TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/21 2003/21/0177

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2006
beobachten
merken

Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
StGB §32 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des H, vertreten durch Mag. Volker Leitner, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. April 2003, Zl. Fr 8410/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen (nach dem Akteninhalt:) mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die in Rechtskraft erwachsene Verurteilung des Beschwerdeführers vom 27. Juni 2001 durch das Landesgericht St. Pölten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer im Jänner 2001 eine achtzehnjährige Frau in der Weise vergewaltigt habe, dass er sie auf eine Couch geworfen, mit einer Hand festgehalten, ihr einen Schlag mit der Hand versetzt, in der Folge den Mund zugehalten und mit dem Umbringen bedroht habe. Weiters habe er ihr ein 15 cm langes Messer an den Hals gesetzt und dabei erklärt, er könnte sie auch umbringen und im Garten vergraben. Somit habe er sie mit schwerer Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes genötigt. Dem Urteil zufolge habe er im Jänner 2001 die Bekanntschaft seines Opfers gemacht, als sich dieses nach Trennung vom Freund und wegen des Fehlens von Unterkunft und Arbeit in einer akuten Zwangslage befunden habe. Er habe der Frau angeboten, bei der Arbeitssuche behilflich zu sein, wobei sie bei ihm Unterkunft nehmen könnte, weil seine Ehefrau zur Zeit im Ausland wäre. Bereits am gleichen Abend habe er sie gedrängt, mit ihm einen Geschlechtsverkehr vorzunehmen. Nachdem sie am nächsten Abend weiterhin nicht freiwillig den Beischlaf habe vollziehen wollen, habe er sie durch die angeführte Handlung dazu genötigt. Am nächsten Tag habe er sie wieder gezwungen, den Geschlechtsverkehr mit ihm vorzunehmen.

Auf Grund dieses Sachverhalts sei die Prognose gerechtfertigt, dass durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei. Er habe - so die belangte Behörde - die Zwangslage seines Opfers in brutalster Weise ausgenützt und sich überdies als unschuldig verantwortet und den Geschlechtsverkehr als sein gutes Recht empfunden, weil er dem Mädchen Obdach gewährt habe und sie bei der Arbeitssuche habe unterstützen wollen. Es könne somit keinesfalls ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund dieser Einstellung bei einer nächsten Gelegenheit dieses Verhalten wiederum an den Tag legen könnte. Der Beschwerdeführer negiere offensichtlich die sexuelle Selbstbestimmung des weiblichen Geschlechts und es hätte ihn u.a. auch seine aufrechte Ehe nicht von der dargestellten Tathandlung abhalten können.

Der Beschwerdeführer sei seit März 1991 in Österreich aufhältig und durchgehend beschäftigt gewesen. Insgesamt gehe die belangte Behörde daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen starken Eingriff in sein Privat- und Familienleben aus. Das Aufenthaltsverbot sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Weiters würden die Auswirkungen auf seine Lebenssituation und die seiner Familie nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes; seine (nach der im Verwaltungsakt erliegenden Passkopie die "jugoslawische" Staatsangehörigkeit aufweisende) Ehefrau könne ihm auch in seine Heimat folgen.

Letztlich erachtete sich die belangte Behörde außer Stande, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben und erwartete einen positiven Gesinnungswechsel frühestens nach Ablauf von zehn Jahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen über seine rechtskräftige Verurteilung und wendet sich auch nicht gegen die zutreffende Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 (erster Fall) FrG erfüllt sei.

Gegen die von der belangten Behörde getroffene Gefährlichkeitsprognose wendet der Beschwerdeführer ein, dass er vor diesem Vorfall jahrelang legal in Österreich aufhältig gewesen sei und sich bis dahin wohlverhalten habe. Der Vorfall im Jänner 2001 sei nicht als Vergewaltigung geplant gewesen, sondern - nach der im Strafurteil zitierten Aussage - zum Teil "wohl auch auf die zuvor nicht generell ablehnende Haltung des Opfers, das sexuelle Handlungen bloß mit Hinweis auf die Monatsblutung ablehnte ... zurückzuführen". Dadurch werde die Tathandlung zwar keinesfalls gerechtfertigt oder entschuldigt, aber es zeige sich doch, dass dieser Vorfall eher auf eine Ausnahmesituation zurückzuführen sei.

Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, die von der belangten Behörde erstellte Gefährlichkeitsprognose unrichtig scheinen zu lassen. Zum einen wurde die Tathandlung wiederholt, zum anderen waren die dabei ausgeübte Gewalt und die gefährliche Drohung mit einem Messer derart gravierend, dass daraus eine beträchtliche Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers und somit seine Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden muss.

Es kann aber auch der weiteren Ansicht der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten sei. Auch wenn nämlich der Beschwerdeführer auf einen langen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland und auf eine berufliche Integration verweisen kann, ist angesichts der Schwere der Gewalttat zu befürchten, dass sein weiterer Aufenthalt in Österreich dem Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer zuwiderlaufen könnte. Auch die Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde zutreffend zu Lasten des Beschwerdeführers vorgenommen. Soweit die Beschwerde auf die Ehefrau des Beschwerdeführers, die "hier den einzigen sozialen Anknüpfungspunkt" darstelle, verweist, ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass auch die aufrechte Ehe den Beschwerdeführer nicht von der Durchführung des genannten schweren Verbrechens gegen die Sittlichkeit habe abhalten können. Im Übrigen tritt die Beschwerde der Annahme, dass dem Beschwerdeführer seine Ehefrau folgen könne, nicht entgegen.

Zur Interessenabwägung wies die belangte Behörde weiters zutreffend darauf hin, dass selbst ein zehnjähriger rechtmäßiger inländischer Aufenthalt keinen Versagungstatbestand nach den §§ 35 und 38 FrG dargestellt hätte. Die bei diesen Verfestigungstatbeständen festgelegten Mindeststrafen, bei denen ein Aufenthaltsverbot trotzdem zulässig ist, wurden vorliegend durch die Verurteilung zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe bei weitem überschritten.

Letztlich erachtet die Beschwerde die Verhängung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes als überhöht. Der in der Beschwerde gezogene Vergleich mit der Dauer der gerichtlichen Freiheitsstrafe ist nicht sachgerecht, weil die Dauer des Aufenthaltsverbotes darauf abstellt, wann mit einem Wegfall der Gefährlichkeit des Fremden zu rechnen ist. Demgegenüber ist die Freiheitsstrafe schuldangemessen zu verhängen (§ 32 Abs. 1 StGB). Es sind nun keine Umstände ersichtlich, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde mit einem früheren Wegfall der Voraussetzungen des Aufenthaltsverbotes gerechnet werden könnte. Im Übrigen wurde das Aufenthaltsverbot unter ausdrücklicher Berücksichtigung der inländischen Interessen des Beschwerdeführers ohnedies nicht unbefristet erlassen.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Ein Fall des § 125 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 21. November 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003210177.X00

Im RIS seit

14.12.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten