TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/13 2006/01/0537

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Veröffentlicht am 13.10.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §21 Abs2;
ZustG §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des MH (auch: EK) in S, geboren 1982, vertreten durch Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Kremsergasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Mai 2006, Zl. 260.260/4- III/07/06, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, stellte am 20. Juni 2005 einen Asylantrag. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 15. Februar 2006 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien aus.

Das Bundesasylamt verfügte eine eigenhändige Zustellung des genannten Bescheides an der aktenkundigen Adresse des Beschwerdeführers in S. Gemäß dem in den Verwaltungsakten erliegenden Rückschein wurden an dieser Adresse am 17. und am 18. Februar 2006 ergebnislose Zustellversuche unternommen und erfolgte schließlich eine Hinterlegung des Bescheides beim Postamt S. Dass der zweite Zustellversuch angekündigt worden wäre, ist dem Rückschein allerdings ebenso wenig zu entnehmen wie das Datum, ab dem die hinterlegte Sendung beim Postamt behoben werden könne (Beginn der Abholfrist).

Mit am 8. März 2006 zur Post gegebenem Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Februar 2006 Berufung. Diese Berufung verband er mit einem Wiedereinsetzungsantrag, in dem er vorbrachte, dass ihm der Bescheid des Bundesasylamtes am 20. Februar 2006 durch Hinterlegung zugestellt worden sei. "Im Zeitpunkt der Zustellung der Benachrichtigungsanzeige" sei er allerdings kurzfristig nicht an seiner Wohnadresse anwesend gewesen. Ein Mitbewohner habe die "Benachrichtigung" aus dem Postkasten entnommen und sie ihm, dem Beschwerdeführer, erst am 4. März 2006, als er "nach S gekommen" sei, ausgehändigt. Da am 4. März 2006, einem Samstag, die Post bereits geschlossen gewesen sei, habe der Bescheid erst am 6. März 2006 behoben werden können.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück. Wie der Beschwerdeführer selbst erkannt habe, wäre der 6. März 2006 der letzte Tag der Berufungsfrist gewesen, weshalb sich die erst am 8. März 2006 erfolgte Berufungseinbringung als verspätet erweise.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde ist über den nicht vollständig ausgefüllten Rückschein - der mithin nicht die Vermutung einer ordnungsgemäßen Zustellung zu entfalten vermochte - ebenso wie über das oben wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag kommentarlos hinweggegangen. Dies begründet vor dem Hintergrund des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG einen wesentlichen Verfahrensmangel (vgl. zur genannten Bestimmung etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, Zl. 2004/05/0078), woran auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst in seinem Wiedereinsetzungsantrag ungeachtet seines Tatsachenvorbringens rechtlich von einer wirksamen Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides mit 20. Februar 2006 ausgegangen ist, nichts zu ändern vermag. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 13. Oktober 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006010537.X00

Im RIS seit

13.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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