TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/14 2005/14/0038

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Veröffentlicht am 14.12.2006
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §24 Abs6;
EStG 1988 §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Finanzamtes Spittal Villach in 9800 Spittal an der Drau, Dr. Arthur Lemisch-Platz 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 18. März 2005, GZ. RV/0093-K/04, betreffend Einkommensteuer 2001 (mitbeteiligte Partei: G A, R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist selbständig als praktischer Arzt in R tätig gewesen. Zum 31. März 2001 hat er seinen Betrieb aufgegeben.

Im Zuge einer u.a. das Jahr 2001 umfassenden abgeführten Prüfung stellte der Prüfer in Tz 23 seines Berichtes fest:

"Laut Erklärung wurden bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinnes … die stillen Reserven vom Ordinationsgebäude "T-gasse7" unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 24 (6) EStG nicht berücksichtigt.

Vom bevollmächtigten Steuerberater wird diese Rechtsansicht in einem im Zuge des Prüfungsverfahrens abverlangten Schreiben vom 8. Oktober 2003 wie folgt begründet:

Im Falle des Abgabepflichtigen befindet sich im Untergeschoss des teilweise betrieblich genutzten Gebäudes "T-gasse 7 " ein großer Wohnraum mit Sauna und einem vorgelagerten Wintergarten, welcher - zusammen mit dem durch einen überdachten Gang direkt verbundenen Privatgebäude "T-gasse 5 " - seit jeher als Hauptwohnsitz genutzt wurde und wird. Im Keller des teilweise betrieblich genutzten Gebäudes befindet sich außerdem noch die gesamte Ölheizung für beide Gebäude, sodass die zwingende private Nutzung auch dadurch dokumentiert ist.

Es steht daher nach Ansicht des Steuerberaters eindeutig fest, dass die Gebäudebegünstigung des § 24 (6) EStG genau dem erklärten Willen des Gesetzgebers entspricht, die Erfassung der stillen Reserven des zum Betriebsvermögen gehörenden Teiles des dem Betriebsinhaber bis zur Betriebsaufgabe als Hauptwohnsitz dienenden Gebäudes zu vermeiden.

Die Bp kann sich dieser Rechtsansicht des Steuerberaters nicht anschließen und begründet dies wie folgt:

-

das Ordinationsgebäude "T-gasse 7 " wurde unter dem Aktenzeichen x als Geschäftsgrundstück (Betriebsgrundstück) bewertet.

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das Wohngebäude "T-gasse 5 " wurde unter dem Aktenzeichen y als Einfamilienhaus bewertet.

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laut herrschender Rechtsprechung wird der Begriff Gebäude im Sinne des § 24 (6) EStG nicht durch Gesichtspunkte wirtschaftlicher Zusammengehörigkeit bestimmt, sondern nur durch bautechnische Kriterien

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im konkreten Fall liegen eindeutig zwei Gebäude vor; dies wird ua. auch durch die getrennte Bewertung und unterschiedliche Einstufung der Gebäude hinsichtlich der Grundstückshauptgruppen für bebaute Grundstücke gemäß § 54 BewG dokumentiert

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die Steuerfreiheit der stillen Reserven für ein Gebäude kann bei Aufgabe dieses Betriebes daher nicht für ein Betriebsgebäude beansprucht werden, das bautechnisch (wenn auch nur wenige Meter) vom Wohngebäude getrennt ist - siehe VwGH

                 v.       19.2.1991, 91/14/0031!

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dass sich im Untergeschoss des Gebäudes "T-gasse 7 " ein kleiner Raum für eine Sauna, ein (nicht großer) Ruheraum mit Sitzmöbel, sowie diesem Raum vorgelagert, ein Raum für große Blumengefäße befindet, wird von der Bp aufgrund der vorgenommenen Besichtigung nicht bestritten; bei diesem vorgelagerten Raum von einem Wintergarten im herkömmlichen Sinn zu sprechen, ist nach Ansicht der Bp jedoch nicht zutreffend; auch dass sich im Untergeschoss des Gebäudes "T-gasse 7 " die Heizungsanlage befindet, die auch das Wohnhaus "T-gasse 5 " versorgt, ist zutreffend.

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es steht aber auch außer Zweifel, dass der Abgabepflichtige mit seiner Familie seine eigentlichen Wohnbedürfnisse im Gebäude "T-gasse 5 " befriedigt hat und dies noch immer tut; sämtliche klassischen Wohnräume wie Küche, Speisezimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und WC befinden sich in diesem Gebäude

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ein kleiner Raum für eine Sauna samt Ruheraum, welche noch dazu in einem anderen Gebäude integriert sind, stellen keine klassischen Wohnräume dar; auch die Unterbringung der gemeinsamen Ölheizung (Kessel- und Tankraum) im Untergeschoss des Gebäudes "Tgasse 7" ist nach Ansicht der Bp nicht geeignet, daraus einen gemeinsamen Wohnsitz mit dem Wohngebäude "T-gasse 5" abzuleiten.

Zusammenfassend vertritt die Bp die Ansicht, dass die Begünstigung des § 24 (6) EStG hinsichtlich des Ordinationsgebäudes "T-gasse 7" nicht zusteht, weil dieses Gebäude aufgrund seiner baulichen Beschaffenheit und seiner tatsächlichen Nutzung nicht zur Befriedigung der eigentlichen Wohnbedürfnisse geeignet war und somit auch nicht die erforderlichen Kriterien für einen Wohnsitz erfüllt hat."

Auf Grund dieser Feststellung ermittelte der Prüfer den Betriebsaufgabegewinn unter Ansatz der stillen Reserve aus dem Gebäude T-Gasse 7 mit 653.017 S.

Der Ansicht des Prüfers folgend erließ das Finanzamt - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - einen geänderten Einkommensteuerbescheid.

In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid begehrte der Beschwerdeführer die Anwendung des § 24 Abs 6 EStG 1988. Die Voraussetzungen dafür lägen vor, weil im ehemaligen Betriebsgebäude T-Gasse 7 erhebliche Flächen privat genutzt worden seien. Dieser Umstand sei seinerzeit auch durch den Ansatz entsprechender Privatanteile dokumentiert worden. Darüber hinaus seien die beiden Gebäude T-Gasse 5 und T-Gasse 7 durch einen überdachten Weg verbunden. Im Untergeschoss des ehemaligen Betriebsgebäudes T-Gasse 7 befinde sich ein großer Wohnraum mit Sauna und vorgelagertem Wintergarten. Diese Räumlichkeiten würden ausschließlich privat genutzt. Im ehemaligen Betriebsgebäude sei zudem die Ölheizungsanlage untergebracht, welche beide Objekte, somit auch das Wohnhaus T-Gasse 5, mit Wärme versorge. Es dienten somit beide Gebäude als Hauptwohnsitz. Quantschnigg/Schuch stellten im Einkommensteuerhandbuch, § 24, Tz 135, klar, dass bei Zutreffen aller sonstigen Voraussetzungen die auf den Gebäudeteil des Betriebsvermögens entfallenden stillen Reserven außer Ansatz zu bleiben hätten. Unmaßgeblich sei dabei die Größe des zum Betriebsvermögen gehörenden Anteils des Gesamtgebäudes. Die Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 gelange auch dann zur Anwendung, wenn die Wohnung des Steuerpflichtigen über ein untergeordnetes Maß nicht hinausgehe und das gesamte Gebäude daher zum Betriebsvermögen zähle. Der Gesetzgeber habe die Hauptwohnsitzbefreiungsbestimmung eingeführt, um steuerliche Härten hintan zu halten, die dann entstehen würden, wenn der Unternehmer, der im Betriebsgebäude seinen Hauptwohnsitz unterhalte, anlässlich der Betriebsaufgabe stille Reserven zu versteuern hätte und dadurch zu einer Steuerlast herangezogen werde, die er ohne gleichzeitige Aufgabe seines Hauptwohnsitzes nicht finanzieren könnte.

Das Finanzamt entschied über die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 10. Mai 2004 und verweigerte dabei die Anwendung des § 24 Abs 6 EStG 1988. Durch den zwischen den beiden Gebäuden vorhandenen überdachten Weg ließe sich eine aus den beiden in Rede stehenden Gebäuden gebildete Gebäudeeinheit nicht begründen, zumal durch diese Konstruktion lediglich ein nicht zu den Gebäuden gehöriger Verbindungsweg witterungsresistent gemacht werden sollte. Keinerlei Relevanz zeitige auch der Umstand, dass das private Wohnhaus T-Gasse 5 von der im ehemaligen betrieblich genutzten Gebäude T-Gasse 7 situierten Heizungsanlage mit Wärme versorgt werde. Aufgrund der sachlichen Gegebenheiten handle es sich bei den beiden Gebäuden T 5 (am Grundstück Nr. aaa/1 Grundbuch R) und T 7 (am Grundstück Nr. aaa/2 Grundbuch R) um zwei getrennte Bauwerke. Selbst wenn es zuträfe, dass der Beschwerdeführer in beiden Gebäuden einen Wohnsitz unterhalte, so ließe auch dieser Umstand keine andere Betrachtung zu. In einem derartigen Fall wäre auf die Wohnung abzustellen, zu der die engeren wirtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen bestehen, und die befinde sich unzweifelhaft im Gebäude T-Gasse 5.

Mit Eingabe vom 2. Juni 2004 beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde die Gemeinde R als Baubehörde erster Instanz ersucht, die Bauakten der beiden Objekte zu übermitteln. Diese teilte unter gleichzeitiger Vorlage der das Objekt T-Gasse 7 betreffenden Aktenteile mit, dass das Wohnhaus T-Gasse 5 bereits um das Jahr 1920 erbaut worden sei und daher diesbezüglich keine Unterlagen mehr existierten.

In der am 2. März 2005 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, das strittige Gebäude sei im Jahr der Betriebsaufgabe jedenfalls Teil seines Hauptwohnsitzes gewesen. Aus der Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 sei nicht ableitbar, dass sich der Hauptwohnsitz auf die notwendigen Räumlichkeiten beschränken müsse. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer das Untergeschoss des ehemaligen Ordinationsgebäudes täglich aufsuche, um die dort installierte Dusche zu benützen. Im Wohnhaus T-Gasse 5 gebe es lediglich ein Bad ohne Dusche. Heutzutage sei es Standard, über eine Duschmöglichkeit zu verfügen.

Über Vorhalt gab der Sohn des Beschwerdeführers, welcher der Verhandlung als Auskunftsperson beiwohnte, an, dass eine eigenständige betriebliche Verwertbarkeit des strittigen Gebäudes, etwa in Form einer Arztpraxis, nicht möglich wäre, da in einem derartigen Fall der zum Wohnhaus T-Gasse 5 gehörige Hof als Patientenparkplatz in Anspruch genommen werden müsste.

Das Finanzamt führte ua. aus, dass seitens des Beschwerdeführers nie die Absicht bestanden hätte, das Gebäude T-Gasse 7 nach der Betriebsaufgabe in irgendeiner Form zu verwerten. Der Einwand hinsichtlich des Parkplatzes sei nicht stichhaltig, zumal die Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 alleine auf die Aufrechterhaltung des Wohnsitzes (im Sinne von Wohnräumlichkeiten) abziele.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Der Zweck der in Rede stehenden "Wohnsitzbefreiung" liege darin, jene Härten zu vermeiden, die entstünden, wenn der Unternehmer seinen Hauptwohnsitz im Betriebsgebäude habe und die Aufdeckung stiller Reserven anlässlich der Betriebsaufgabe zu Steuern führte, die er nicht finanzieren könnte, ohne seinen Hauptwohnsitz aufzugeben. Deshalb würden die stillen Reserven aus dem gesamten Gebäude von der Besteuerung ausgenommen.

Strittig sei, ob das durch einen überdachten Weg mit dem Einfamilienhaus T-Gasse 5 verbundene ehemals gemischt genutzte Gebäude T-Gasse 7 als Teil des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers zu qualifizieren sei.

Das Finanzamt stütze sich bei seiner Argumentation primär auf das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis vom 19. Februar 1991, 91/14/0031, übersehe dabei jedoch, dass in dem vom Gerichtshof zu beurteilenden Sachverhalt unstrittig kein Wohnsitz in dem vom Wohnhaus in fünf Meter Entfernung situierten Betriebsgebäude (Stickereilokal) - für dieses sei die Anwendung des § 24 Abs 6 EStG 1988 begehrt worden - bestanden habe.

Im gegenständlichen Berufungsfall stehe außer Streit, dass das Erdgeschoss des ehemaligen Ordinationsgebäude T-Gasse 7 seit jeher auch privat genutzt worden sei. Bei der gegebenen Privatnutzung dieses Gebäudes im Ausmaß von etwa 50% könne von einem untergeordneten Nutzungsausmaß nicht mehr gesprochen werden. Im Zuge der mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer schlüssig darlegen können, dass er die im Erdgeschoss situierten Räumlichkeiten des ehemaligen Ordinationsgebäudes regelmäßig aufsuche und benütze.

