TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/25 2004/08/0256

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Veröffentlicht am 25.10.2006
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs4;
BAO §14;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Heinrich Kellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 15/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. September 2004, Zl. MA 15-II-2- 6551/2004, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß §§ 413 und 414 i.V.m. § 355 ASVG fest, dass der Beschwerdeführer gemäß §§ 67 Abs. 4 und 83 ASVG verpflichtet sei, der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die auf einem näher bezeichneten Beitragskonto 3317927 des Betriebsvorgängers A rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von EUR 5.534,13, zuzüglich Verzugszinsen seit 11. September 2004 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von EUR 4.787,37, zu bezahlen.

Nach Darlegung des § 67 Abs. 4 ASVG und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Betriebsnachfolge führte die belangte Behörde begründend aus:

"Auf Grund der Aktenlage ergibt sich, dass (A) dem Magistratischen Bezirksamt für den 15. Bezirk mitgeteilt hat, dass sie die ihr erteilte Gewerbeberechtigung mit 31. Mai 2003 zurücklege und dass der Restaurantbetrieb in (...) an die Firma S übergeben worden sei, welche seit dem 1. Juni 2003 Nachfolger im Betrieb sei. Über Befragen hat (der Beschwerdeführer) in der Verhandlung vom 10. September 2004 Folgendes angegeben:

'(A) hat in (...) ein Restaurant betrieben. Ich habe dann mit (A) vereinbart, dass ich den Betrieb ab 1. Juni 2003 übernehme. Eröffnet wurde das Restaurant dann von mir am 1. Juli 2003. Es war ausgemacht, dass das gesamte Inventar (Tische, Sesseln, Kücheneinrichtung, Geschirr, etc.) von mir übernommen werden sollte. Das Restaurant hat ungefähr 140 m2 (ohne Küche, Toiletten und Personalumkleideraum). Im Restaurant selbst haben 14 Tische Platz. 11 Tische haben 4 Sesseln und die anderen je 2 Sesseln. Es gab auch eine eigene Schankanlage im Restaurant. Die Schank beinhaltete ursprünglich eine Espressomaschine, einen Kühlschrank, Gläser, Zapfanlage, eine Spülmaschine sowie eine Kaffeemühle. Im Eingangsbereich gab es auch einen Grill. Es gab auch Vorhänge und Bilder. In der Küche (ca. 15 m2) befanden sich Regale, eine Arbeitsplatte aus Chrom, ein Gasherd (4-flammig), zwei Kühlschränke, Töpfe, Teller, Geschirr, Pfannen, Besteck, Arbeitsmesser, eine Mikrowelle, ein Dunstabzug. Im Umkleideraum fürs Personal befanden sich ebenfalls Regale und Kleiderhaken.

(A) hat jedoch vereinbarungswidrig etwas mehr als die Hälfte des Bestecks, des Geschirrs und der Gläser mitgenommen. Außerdem hat sie einen Kühlschrank aus der Küche mitgenommen. Darüber hinaus hat sie etwa 22 Sesseln, die noch gut waren, mitgenommen und sie durch andere Sesseln ersetzt. Ich habe (A) für die Übernahme des Lokals 60.000 EUR bezahlt. Mit dem Hauseigentümer habe ich einen neuen Mietvertrag abgeschlossen. Einen Dienstnehmer von (A) habe ich weiter beschäftigt.

Nach Übernahme des Lokals habe ich dieses dann renoviert. Ich habe die Räumlichkeiten ausmalen lassen und die Sesseln ersetzt und eine Vitrine für das Warmhalten der Speisen sowie eine Kühlvitrine angekauft. Ich habe den Dunstabzug beim Griller vergrößern lassen und einen neuen Holzkohlengriller erworben. Ich bin mit der Steuerberaterin zur Wiener Gebietskrankenkasse gegangen und habe mich hinsichtlich einer allfälligen Haftung erkundigt. Man hat mir jedoch aus Datenschutzgründen hinsichtlich der Höhe der Rückstände von Sozialversicherungsbeiträgen keine Auskünfte gegeben.'

Auf Grund der Aktenlage, insbesondere auch der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers ergibt sich, dass der Beschwerdeführer von (A) jene Betriebsmittel erworben hat, die die wesentliche Grundlage des Betriebes der Betriebsvorgängerin gebildet haben und die den Erwerber in die Lage versetzten, den Betrieb fortzuführen, weshalb grundsätzlich eine Haftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG festzustellen war.

