TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/23 2005/20/0579

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Veröffentlicht am 23.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde der J in W, geboren 1983, vertreten durch Dr. Georg Haunschmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Juni 2005, Zl. 260.285/0-XI/34/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung der Beschwerdeführerin "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, reiste am 30. Oktober 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte am 13. Februar 2004 einen Asylantrag. Diesen begründete sie durch handschriftliche Ergänzung eines Formulars damit, dass sie in China Falun Gong praktiziert habe und deshalb von der Polizei, die Falun Gong für eine "Sekte" halte, mehrmals verhaftet und ihr die weitere Praktizierung verboten worden sei. Bei ihrer Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 3. März 2004 gab die Beschwerdeführerin dann zusammengefasst an, sie werde in ihrer Heimatprovinz von der Polizei per Haftbefehl gesucht, weil sie Flugblätter mit einem Falun Gong positiv darstellenden Text zusammen mit Kopien aus Falun Gong Büchern verteilt und vom März bis September 2002 Falun Gong praktiziert habe. Bei einer Hausdurchsuchung, bei der die Beschwerdeführerin nicht anwesend gewesen sei, habe die Polizei Flugblätter und zwei Bücher über Falun Gong gefunden. Die ausdrücklichen Fragen, ob die Beschwerdeführerin jemals in Haft gewesen sei und ob sie jemals "persönlichen Kontakt mit der Polizei" gehabt habe, verneinte sie. Ab Oktober 2002 bis zum Beginn ihrer Ausreise im Mai 2003 habe sich die Beschwerdeführerin in einer anderen Stadt bei einer Freundin versteckt. Für den Fall der Rückkehr befürchte die Beschwerdeführerin "ca. 4 Jahre Haft".

Mit Bescheid vom 14. April 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "nach VR - China" fest (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt ging aufgrund näher begründeter Beweiswürdigung, die sich vor allem auf die bei der Vernehmung zu Tage getretenen fehlenden Kenntnisse der Beschwerdeführerin über Falun Gong und auf die widersprüchlichen Angaben zu bereits erfolgten Verhaftungen stützte, von der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin aus. Das Bundesasylamt kam deshalb rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und zur Versagung von Refoulement-Schutz. Mangels familiärer Bindungen in Österreich hielt das Bundesasylamt schließlich auch die Ausweisung der Beschwerdeführerin für gerechtfertigt.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Juni 2005 "gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG" ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes verwies.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

In Bezug auf die (von der belangten Behörde durch Verweisung auf die diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid übernommene) Beweiswürdigung rügt die Beschwerde, die belangte Behörde hätte sich von der Beschwerdeführerin selbst einen unmittelbaren Eindruck verschaffen und sie in einer mündlichen Berufungsverhandlung ergänzend befragen müssen.

Dazu bestand aber angesichts des Berufungsinhaltes, der eine fallbezogene Auseinandersetzung mit den beweiswürdigenden Überlegungen der Erstbehörde vermissen lässt, kein Anlass. Abgesehen davon, dass die fast 60-seitige Berufung überwiegend aus völlig ungeordneten, in den Schriftsatz "hineinkopierten" Berichtsteilen besteht, die sich im Wesentlichen auf Falun Gong und auf das Justizwesen in China beziehen, findet sich zur Beweiswürdigung nur eine hier nicht passende Textpassage über das Erinnerungsvermögen eines Buchhändlers "nach Jahren der Flucht und Emigration" an von ihm früher vertriebene Falun Gong Bücher. Das konnte für sich genommen - ungeachtet eines darauf abzielenden Antrages in der Berufung - keine Verhandlungspflicht der belangten Behörde auslösen (vgl. dazu grundlegend das Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533).

Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes ist aber auch nicht unschlüssig, sodass auch von daher nicht die Durchführung einer Berufungsverhandlung geboten gewesen wäre. Entgegen der Beschwerdemeinung lassen sich die gravierend unterschiedlichen Angaben der Beschwerdeführerin zur Frage, ob sie in China bereits verhaftet worden sei, nicht auf "einen Fehler beim Ausfüllen eines Formulars" reduzieren und mit dem "psychischen Druck" von Asylwerbern erklären. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin auf Vorhalt dieser Widersprüche - soweit die Beschwerde einen solchen unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels vermisst, ist das aktenwidrig - sich nur damit gerechtfertigt, bei der Stellung des Asylantrages habe sie "die ganzen Details nicht schildern" wollen, sondern nur "den Grund hingeschrieben", warum sie China habe verlassen müssen. Dabei handelt es sich aber um keine nachvollziehbare und plausible Rechtfertigung dafür, dass sie bei der Antragstellung bereits mehrfach erfolgte Verhaftungen (schriftlich) behauptet hatte und später Fragen nach einer bereits erlittenen Haft und nach einem persönlichen Kontakt mit der Polizei verneinte. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass diese Widersprüche von den Asylbehörden bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung zu Lasten der Beschwerdeführerin berücksichtigt wurden.

Gleiches gilt aber auch für die mangelnden - nach Auffassung der Erstbehörde aufgrund der Bildung der Beschwerdeführerin (Universitätsbesuch) und der Dauer der Praktizierung jedoch erwartbaren - Kenntnisse der Beschwerdeführerin über Falun Gong betreffend den Zeitpunkt des Verbots dieser Bewegung, deren Ziele und Beschreibung der "Kultivierungsübungen". Dem tritt die Beschwerde auch nicht entgegen. Wenn sie ins Treffen führt, die Beschwerdeführerin habe das "Hauptwerk" über Falun Gong richtig bezeichnet, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesasylamt Gegenteiliges nicht angenommen und darauf seine Beweiswürdigung nicht gestützt hat. Soweit die belangte Behörde allerdings damit (ergänzend) argumentierte, ohne - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - die Unrichtigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin in nachprüfbarer Weise darzustellen, kommt dem keine tragende Bedeutung zu. Allein aus der Richtigkeit dieser Antwort hätte noch nicht auf die Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe geschlossen werden müssen.

Da der Beschwerde schließlich auch keine ausreichende Relevanzdarstellung zu dem Vorwurf, die Erstbehörde habe der Beschwerdeführerin das verwertete Dokumentationsmaterial nicht vorgehalten, zu entnehmen ist, vermag die Beschwerde insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des Bescheides des Bundesasylamtes richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung der Beschwerdeführerin "aus dem österreichischen Bundesgebiet". Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der Durchführung einer in der Beschwerde beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. November 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200579.X00

Im RIS seit

27.12.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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