Die belangte Behörde schließe daraus, dass sich der Mittelpunkt des Lebensinteresses des Beschwerdeführer nicht ausschließlich auf das Wohnobjekt T-Gasse 5 beziehe, in dem die "klassischen Wohnräume" wie Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche etc. untergebracht seien. Er erstrecke sich vielmehr auch auf das ca. 6 m entfernte Gebäude T-Gasse 7. Ob nunmehr das eigentliche Wohnhaus mit dem ehemals gemischt genutzten Gebäude durch einen überdachten Weg verbunden sei oder nicht, sei ebenso rechtsunerheblich wie die Tatsache des Vorhandenseins einer einzigen, beide Objekte bedienenden Ölfeuerungsanlage.

Bei der Interpretation des Begriffes "Hauptwohnsitz" im Sinne des § 24 Abs. 6 EStG 1988 gelange der erkennende Senat sohin zur Auffassung, dass sich dieser nicht ausschließlich auf ein Gebäude beziehen müsse. Wenn in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sei, der Beschwerdeführer benutze etwa die im Gebäude T-Gasse 7 installierte - einzige - Dusche täglich, so decke sich dieses Vorbringen auch mit den Erfahrungen des täglichen Lebens. Das Vorhandensein einer Dusche zähle heute zweifelsfrei zum allgemeinen Wohnstandard; ebenso die Benützung derselben zur täglichen Körperhygiene.

Aus der Bestimmung des § 24 Abs 6 EStG 1988 gehe auch in keiner Weise hervor, dass der Hauptwohnsitz auf die notwendigen (Kern-) Räumlichkeiten beschränkt bleiben müsse. So zählten auch Sauna, Ruheraum sowie ein - wenn auch bescheiden ausgeführter - Wintergarten ebenso zum Hauptwohnsitz, wie alle klassischen Räumlichkeiten, wenn diese regelmäßig benützt würden und sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zum eigentlichen "Wohnkernbereich" befänden.

Abschließend bleibe festzuhalten, dass den vom Finanzamt angesprochenen Umständen, wie der Verschiedenartigkeit der "topographischen Bezeichnungen" und der unterschiedlichen bewertungsrechtlichen Behandlung der Liegenschaften lediglich Indizcharakter zukomme. Maßgeblich sei stets das tatsächliche Gesamtbild der Verhältnisse, welches im gegenständlichen Fall auf Grund der besonderen Konstellation eine Ausweitung des Hauptwohnsitzbegriffes auf das gemischt genutzte Gebäude erforderlich mache.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde (§ 292 BAO) hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 24 Abs. 6 EStG 1988 idF des BGBl 1996/201, ordnet an:

"Wird der Betrieb aufgegeben, weil der Steuerpflichtige

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gestorben ist,

-

erwerbsunfähig ist oder

-

das 60. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt, dann unterbleibt auf Antrag hinsichtlich der zum Betriebsvermögen gehörenden Gebäudeteile die Erfassung der stillen Reserven.

Dazu müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

              1.       Das Gebäude muss bis zur Aufgabe des Betriebes der Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen sein,

              2.       das Gebäude darf weder

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ganz oder zum Teil veräußert werden,

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ganz oder zum Teil einem anderen zur Erzielung betrieblicher Einkünfte überlassen noch

-

überwiegend selbst zur Einkunftserzielung verwendet werden und

              3.       auf das Gebäude dürfen keine stillen Reserven übertragen worden sein.

Wird das Gebäude innerhalb von fünf Jahren nach Aufgabe des Betriebes vom Steuerpflichtigen oder seinem Rechtsnachfolger veräußert, unter Lebenden unentgeltlich übertragen oder zur Einkunftserzielung im Sinne des zweiten Satzes verwendet oder überlassen, dann sind die nicht erfassten stillen Reserven in diesem Jahr unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 37 Abs. 1 zu versteuern. Sind die stillen Reserven deswegen zu versteuern (nachzuversteuern), weil das Gebäude im Sinne des zweiten Satzes verwendet oder überlassen wird, so sind die zu versteuernden (nachzuversteuernden) stillen Reserven über Antrag beginnend mit dem Kalenderjahr, in dem der Aufgabegewinn versteuert (nachversteuert) wird, auf zehn Jahre gleichmäßig verteilt als Einkünfte anzusetzen. § 37 ist auch in diesem Fall anzuwenden."

