TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/18 2006/04/0094

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2006
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
95/02 Maßrecht Eichrecht;

Norm

MEG 1950 §48 Abs1 lita;
MEG 1950 §63 Abs1;
MEG 1950 §7 Abs2;
MEG 1950 §8 Abs1 Z3 litb;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Leiter, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek, Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 18. April 2006, Senat-ME-05-0055, betreffend Übertretung des Maß- und Eichgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 21. April 2005 wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung gemäß § 48 Abs. 1 lit. a, § 63 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz - MEG, BGBl. Nr. 152/1950 idF BGBl. I Nr. 146/2002 für schuldig erkannt; es wurde über ihn gemäß § 63 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 61 Stunden verhängt. Ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 200,-- zu leisten.

Dem Schuldspruch lag - nach Angabe von Tatzeit, Tatort und Bezeichnung des Fahrzeuges - nachstehender Tatvorwurf zu Grunde (Hervorhebungen im Original):

"Sie haben es als das gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991 zur Vertretung nach außen berufene Organ des Zulassungsbesitzers bzw. Verwenders von Messgeräten, und zwar der Firma 'K Gesellschaft mbH, Rstraße 2, B', in der Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft die eichpflichtige Messanlage für den Tankwagen (Sattelauflieger, ME-98WK; für Heizöl leicht und extraleicht; Hersteller: Fa. Schwarzmüller; Bauart: Norma 700 KVP; Fabr.Nr.: 24194; letzte Eichung: 24.10.2001), in ungeeichtem Zustand im eichpflichtigen Verkehr bereit gehalten hat, obwohl die gesetzliche Nacheichfrist bereits mit 31.12.2003 abgelaufen war. Die Messanlage war in einem betriebsbereiten Zustand."

Die erstinstanzliche Behörde führte aus, das Straferkenntnis gründe sich auf die Anzeige des Eichamtes Linz vom 10. Februar 2004 sowie auf das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, auf Grund dessen der im Spruch angeführte strafbare Tatbestand als erwiesen angenommen werde. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, das Eichamt habe im November und Dezember 2003 zu wenige Eichtermine abgehalten. Das gegenständliche Fahrzeug sei nach Weihnachten 2003 abgestellt, sodann sei ein Generalservice durchgeführt und die Kennzeichen seien demontiert worden. Er habe erst für den 5. Februar 2004 einen Eichtermin bekommen und hätte den Auflieger daher nicht vorher vorführen können. Da das Fahrzeug aber nachweislich nicht fahrbereit gewesen sei, sei es auch nicht im eichpflichtigen Verkehr bereit gehalten worden. Außerdem seien bei der Eichung keine Mängel der Messanlage festgestellt und das Zählwerk für gut befunden worden. Um derartige Vorfälle zu vermeiden, müsse das Eichamt marktgerechte und kundenorientierte Eichtermine anbieten. Dazu hielt die erstinstanzliche Behörde fest, diese Argumentation entbehre jeglichen Beweises und sei daher als Schutzbehauptung anzusehen. Bei dem gegenständlichen Delikt handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt. Nach der herrschenden Rechtsprechung obliege es dem Beschwerdeführer, der Behörde glaubhaft zu machen, dass ihn kein Verschulden an dem Delikt treffe. Die bloße Behauptung reiche hiefür nicht aus. Der strafbare Tatbestand sei somit als erwiesen anzusehen (es folgen Ausführungen zur Strafbemessung).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 18. April 2006 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass bei der Tatortangabe eine näher umschriebene Wortfolge zu entfallen habe.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass das Fahrzeug zum Überprüfungszeitpunkt im fahrbereiten Zustand gewesen sei und auch die Messanlage ohne besondere Vorbereitungen jederzeit in Gebrauch habe genommen werden können. Im Spruch des Straferkenntnisses sei auch angeführt, dass die Messanlage in einem betriebsbereiten Zustand gewesen sei. Somit sei auch im Sinne des § 44a VStG tatbildmäßig umschrieben worden, worin das Bereithalten im rechtsgeschäftlichen Verkehr bestanden habe.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Fahrzeug sei im fraglichen Zeitraum in Reparatur gestanden, in Verbindung mit den diesbezüglich vorgelegten Reparaturbescheinigungen sei nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass im fraglichen Zeitraum kein Bereithalten der Anlage vorgelegen wäre, zumal einerseits das Fahrzeug durchaus auch zwischen den hier angeführten Zeitpunkten in Betrieb genommen hätte werden können und sich andererseits daraus auch nicht ergebe, dass etwa die Messanlage selbst nicht in betriebsbereitem Zustand gewesen wäre. Aus diesem Grund habe auch von der beantragten Einvernahme des Werkstättenleiters abgesehen werden können.

