TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/23 2005/20/0517

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Veröffentlicht am 23.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des N (auch: N) in W, geboren 1980, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstrasse 5/15, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Juni 2005, Zl. 260.147/0-XI/34/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 24. März 2004 einen schriftlichen, nur allgemein mit der Behauptung asylrelevanter Bedrohung in seinem Heimatland begründeten Asylantrag und gab seine Personalien mit "BU Nin, geb: 11.02.1980, STA: China" an. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13. Dezember 2004 machte der Beschwerdeführer, der die Frage nach dem Besitz von Personaldokumenten verneinte, als Fluchtgrund geltend, im September 2003 hätten ihn vier Freunde ersucht, in seiner Wohnung in China gegen Bezahlung Waren lagern zu dürfen. Es habe sich dabei - wie sich später herausgestellt habe - um Drogen gehandelt, wovon der Beschwerdeführer allerdings nichts gewusst habe. Drei Monate später habe die Polizei den Beschwerdeführer (und seine kurz darauf wieder freigelassenen Eltern) festgenommen und unter Folter angehalten. Nach seiner Verlegung in ein Krankenhaus am 10. Dezember 2003 sei ihm die Flucht (zunächst nach Russland und dann Anfang 2004 nach Österreich) gelungen. Bei einer Rückkehr nach China fürchte der Beschwerdeführer die Rache der Freunde, die ihn verdächtigten, sie verraten zu haben, und die Polizei, die ihm seine Unschuld nicht geglaubt habe.

Am 30. Dezember 2004 langte beim Bundesasylamt eine Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, ein, der sich entnehmen lässt, dass für "BU Ning, 11.02.1980 geb., Sta: China" eine Aufenthaltserlaubnis mit der Gültigkeit vom 23. April 2003 bis 31. März 2004 erteilt worden sei.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach VR-China" fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt stellte fest, dem Beschwerdeführer sei von der Bundespolizeidirektion Wien am 23. April 2003 ein bis 31. März 2004 befristeter "Aufenthaltstitel zu Ausbildungszwecken" erteilt worden. Nach dem Inhalt einer Meldeauskunft habe der Beschwerdeführer bereits am 10. September 2003 in Graz einen Hauptwohnsitz begründet und sich gegenüber der Meldebehörde mit seinem chinesischen Reisepass legitimiert. Daraus folgerte das Bundesasylamt beweiswürdigend, dem - auf den Zeitraum September 2003 bis Dezember 2003 bezogenen - Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Fluchtgründe aus China sei die Glaubwürdigkeit zu versagen.

Das Bundesasylamt kam deshalb rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und in Verbindung mit Feststellungen zur Lage in China zur Versagung von Refoulement-Schutz. Da der Beschwerdeführer auch "keinen familiären Bezug in Österreich" aufweise, hielt das Bundesasylamt schließlich auch die Ausweisung des Beschwerdeführers für gerechtfertigt.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassenen - angefochtenen Bescheid vom 13. Juni 2005 "gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG" ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes verwies. Demzufolge ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer habe eine asylrelevante Verfolgung "nicht glaubwürdig behaupten können". Darüber hinaus vertrat die belangte Behörde auch die Auffassung, ein Zusammenhang der behaupteten Verfolgungsgefahr mit einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe sei nicht ersichtlich. Die belangte Behörde begründete noch, dass angesichts des Inhaltes der Berufung, in welcher der Beschwerdeführer "dem Vorwurf völlig widersprüchlicher Angaben zu seiner Fluchtgeschichte" nicht entgegen getreten sei, sondern nur sehr ausführliche Berichte über die Menschenrechtslage in China mit speziellem Bezug zur Drogenpolitik vorgelegt habe, von der Durchführung einer Berufungsverhandlung habe abgesehen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde kritisiert die (von der belangten Behörde übernommene) Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und macht in Bezug auf die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer schon vor der Asylantragstellung in Österreich mit einem Aufenthaltstitel der Bundespolizeidirektion Wien aufgehalten habe, Ermittlungsmängel geltend und rügt die Unterlassung einer Berufungsverhandlung.

Der Beschwerdeführer hat sich aber zu dieser Feststellung im erstinstanzlichen Bescheid und der darauf gegründeten Beweiswürdigung in der Berufung verschwiegen und deren Richtigkeit dort überhaupt nicht in Frage gestellt. Von daher ist es ihm verwehrt, die angeblichen Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens erst in der Beschwerde geltend zu machen (vgl. zur "Sanierung" derartiger Verfahrensfehler die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 724 ff unter E 533 sowie bei E 523 f und 529, jeweils angeführten Rechtsprechungsnachweise). Angesichts dieses Berufungsinhaltes durfte die belangte Behörde - ungeachtet eines darauf abzielenden ausdrücklichen Antrages - aber auch von der Durchführung einer Berufungsverhandlung Abstand nehmen (vgl. zur Verhandlungspflicht der belangten Behörde aufgrund eines Parteienantrages grundlegend das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533).

Ausgehend von der mangelnden Glaubwürdigkeit einer Verfolgungsgefahr in China wegen Involvierung in ein Drogendelikt kommt dem mit der Berufung vorgelegten diesbezüglichen Dokumentationsmaterial für den vorliegenden Fall keine maßgebliche Bedeutung zu. Dass sich die belangte Behörde damit nicht auseinander setzte, begründet somit - entgegen der insoweit mehrfach vorgetragenen Rüge in der Beschwerde - keinen wesentlichen Verfahrensmangel.

Die Beschwerde vermag daher - ohne, dass es noch auf die Frage des Vorliegens eines Konventionsgrundes ankäme - insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des Bescheides des Bundesasylamtes richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet". Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. November 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200517.X00

Im RIS seit

29.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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