschwerde entgegenstehenden Umstand von Amts wegen wahrzunehmen, wie sich aus den Bestimmungen des § 33 Abs. 1 VwGG und des § 34 Abs. 3 leg. cit. ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2003, 2001/13/0302). Auf Grund des eindeutigen Rückscheines in den vorgelegten Verwaltungsakten und des vom Beschwerdeführer unwidersprochenen Hinweises darauf in der Gegenschrift der belangten Behörde ist festzustellen, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Steuerberater des Beschwerdeführers am 12. Juli 2001 erfolgte und mit Rücksicht auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde, er sei damals von diesem Steuerberater steuerlich vertreten gewesen, rechtswirksam war.

Gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG sechs Wochen und beginnt mit dem Tag der Zustellung. Die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid begann daher am 12. Juli 2001 und endete mit Ablauf des 23. August 2001.

Für den Fall, dass der Gerichtshof annehme, "dass die Frist durch die Übermittlung des Bescheides mit Schreiben des Finanzamtes Leibnitz" zur Erhebung der Beschwerde im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG "bereits abgelaufen ist", stellt der Beschwerdeführer eventualiter den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Durch die Art der Übermittlungen des angefochtenen Bescheides sei der Beschwerdeführer durch die Behörde über den tatsächlichen Gehalt dieser "Zustellung" in die Irre geführt worden, weshalb dies einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstelle. (Rechts-)Irrtümer, die durch eine Behörde veranlasst wurden, würden einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstellen.

Erst am 12. Mai 2003 habe der Beschwerdeführer anlässlich einer Besprechung betreffend die Pfändung einer dem Beschwerdeführer eigentümlichen Liegenschaft durch das Finanzamt G. im Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid die Erkenntnis erlangt, dass ein darauf abzielender Bescheid überhaupt habe vorliegen müssen. Zumal sich der Beschwerdeführer jedoch nicht daran habe erinnern können, dass ihm jemals ein Bescheid übermittelt worden sei, habe er seinen nunmehrigen Steuerberater bzw. in weiterer Folge die als Beschwerdevertreterin angeführte Rechtsanwältin beauftragt, die Angelegenheit zu überprüfen, um herauszufinden, aus welchem Grund Exekution gegen den Beschwerdeführer geführt worden sei. Auf Grund der Recherchen habe herausgefunden werden können, dass die Pfändung im Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid bestehe. Erst mit 30. Juli 2003 hätten dem Beschwerdeführer die Unterlagen zur Verfügung gestanden, die zu einer Überprüfung der Angelegenheit notwendig gewesen seien, darunter auch ein Schreiben des Finanzamtes Le., gerichtet an den Beschwerdeführer, und ergebe sich dadurch folgende Situation:

Durch dieses Schreiben des Finanzamtes Le. vom 29. Juni 2001 sollte dem Beschwerdeführer der Originalbescheid der belangten Behörde vom 20. April 1999 übermittelt worden sein. Diese Art der "Zustellung" des angefochtenen Bescheides durch das Finanzamt Le. habe beim Beschwerdeführer einen Irrtum veranlassen müssen, der offensichtlich zu seinen Ungunsten ausgefallen sei. Der Beschwerdeführer habe hier nämlich glauben müssen, dass der in der Beilage zum Schreiben des Finanzamtes Le. ausgewiesene Bescheid der belangten Behörde auf Grund der "irreführenden Übermittlung in der Beilage" bereits 1999 zugestellt worden wäre und es sich bei dem in der Beilage übermittelten Bescheid nur um einen Akt des "in Erinnerung Rufens" bzw. um einen Anknüpfungspunkt, warum diese Zahlungsaufforderung überhaupt ergehen konnte, gehandelt habe. Der Beschwerdeführer sei der Ansicht gewesen, die Zustellung des angefochtenen Bescheides im Jahr 1999 übersehen bzw. im Jahr 1999 nicht entsprechend rechtlich gewürdigt zu haben, weil er offensichtlich der Meinung gewesen sei, der angefochtene Bescheid sei bereits im Jahr 1999 zugestellt und rechtskräftig geworden. Immerhin sei der angefochtene Bescheid mit 20. April 1999 datiert und im Juni 2001 durch eine andere als die den Bescheid ausstellende Behörde "übermittelt" worden.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 30. März 2006, 2006/15/0109, mwN), stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. den erwähnten Beschluss vom 30. März 2006 sowie etwa den hg. Beschluss vom 23. September 2005, 2005/15/0083 und 0084).

Der Beschwerdeführer führt in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, er wäre bei Erhalt des Schreibens des Finanzamtes Le. mit dem angefochtenen Bescheid in einem Irrtum befangen gewesen und hätte gedacht, der nach seiner Datierung bereits über zwei Jahre alte Bescheid sei ihm im Jahr 1999 zugestellt und offenbar von ihm nicht bekämpft worden.

Angesichts des Umstandes, dass der angefochtene Bescheid nach den oben getroffenen Feststellungen am 12. Juli 2001 dem Steuerberater des Beschwerdeführers zugestellt wurde und der Beschwerdeführer im Antrag auf Wiedereinsetzung selbst auf seine Vertretung durch diesen Steuerberater hinweist, unterlässt es der Beschwerdeführer darzulegen, ob und aus welchen Gründen sein steuerlicher Vertreter, der Steuerberater R.M., bei Zustellung des angefochtenen Bescheides einem Irrtum unterlegen wäre und dass ein solcher Irrtum ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden ausgeschlossen hätte. Der Wiedereinsetzungsantrag enthält keine Ausführungen, weshalb der Steuerberater R.M. hätte annehmen dürfen, dass der Beschwerdeführer auf die Erhebung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof verzichte und den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde hinnehmen werde (vgl. auch die hg. Beschlüsse vom 26. Juli 2001, 2001/20/0377 und 0378, und vom 2. Oktober 2001, 2001/01/0440 und 0441).

Der Beschwerdeführer legt daher nicht dar, welches unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis ihn gehindert hätte, ausgehend von der Zustellung des angefochtenen Bescheides an seinen steuerlichen Vertreter am 12. Juli 2001, fristgerecht Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zu erheben.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht stattzugeben.

Mit Rücksicht auf die oben festgestellte Zustellung des angefochtenen Bescheides am 12. Juli 2001 und der Erfolglosigkeit des gestellten Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erweist sich die Beschwerde somit als verspätet und war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG, iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003150075.X00

Im RIS seit

31.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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