TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/23 2005/20/0542

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Veröffentlicht am 23.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde der X (auch: X), geboren 1973, (alias C, geboren 1978) in J, vertreten durch Dr. Richard Weber, Rechtsanwalt in 8740 Zeltweg, Bundesstraße 66, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. Juli 2005, Zl. 260.374/0-XIV/39/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung der Beschwerdeführerin "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, reiste am 22. Dezember 2004 in das Bundesgebiet ein. Während der seit 23. Dezember 2004 erfolgten Anhaltung in Schubhaft stellte die Beschwerdeführerin am 2. März 2005 einen schriftlichen Asylantrag. Zur Begründung brachte sie dazu bei ihren Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 9. und 11. März 2005 sowie am 26. April 2005 zusammengefasst vor, sie habe drei Töchter und wegen Verstoßes gegen die chinesische "Ein-Kind-Politik" sei über sie deshalb nach der Geburt des zweiten Kindes eine Geldstrafe von 20.000,-- Yuan und nach der Geburt des dritten Kindes eine Geldstrafe von 50.000,-

- Yuan verhängt und sie sei zur Sterilisation aufgefordert worden. Wäre sie dem nicht freiwillig nachgekommen, so wäre eine "Zwangssterilisation" vorgenommen worden. Da sich die Beschwerdeführerin "unbedingt" noch einen Sohn wünsche, sei sie geflüchtet. Für den Fall der Rückkehr nach China drohe der Beschwerdeführerin eine noch höhere Geldstrafe und sie müsse sich sterilisieren lassen.

Mit Bescheid vom 26. April 2005 wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die VR China fest (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt gelangte beweiswürdigend zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig sei. Diese Einschätzung stützte es vor allem auf mehrfach unterschiedliche Angaben der Beschwerdeführerin zu den Geburtsdaten des zweiten und dritten Kindes. Ein Widerspruch liege auch darin, dass die Beschwerdeführerin zunächst behauptet habe, ihren Heimatort am 10. Juni 2004 verlassen zu haben, während sie später angegeben habe, sich seit September 2001 in anderen chinesischen Provinzen bis zu ihrer Ausreise versteckt zu haben. Außerdem habe die Beschwerdeführerin bei ihrer Befragung durch die Fremdenpolizeibehörde am 29. Dezember 2004 angegeben, in China weder vorbestraft noch strafrechtlich oder politisch verfolgt zu sein. Daher seien die späteren Angaben als nicht glaubwürdige Vorbringenssteigerungen zu qualifizieren. Schließlich verwies das Bundesasylamt noch darauf, dass die Beschwerdeführerin keine plausible Erklärung dafür gegeben habe, dass sie den Asylantrag erst zweieinhalb Monate nach der Einreise gestellt habe. Daraus folgerte das Bundesasylamt zusammenfassend, dass die Beschwerdeführerin in China keine drei Kinder geboren habe und auch keiner daraus resultierenden Verfolgungsgefahr ausgesetzt (gewesen) sei.