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. März 2004 sei innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung eine ausreichend konkrete Verfolgungshandlung vorgenommen worden. Die Eichpflicht gründe sich auf § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b MEG, wonach der Eichpflicht Messgeräte unterliegen, wenn es sich um Mengenmessgeräte für Flüssigkeiten handle. Gemäß § 15 Z. 2 leg. cit. betrage die Nacheichfrist zwei Jahre und beginne diese nach § 16 leg. cit. mit dem der letzten Eichung folgenden Kalenderjahr. Da die letzte Eichung am 24. Oktober 2001 erfolgt sei, sei die Nacheichfrist bereits am 31. Dezember 2003 abgelaufen. Die vorgeworfene Übertretung könne daher als erwiesen angesehen werden (es folgen Ausführungen zur Strafbemessung).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe zum Beweis seines Vorbringens, das verfahrensgegenständliche Fahrzeug sei im Tatzeitraum nicht fahrbereit gewesen und sohin auch die Messanlage nicht im eichpflichtigen Verkehr verwendet oder bereit gehalten worden, im Verfahren vor der belangten Behörde einen entscheidungswesentlichen Beweisantrag gestellt, nämlich auf zeugenschaftliche Einvernahme des Werkstättenleiters. Die Durchführung dieses Beweises wäre relevant gewesen, zumal sich dadurch jedenfalls herausgestellt hätte, dass das Fahrzeug - entgegen der seitens der Behörde ins Treffen geführten Möglichkeit der zwischenzeitigen Verwendung - auch zwischenzeitig nicht in Betrieb genommen und sohin auch die Messanlage nicht im eichpflichtigen Verkehr verwendet oder bereit gehalten worden sei. Er habe darüber hinaus die Reparaturberichte hinsichtlich des Fahrzeuges vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass im Zuge der Generalsanierungsarbeiten u.a. auch die Achsen des Fahrzeuges ausgebaut worden seien, was die belangte Behörde jedoch völlig übergangen habe. Hätte die belangte Behörde als Ergänzung zu den vorgelegten Reparaturberichten wie beantragt den Werkstättenleiter zeugenschaftlich einvernommen, hätte sich herausgestellt, dass das Fahrzeug im Zeitraum Weihnachten 2003 bis zur erfolgten Eichung tatsächlich nicht in Verwendung gestanden und eine Verwendung desselben auf Grund der umfangreich durchgeführten Reparaturarbeiten in diesem Zeitraum von vornherein auch nicht möglich gewesen sei.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Maß- und Eichgesetzes - MEG, BGBl. Nr. 152/1950 idF BGBl. I Nr. 146/2002 lauten:

"§ 7. (1) Messgeräte, deren Richtigkeit durch ein rechtlich geschütztes Interesse gefordert wird, sind nach Maßgabe der Bestimmungen des Abschnittes A eichpflichtig.

(2) Wer ein eichpflichtiges Messgerät verwendet oder bereit hält, ist dafür verantwortlich, dass das Messgerät geeicht ist.

(3) Bereitgehalten im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Messgerät, wenn die äußeren Umstände erkennen lassen, dass es ohne besondere Vorbereitung in Gebrauch genommen werden kann. ...

§ 8. (1) Der Eichpflicht unterliegen die nachstehend genannten Messgeräte, wenn sie im amtlichen oder im rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet oder bereit gehalten werden:

...

3. ...

b) Mengenmessgeräte für Flüssigkeiten

§ 15. Die Nacheichfrist beträgt:

...

2. zwei Jahre

bei allen Messgeräten, soweit in den Z 1 und 3 bis 9 nicht ausdrücklich eine andere Frist festgesetzt ist,

...

§ 48. 1) Messgeräte dürfen im eichpflichtigen Verkehr nicht mehr verwendet oder bereit gehalten werden, wenn

a) die gesetzliche Nacheichfrist abgelaufen ist,

...

§ 63. (1) Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen, Entscheidungen oder Verfügungen werden, sofern sie nicht nach anderen Vorschriften mit einer strengeren Strafe bedroht sind oder ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 10.900 Euro bestraft, auch wenn es beim Versuch geblieben ist."

Entscheidend für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist zunächst die Lösung der Frage, ob gegen den Beschwerdeführer innerhalb der Verjährungsfrist eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorgenommen wurde bzw. ob eine ausreichende Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z. 1 VStG erfolgt ist, was in der Beschwerde bestritten wird.

Schon damit ist der Beschwerdeführer im Recht:

Als Verfolgungshandlung kommt im Beschwerdefall (zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unstrittig) lediglich die - mit dem Tatvorwurf des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insoweit gleich lautende - Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. März 2004 in Betracht.

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss das ihm zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z. 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschriften gemäß § 44a Z. 2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2000, Zl. 97/03/0081, in dem auch ausgeführt wird, dass eine Verfolgungshandlung einer "berichtigenden" Auslegung nicht zugänglich ist).

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2000/04/0130) wäre es erforderlich gewesen - um dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG zu genügen -, spruchgemäß zu umschreiben, worin das Bereithalten der Messanlagen im eichpflichtigen Verkehr bestanden habe. Dies wäre insbesondere deshalb von Bedeutung gewesen, weil eine Eichpflicht dann nicht besteht, wenn das Messgerät nur dem innerbetrieblichen Gebrauch dient.

Die oben wiedergegebene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. März 2004 entspricht diesem Erfordernis nicht. Schon aus diesem Grund liegt eine dem Gesetz entsprechende Verfolgungshandlung nicht vor.

Da die belangte Behörde trotz bereits eingetretener Verfolgungsverjährung mit dem angefochtenen Bescheid den Beschwerdeführer der ihm zur Last gelegten Taten schuldig erkannte und über ihn Strafen verhängte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund - ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war - mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 18. Oktober 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006040094.X00

Im RIS seit

29.11.2006

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten