TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/23 2005/20/0480

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Veröffentlicht am 23.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des V in H, geboren 1979, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 6-8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. März 2005, Zl. 258.705/0-IV/11/05, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet in einer Asylsache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom 16. August 2004 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und verfügte gemäß § 8 Abs. 2 AsylG seine Ausweisung "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt ordnete die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG durch Hinterlegung bei der Behörde an, zumal der Beschwerdeführer - so wurde in der diesbezüglichen "Beurkundung" vom 16. August 2004 festgehalten - "an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig" sei; "eine neuerliche Abgabestelle" habe "nicht ohne Schwierigkeiten" festgestellt werden können.

Am 3. Februar 2005 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und verband damit die Berufung.

Nachdem der Wiedereinsetzungsantrag mit dem unbekämpft gebliebenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. Februar 2005 als verfristet zurückgewiesen worden war, wies auch die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. März 2005 die Berufung gegen den eingangs erwähnten Bescheid gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung nach kurzer Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges wie folgt:

"Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

Der letzte Tag zur Einbringung der Berufung wäre im gegenständlichen Fall der 30.08.2004 gewesen, da der erstinstanzliche Bescheid vom 16.08.2004 mit Wirksamkeit vom 16.08.2004 zugestellt wurde. Schon das Bundesasylamt hat im Bescheid vom 10.2.2005 zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.8.2004 gem. § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG rechtswirksam am 16.8.2004 zugestellt wurde, wogegen der Asylwerber kein Rechtsmittel eingebracht hat. Der im Wiedereinsetzungsantrag geltend gemachte Umstand, dass der Asylwerber am 23.8.2004 festgenommen und in die Justizanstalt Josefstadt in Untersuchungshaft eingeliefert worden sei, vermag aber an der rechtswirksamen Zustellung des gegenständlichen Bescheides am 16.8.2004 nichts zu ändern, da die Sendung am 16.8.2004 gem. § 8 Abs. 2 ZustellG hinterlegt wurde und die so hinterlegte Sendung gemäß § 23 Abs. 4 ZustellG mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt gilt. Nun wurde die Berufung aber erst am 03.02.2005 im Faxwege übermittelt, sodass diese verspätet eingebracht worden ist."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Für die Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Berufungszurückweisung kommt es entscheidungswesentlich auf die Frage an, ob die Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 16. August 2004 durch Hinterlegung bei der Behörde wirksam war oder nicht. Voraussetzung für die als Zustellung geltende Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 ZustG ist die Änderung der bisherigen Abgabestelle, die Unterlassung der Mitteilung hievon und die Unmöglichkeit, eine (andere, neue) Abgabestelle ohne Schwierigkeiten festzustellen (vgl. in diesem Zusammenhang zuletzt das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2005, Zl. 2005/20/0217).

Aus den oben wörtlich wiedergegebenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass die belangte Behörde die Wirksamkeit der in Frage stehenden Zustellung ohne Weiteres unterstellte und eine Begründung für diese Auffassung unterließ. Eine erkennbare und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den dargestellten Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 ZustG enthält die Bescheidbegründung nicht, in der sich nicht einmal eine Erwähnung der dafür maßgeblichen Umstände bei der Darstellung des Verwaltungsgeschehens findet. Das wiegt umso schwerer, als der Wiedereinsetzungsantrag nur "sicherheitshalber" gestellt und dort primär die Auffassung vertreten wurde, der Bescheid des Bundesasylamtes sei mangels Änderung der bisherigen Abgabestelle nicht rechtwirksam zugestellt worden, wobei das nicht nur mit dem Hinweis auf die Strafhaft ab 23. August 2004, sondern vor allem - von der belangten Behörde unerwähnt - mit näher dargestellten Überlegungen zu den Meldevorgängen vor der Bescheiderlassung begründet wurde.

Zur Vollständigkeit ist im Übrigen noch anzumerken, dass auch im Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. Februar 2005, auf den sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bezog, keine substanzielle Begründung für die - dort im Übrigen auch nicht tragende - Annahme der Wirksamkeit der Hinterlegung vom 16. August 2004 vorgenommen wurde.

Mit Ausführungen in der Gegenschrift kann aber die mangelhafte Bescheidbegründung nicht saniert werden, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. November 2006

Schlagworte

Allgemein Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200480.X00

Im RIS seit

01.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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