In dem zur vergleichbaren Bestimmung des § 24 Abs 6 EStG 1972 ergangenen Erkenntnis vom 19. Februar 1991, 91/14/0031, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit der Bestimmung auf ein an das Wohnhaus des (Mit)Unternehmers angrenzendes Betriebsgebäude verneint. Das Gebäude als Einheit werde durch bautechnische Kriterien festgelegt. Nach diesen sei zu beurteilen, ob ein oder zwei Gebäude vorlägen. Mangels eines entsprechenden bautechnischen Zusammenhanges habe in jenem Fall nicht von einem einzigen (einheitlichen) Gebäude ausgegangen werden können, sodass das Betriebsgebäude nicht von der Begünstigung erfasst gewesen sei.

§ 24 Abs 6 EStG 1988 spricht von "zum Betriebsvermögen gehörenden Gebäudeteile(n)" hinsichtlich derer auf Antrag der Erfassung der stillen Reserven unterbleibt. Zu den Voraussetzungen gehört: "(d)as Gebäude muss bis zur Aufgabe des Betriebes der Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen sein", "das Gebäude" darf nicht veräußert etc werden, auf "das Gebäude" dürfen keine stillen Reserven übertragen worden sein.

Der Umstand, dass das Gesetz von der Übertragung stiller Reserven auf das Gebäude sowie von der Veräußerung des Gebäudes spricht, zeigt auf, dass auf das einzelne Wirtschaftsgut "Gebäude" abgestellt ist. Bei Gebäuden stellt idR jede bautechnische Einheit (samt dem Boden, vgl die hg Erkenntnisse vom 18. Dezember 2001, 98/15/0019, und vom 22. Oktober 2002, 98/14/0061, und Hofstätter/Reichel, § 4 Abs 1 EStG, Tz 56 und Tz 135 "Boden und Gebäude") ein einzelnes Wirtschaftgut dar.

Der Verwaltungsgerichtshof beschreibt im Erkenntnis vom 24. Juni 2003, 2000/14/0178, Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 24 Abs 6 EStG 1988. Demnach sollen durch die Begünstigung des § 24 Abs 6 EStG 1988 soziale Härten vermieden werden, wenn der Unternehmer im Betriebsgebäude seinen Hauptwohnsitz hat und anlässlich der Betriebsaufgabe stille Reserven versteuern müsste, die er nicht realisieren kann, ohne gleichzeitig seinen Wohnsitz aufzugeben.

Die Bestimmung des § 24 Abs 6 EStG 1988 will somit gewährleisten, dass der Steuerpflichtige nicht durch die Versteuerung der stillen Reserven seines bisherigen Hauptwohnsitzes zur Aufgabe seines bisherigen Hauptwohnsitzes gezwungen wird. Daraus ergibt sich, dass die Hauptwohnsitzbefreiung die stillen Reserven im gesamten Wirtschaftsgut (Grund- und Gebäudewert des bisherigen Hauptwohnsitzes) erfasst.

Andererseits erfasst die Begünstigung aber nur jenes Gebäude, in welchem sich der Wohnsitz des Steuerpflichtigen befindet. Verfügt der Steuerpflichtige über mehrere Wohnsitze, so kommt die Begünstigung des § 24 Abs 6 EStG 1988 nur für jenes Gebäude zur Anwendung, in welchem sich der Hauptwohnsitz befindet. Aus der vorangegangenen Überlegung, wonach nur "ein" Wirtschaftsgut Gebäude begünstigt ist, und aus der Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, die Begünstigung auf den Hauptwohnsitz zu beschränken, folgt für den Fall, dass sich der Hauptwohnsitz auf zwei Wirtschaftsgüter Gebäude erstrecken sollte, dass die Begünstigung nur jenes von mehreren Gebäude erfasst, welches im Verhältnis zu dem anderen überwiegend für die Wohnbedürfnisse des Steuerpflichtigen Verwendung findet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieses Gebäude geeignet ist, jene Räume zur Verfügung zu stellen, die sich nach der Verkehrsauffassung als für das Wohnen erforderlich erweisen. Dem Zweck der Bestimmung entsprechend soll durch die Begünstigung lediglich ausgeschlossen werden, dass der Steuerpflichtige gezwungen ist, jenes Gebäude zu verkaufen, das die eigentliche Wohnung enthält.

Im Beschwerdefall ist es das Gebäude T-Gasse 5, das dem Beschwerdeführer in erster Linie für die Befriedigung seiner Wohnzwecke dient. Alle für die normale Lebensführung erforderlichen Räume (einschließlich Bad) befinden sich dort. Solcherart hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, wenn sie die Begünstigung des § 24 Abs 6 EStG 1988 auf das Ordinationsgebäude T-Gasse 7 angewandt hat.

Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 14. Dezember 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005140038.X00

Im RIS seit

16.01.2007

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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