Zwar hat (A) Teile des Bestecks, des Geschirrs und der Gläser sowie einen Kühlschrank aus der Küche mitgenommen, die anderen Einrichtungsgegenstände hat der Beschwerdeführer jedoch von (A) übernommen. Diese stellen jedoch im Vergleich zu jenem Inventar, welches (A) für sich behalten hat, die wesentliche Grundlage des Betriebes von (A) dar."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 4 ASVG haftet bei der Übereignung eines Betriebes der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

Zum Betriebserwerb ist es nicht erforderlich, dass alle zum Betrieb gehörigen Betriebsmittel erworben werden; es genügt vielmehr der Erwerb jener Betriebsmittel, die die (nach Betriebsart und Betriebsgegenstand) wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen. Der Erwerb einzelner, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes darstellender Betriebsmittel von einem Dritten schließt die Betriebsnachfolge nicht aus. Es ist auch nicht entscheidend, ob der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird, und ob im Fall der Fortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleich bleibt (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0211).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gleich gelagerten Haftungsbestimmung des § 14 BAO zählen bei Gastronomieunternehmen, wie Kaffeehäusern, Hotels und Konditoreien, das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung, nicht jedoch das Warenlager und das Personal zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/14/0122).

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass ihm von A kein Lokal "und schon gar keine" Geschäftseinrichtung zur Verfügung gestellt worden wäre, welche ihn in die Lage versetzt hätte, in den Betriebsräumen ohne Unterbrechung und ohne Investitionen einen gleichartigen Gewerbebetrieb fortzuführen, da die Hälfte der Einrichtung (22 Stühle), die Hälfte des Bestecks, die Hälfte des Geschirrs und der Gläser, sowie ein Kühlschrank gefehlt habe und er außerdem mehrere einzeln angeführte Einrichtungsgegenstände erworben und Arbeiten durchgeführt habe. Eine Übereignung des Unternehmens im Ganzen sei dem gesamten Sachverhalt nicht zu unterstellen und sei auch niemals vorgenommen worden.

Zu diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf seine eigenen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zu verweisen, welche die belangte Behörde auch ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Demnach hat der Beschwerdeführer einerseits ausdrücklich angegeben, mit A vereinbart zu haben, dass er den Betrieb übernehme; andererseits hat er in dieser Verhandlung auch das von ihm übernommene Inventar angegeben. Dabei hat er zahlreiche von ihm übernommene Geräte, wie sie zur Führung einer Gaststätte erforderlich und dafür spezifisch sind, sowie Einrichtungsgegenstände angegeben. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang auch selbst nicht in Zweifel gezogen, dass mit den Betriebsmitteln, welche er vereinbarungsgemäß übernehmen sollte, die Fortführung des Betriebes, so wie ihn die Betriebsvorgängerin A geführt hat, möglich gewesen wäre.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass einzelne Einrichtungsgegenstände sowie "mehr als die Hälfte des Bestecks und des Geschirres" von der Betriebsvorgängerin nicht übergeben worden seien, kann er damit nicht aufzeigen, dass es sich bei diesem - im Vergleich zum gesamten Inventar geringen - Teil der Betriebsmittel um die wesentliche Grundlage des Betriebes gehandelt hätte.

Auch das Vorbringen, dass ein Bestandrecht der Vorgängerin nicht auf den Beschwerdeführer übergegangen sei, sondern dass dieser selbständig mit der Hausverwaltung einen Bestandvertrag abgeschlossen habe, kann die Beschwerde nicht zum Erfolg führen, da es im vorliegenden Fall der Bejahung einer Betriebsnachfolgehaftung nicht entgegensteht, wenn die Betriebsräumlichkeiten vom Eigentümer angemietet und nicht unmittelbar von der Betriebsvorgängerin als Bestandteil des Betriebes erworben wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 94/08/0187).

Auch das Beschwerdevorbringen, wonach eine Gewerbeberechtigung als tragende Unternehmensgrundlage niemals übernommen worden sei, geht ins Leere, da die "Übernahme einer Gewerbeberechtigung" keine Voraussetzung für die Bejahung einer Betriebsnachfolgehaftung darstellt. Auch das Vorliegen einer Betriebsanlagengenehmigung ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers für die Betriebsnachfolgehaftung keine Voraussetzung. Aus diesem Grunde ist auch die Unterlassung von Feststellungen zur Gewerbeberechtigung sowie zur Betriebsanlagenbewilligung im angefochtenen Bescheid nicht als relevanter Verfahrensmangel zu beurteilen. Dies gilt ebenso für die vom Beschwerdeführer gerügte Unterlassung näherer Feststellungen über das Endes des Mietverhältnisses der Betriebsvorgängerin und über den Beginn des Mietverhältnisses des Beschwerdeführers.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. Oktober 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004080256.X00

Im RIS seit

17.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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