TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/23 2005/20/0478

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Veröffentlicht am 23.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des C in W, geboren 1986, vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 27/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Juni 2005, Zl. 254.567/0-V/15/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der seinen Angaben zufolge am 25. August 1986 geborene Beschwerdeführer, ein aus dem Anambra-State stammender nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 7. August 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme am 8. Oktober 2004 gab er zu seinen Fluchtgründen - zusammengefasst - an, er hätte seinem Vater, der dem Orakel im Heimatdorf des Beschwerdeführers gedient habe, nach dessen Tod Anfang 2003 nachfolgen sollen. Da er das als Christ abgelehnt habe, hätte er dem Orakel geopfert werden sollen. Dem Beschwerdeführer sei aber noch davor mit Hilfe eines Pastors die Flucht nach Lagos und weiter nach Europa gelungen. Für den Fall der Rückkehr nach Nigeria befürchte er, von jenen Dorfbewohnern, die das Orakel verehren, getötet zu werden.

Mit dem im Instanzenzug, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ergangenen Bescheid vom 22. Juni 2005 wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt 1.). Weiters stellte sie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 des Fremdengesetzes 1997 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt 2.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt 3.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde ging - wie schon das Bundesasylamt - in Bezug auf die Abweisung des Asylantrages und die Versagung von Refoulement-Schutz von der mangelnden Glaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe aus. Diese Einschätzung begründete sie mit der zusammenfassenden Beurteilung, der Beschwerdeführer habe "keinerlei genaueren inhaltlichen", sondern nur "vage und unbestimmte" Angaben zu tätigen vermocht. Beispielhaft verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer "nicht einmal ansatzweise" in der Lage gewesen sei, "irgendetwas Näheres" über dieses Orakel zu berichten, etwa darüber, wo es sich befunden habe und ob bzw. welche Zeremonien praktiziert worden seien. Derartige Angaben wären aber vom Beschwerdeführer nach Auffassung der belangten Behörde zu erwarten gewesen, weil - außer wenigen Christen - die gesamte Dorfbevölkerung das Orakel verehrt und sein Vater "quasi hauptberuflich" dem Orakel gedient habe. Der Beschwerdeführer sei aber auch nicht imstande gewesen, "genauere zeitliche Datierungen" vor allem in Bezug auf den Todestag des Vaters, seine Ausreise und zum Erhalt einer in der Berufungsverhandlung erwähnten e-mail vorzunehmen, in der ihm ein Freund von angeblichen Übergriffen auf seine zurückgebliebenen Familienmitglieder berichtet habe. In Bezug auf diese Nachricht verwies die belangte Behörde auch noch auf Ungereimtheiten bei der Darstellung ihres Inhaltes betreffend angeblich gegen seine Mutter gerichtete "Angriffe" und wertete die im Lauf der Befragung insoweit vorgenommenen Steigerungen - später gab der Beschwerdeführer an, auch das Haus sei in Brand gesetzt worden, und letztlich behauptete er noch, auch seine Schwester sei verletzt worden - als weiteres Indiz für die Tatsachenwidrigkeit der Aussage des Beschwerdeführers. Bei der Annahme der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigte die belangte Behörde auch noch einen für maßgeblich erachteten Widerspruch in seinen Angaben in der Berufungsverhandlung zum Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit seines Vaters für das Orakel und stützte sich schließlich auch noch auf den in der Berufungsverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck.

Die Beschwerde wendet sich vorrangig gegen diese Beweiswürdigung, vermag jedoch eine - für die dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zukommende Prüfungsbefugnis maßgebliche - Unschlüssigkeit oder mangelnde Nachvollziehbarkeit nicht aufzuzeigen. Entgegen der Beschwerdemeinung finden die Überlegungen der belangten Behörde im Inhalt der Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt und in der Berufungsverhandlung ausreichend Deckung. Demgegenüber erweist sich die Behauptung in der Beschwerde, die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer "zum 'Orakel' in keinster Weise gefragt", als aktenwidrig (vgl. Seite 7 f des Verhandlungsprotokolls). Gleiches gilt für das nicht weiter begründete Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe "auch zeitliche Datierungen ausreichend vorgenommen" (vgl. dazu etwa nur die Angaben des Beschwerdeführers zu dem mit seinen Fluchtgründen im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Zeitpunkt des Todes seines Vaters, AS 37 Mitte: "Letztes Jahr" und auf die Frage, "wann genau", nach einigem Nachdenken, "Am Anfang letzten Jahres.").

Angesichts der in der Berufungsverhandlung zu Tage getretenen und von der belangten Behörde zu Recht in die Beweiswürdigung einbezogenen Divergenzen in den Angaben des Beschwerdeführers ist der in der Beschwerde (auch nur pauschal) vorgetragene Einwand, seine Aussagen ließen sich "sehr wohl in jeder Hinsicht in Einklang bringen", auch nicht nachvollziehbar. Soweit die Beschwerde schließlich noch die Unterlassung der (amtswegigen) Beiziehung eines Sachverständigen zur Frage "der rituellen Tötungen im Rahmen der weit verbreiteten Naturreligionen" bemängelt, fehlt es aber an einer fallbezogenen Relevanz. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall nämlich die Tatsachenwidrigkeit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfolgungsgefahr nicht aus der generellen Verneinung derartiger Vorkommnisse abgeleitet, sondern auf Überlegungen gestützt, die aus dem individuellen Aussageverhalten des Beschwerdeführers resultieren.

Die Beschwerde, die in den übrigen Ausführungen nicht von den (negativen) Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers ausgeht, vermag daher insoweit, als sie sich gegen die ersten beiden Spruchpunkte richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides). Diesbezüglich hat die belangte Behörde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren findet darin keine Deckung.

Wien, am 23. November 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200478.X00

Im RIS seit

24.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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