Demzufolge kam das Bundesasylamt rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und zur Versagung von Refoulement-Schutz. Mangels familiärer "Beziehungen" in Österreich hielt das Bundesasylamt schließlich auch die Ausweisung der Beschwerdeführerin für gerechtfertigt.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassenen - angefochtenen Bescheid vom 26. Juli 2005 gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die für zutreffend erachteten - in Bezug auf den beweiswürdigenden Teil wörtlich wiedergegebenen - Ausführungen des Bundesasylamtes verwies und auch kurz auf den Berufungsinhalt einging.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich gegen die (von der belangten Behörde übernommene) Beweiswürdigung des Bundesasylamtes, vermag jedoch eine - für die dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zukommende Prüfungsbefugnis maßgebliche - Unschlüssigkeit oder mangelnde Nachvollziehbarkeit nicht aufzuzeigen. Entgegen der Beschwerdemeinung lässt sich das Aussageverhalten der Beschwerdeführerin zu den Geburtsdaten ihrer Kinder weder mit "psychischem Stress" bei der Vernehmung noch mit dem chinesischen Zahlensystem erklären. Bei der Befragung zu den Personalien am 9. März 2005 hatte die Beschwerdeführerin nämlich das Alter ihrer Kinder mit elf, neun und fünf Jahren angegeben, während sie bei der Vernehmung am 26. April 2005 - auf Vorhalt, dass das mit ihren Angaben zur Verhängung der ersten Geldstrafe eine Woche nach der Geburt des zweiten Kindes im Juni 2000 nicht vereinbar sei - behauptete, es sei das Geburtsjahr 2000 (und nicht 1996) richtig. Im weiteren Verlauf der Vernehmung gab die Beschwerdeführerin - noch einmal nach den Geburtsdaten ihrer Kinder befragt - allerdings an, die zweite Tochter sei am "16.07.2000" geboren, um das - auf neuerlichen Vorhalt der mangelnden Kompatibilität mit den Angaben zur Verhängung der Geldstrafe im Juni 2000 - auf "29.05.2000" zu korrigieren. Die zweite Geldstrafe sei der Aussage der Beschwerdeführerin am 26. April 2005 zufolge am 23. September 2001 eine Woche nach der Geburt des dritten Kindes verhängt worden. Abgesehen davon, dass auch diese zeitliche Einordnung nicht zu dem zunächst angegebenen Alter dieses Kindes mit fünf Jahren passt, gab die Beschwerdeführerin dessen Geburtsdatum später mit "23.09.2001" an, was sie auf Vorhalt ihrer früheren Angaben aber dann auf "16.09.2001" korrigierte. Dass in Anbetracht dieser Divergenzen nicht - wie es in der Beschwerde heißt - von einem "geringfügigen Irrtum" die Rede sein kann, bedarf keiner weiteren Erörterung. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang (erstmals) noch einen "Irrtum des Übersetzers" ins Spiel bringt, ist dem zu entgegen, dass die Beschwerdeführerin ihre unterschiedlichen Angaben nicht in Abrede stellte, sondern nur damit zu rechtfertigen versuchte, sie sei "schon so lange verreist, darum habe ich einige Sachen vergessen".

Schon angesichts dieses Aussageverhaltens der Beschwerdeführerin bestehen gegen die Beweiswürdigung des Bundesaylamtes keine Bedenken. Die belangte Behörde begründete daher - anders als die Beschwerde meint - durch die Unterlassung einer Berufungsverhandlung im vorliegenden Fall keinen Verfahrensmangel, zumal auch die Berufung der beweiswürdigenden Argumentation des Bundesasylamtes überhaupt nicht entgegen getreten war (vgl. zur Verhandlungspflicht in Fällen, in denen in der Berufung kein diesbezüglicher Antrag gestellt wurde, das Erkenntnis vom 12. Juni 2003, Zl. 2002/20/0336). Demnach ist es im Ergebnis auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde diese Beweiswürdigung nur übernommen hat.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang noch die Unterlassung von Feststellungen zu Maßnahmen im Rahmen der chinesischen "Ein-Kind-Politik" rügt, wird nicht aufgezeigt, inwieweit dadurch die nur auf Ungereimtheiten in der Darstellung der individuellen Fluchtgründe gestützte Beweiswürdigung hätte erschüttert werden können. Die Annahme, dass die von der Beschwerdeführerin behaupteten Maßnahmen vor dem Hintergrund der Verhältnisse in China einer realen Grundlage entbehrten, liegt der Beweiswürdigung nämlich nicht zugrunde. Der Beschwerde gelingt es somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht, einen entscheidungswesentlichen Begründungsmangel aufzuzeigen.

Schließlich fehlt den Beschwerdeausführungen zur Anknüpfung von derartigen Maßnahmen an einen Konventionsgrund (vgl. dazu näher Punkt 4.2. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 14. Dezember 2004, Zl. 2001/20/0692) die Relevanz, weil die Abweisung des Asylantrages darauf von den Asylbehörden nicht gestützt wurde. Gleiches gilt für Überlegungen zu offensichtlich unbegründeten Asylanträgen iSd § 6 AsylG.

Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des Bescheides des Bundesasylamtes richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung der Beschwerdeführerin "aus dem österreichischen Bundesgebiet". Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren auf gesonderten Ersatz von Barauslagen findet darin keine Deckung.

Wien, am 23. November 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200542.X00

Im RIS seit

29.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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