TE OGH 2000/4/5 9Ob263/99p

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Veröffentlicht am 05.04.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Herbert L***** KG für Bauwesen, *****, vertreten durch Dr. Dieter Cerha und Dr. Herbert Orlich, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Marktgemeinde *****, vertreten durch Dr. Georg Karasek ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 514.860,60 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 9. Juni 1999, GZ 16 R 69/99f-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 10. November 1998, GZ 1 Cg 26/98m-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.415,13 (darin S 3.569,19 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im März 1991 erfolgte die öffentliche Ausschreibung der Erd- und Baumeisterarbeiten sowie der Lieferung zur Herstellung der Kanalisation im Rahmen des zweiten Bauteiles aus Baustellenabschnitt 02 der Abwasserbeseitigunganlage der beklagten Marktgemeinde. Abgabetermin für die Anbotslegung war der 7. 5. 1991. Gemäß den von der Beklagten der Ausschreibung zugrunde gelegten Anbotsbestimmungen sind die im Anbot einzutragenden Preise "veränderliche Preise" im Sinne der ÖNorm B 2111. Die Preisumrechnungen sollten gemäß den vom Bundesministerium für Bauten und Technik in den "Baukostenveränderungen für den Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds" (= UWF) festgelegten Indexwerten erfolgen.

Neben anderen Mitbewerbern legte die Klägerin ihr Anbot vom 7. 5. 1991 mit einer Gesamtanbotssumme von S 14,518.469,- (exkl. USt). Sie legte ihrem Anbot die Kollektivvertragslöhne gemäß Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe Stand 1. 5. 1990 zugrunde. Die Lohnsätze dieses Kollektivvertrages waren bis zum 30. 4. 1991 in Geltung. Die Neuregelung der Kollektivvertragslöhne konnte zwischen den Kollektivvertragsparteien nicht bis 30. 4. 1991 abgeschlossen werden. Sie erfolgte erst am 8. 5. 1991, und zwar rückwirkend zum 1. 5. 1991.

Gemäß Punkt 2.1.1 ÖNorm B 2111 müssen Preisumrechnungen durch Veränderungen von Preisgrundlagen verursacht sein, denen sich der Auftraggeber nicht entziehen konnte. Gemäß Punkt 2.6.1 ÖNorm B 2111 gilt das Ende der Angebotsfrist als Preisbasis, falls im Vertrag nichts anderes vereinbart ist.

Nach Anbotseröffnung am 7. 5. 1991 erfolgte schließlich am 3. 7. 1991 die Auftragserteilung an die Klägerin durch die Beklagte. Im Juli 1991 wurde in der Österreichischen Bauzeitung der UWF-Index für Mai 1991 veröffentlicht. Die Klägerin erbrachte für die Beklagte auftragsgemäß Erd- und Baumeisterarbeiten einschließlich der Lieferung zur Herstellung der Kanalisation. Die Schlussrechnung vom 30. 4. 1996 über S 19,515.181,51 und eine Nachtragsrechnung vom 12. 9. 1997 über S 150.555,02 wurden von der Beklagten korrigiert; aufgrund unterschiedlicher Indexberechnung wurden Abzüge von S 511.213,92 und S 3.646,68, insgesamt sohin S 514.860,60 vorgenommen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin diesen Betrag mit der Behauptung, dass die von der Beklagten vorgenommenen Abzüge nicht berechtigt seien. Infolge Indexkostenerhöhung der Löhne stehe ihr dieser Betrag zu.

Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit. Dem Grunde nach wendete sie ein, es sei ein Fixpreis vereinbart worden. Die Klägerin hätte in ihrem Anbot den Index Mai 1991 berücksichtigen müssen. Sie hätte die Kollektivvertragserhöhung abschätzen und einkalkulieren können. Damit seien die Konkurrenzbedingungen verzerrt worden. Die Forderung sei daher nicht berechtigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei vertrat es unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes die Rechtsauffassung, dass sich die Klägerin der rückwirkenden kollektivvertraglichen Lohnerhöhung nicht habe entziehen können. Hiefür sähen Sinn und Zweck der ÖNorm B 2111 eine Überwälzung auf den Auftraggeber vor. Die Klägerin sei daher berechtigt, diese rückwirkend per 1. 5. 1991 wirksame Erhöhung durch Anwendung des UWF-Index Mai 1991 geltend zu machen.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Beklagten diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zu, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung und besondere Auslegungsprobleme nicht vorlägen. Dem Erstgericht sei beizupflichten, dass die Klägerin grundsätzlich berechtigt sei, eine rückwirkende Lohnerhöhung bei der Rechnungslegung zu berücksichtigen. Die Klägerin habe in ihrem Anbot die erst nach Anbotslegung rückwirkend beschlossene Vereinbarung der Kollektivvertragsparteien noch nicht berücksichtigen können. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, durch klare Formulierung der Bestimmungen des Ausschreibungsverfahrens und des Leistungsverzeichnisses einen derartigen Irrtum zu verhindern. Dass es bei einer "rückwirkenden Anordnung" zu Problemen kommen könne und daher auch Gesetze, die rückwirkend in Kraft treten, möglichst vermieden werden sollten (vgl § 5 ABGB), liege auf der Hand. Es könne aber nicht der Klägerin, die rückwirkend mit 1. 5. 1991 einen höheren Lohn zahlen musste, angelastet werden, dass die Kollektivvertragsparteien eine Vereinbarung mit rückwirkendem Inkrafttreten beschlossen hätten.Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Beklagten diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zu, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung und besondere Auslegungsprobleme nicht vorlägen. Dem Erstgericht sei beizupflichten, dass die Klägerin grundsätzlich berechtigt sei, eine rückwirkende Lohnerhöhung bei der Rechnungslegung zu berücksichtigen. Die Klägerin habe in ihrem Anbot die erst nach Anbotslegung rückwirkend beschlossene Vereinbarung der Kollektivvertragsparteien noch nicht berücksichtigen können. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, durch klare Formulierung der Bestimmungen des Ausschreibungsverfahrens und des Leistungsverzeichnisses einen derartigen Irrtum zu verhindern. Dass es bei einer "rückwirkenden Anordnung" zu Problemen kommen könne und daher auch Gesetze, die rückwirkend in Kraft treten, möglichst vermieden werden sollten vergleiche Paragraph 5, ABGB), liege auf der Hand. Es könne aber nicht der Klägerin, die rückwirkend mit 1. 5. 1991 einen höheren Lohn zahlen musste, angelastet werden, dass die Kollektivvertragsparteien eine Vereinbarung mit rückwirkendem Inkrafttreten beschlossen hätten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie sei zulässig, weil zur vorliegenden Frage oberstgerichtliche Judikatur fehle, die Auslegung der Vorinstanzen dem klaren Wortlaut und Sinn der ÖNorm B 2111 widerspreche und die Lösung dieser Frage "immense Auswirkungen" für das Vergabewesen nach sich ziehen würde. Es wird beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision nicht zuzulassen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil zur entscheidungswesentlichen Frage der Auswirkung rückwirkender Lohnerhöhungen auf Anbote und der Möglichkeit einer sich darauf stützenden Preiserhöhung eine (veröffentlichte) oberstgerichtliche Judikatur fehlt und das Rechtsproblem über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat; sie ist aber nicht berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 24. 2. 2000, 8 Ob 164/99x, die völlig gleichgelagerte Rechtssache der Klägerin gegen eine andere Marktgemeinde (beide Fälle vertreten durch dieselben Parteienvertreter wie im vorliegenden Fall) zu entscheiden hatte. Diese Entscheidung wurde den Parteien bereits zugestellt, sie wurde jedoch noch nicht veröffentlicht. Der erkennende 9. Senat schließt sich der zutreffenden Begründung der Vorentscheidung an. Sie lautet zusammengefasst wie folgt:

Die Beklagte führt vorerst grundsätzlich richtig aus, dass gemäß Punkt 2.6.1 ÖNorm B 2111 als Preisbasis das Ende der Anbotsfrist (hier 7. 5. 1991) gilt; sie folgert aber unrichtig, dass die Preisbasis für die Preisveränderungen der Monat Mai 1991 sei, auch wenn die Preisbasis rückwirkend nach Ende der Anbotsfrist ab 1. 5. 1991 erhöht wurde. Dies ergebe sich nach ihrer Meinung aus Punkt

2.5.8 ÖNorm B 2111. Das Abstellen auf den Monat, in dem die Angebotsfrist ende, bringe in allen Fällen gewisse Unsicherheitselemente für den Bauunternehmer mit sich, der zu diesem Zeitpunkt den aktuellen Index für den entsprechenden Monat noch nicht kenne, weil die Index-Werte regelmäßig einige Monate im Nachhinein veröffentlicht würden. Wünsche daher ein Bauunternehmer absolute Sicherheit bezüglich seiner Kalkulationsbasis, hätte er den Monat, für den ein veröffentlichter Index schon vorliege, als Preisbasis vertraglich vereinbaren müssen. Eine solche Vereinbarung sei jedoch nicht getroffen worden. Folglich sei Basis für die künftige Preisänderung der Monat, in dem die Angebotsfrist ende, sohin der Mai 1991, dessen Index somit die für die Indexierung relevante Preisbasis darstelle. Die Lohnkostenveränderung durch den Kollektivvertragsabschluss am 8. 5. 1991, die rückwirkend mit 1. 5. 1991 in Kraft getreten sei, berechtigte daher die Klägerin nicht zur Veränderung ihrer Preise.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Wesentlich für die Lösung des vorliegenden Falles ist lediglich, ob auf Grund einer rückwirkend erfolgten kollektivvertraglichen Lohnerhöhung und einer sich daraus ergebenden Erhöhung des Baukostenindex dem Bauunternehmer auch eine entsprechende Preiserhöhung zusteht. Nach den hier anzuwendenden Besonderen Vertragsbedingungen (Beil ./B) ist gemäß Punkt 6.1 die Preisermittlung nach der ÖNorm B 2061 durchzuführen. Die einzutragenden Preise sind gemäß Punkt 6.2 der Besonderen Vertragsbedingungen veränderliche Preise im Sinn der ÖNorm B 2111. Als Preisbasis gilt der Angebotstermin; dies war im vorliegenden Fall der 7. 5. 1991. Dem entspricht auch die in der anzuwendenden ÖNorm B 2111 enthaltene Regelung. Voraussetzung für die Zulässigkeit von Preisumrechnungen ist nach Punkt 2.1.1 der ÖNorm B 2111, dass sie durch Veränderungen von Preisgrundlagen verursacht sein müssen, denen sich der Auftragnehmer nicht entziehen konnte. Dies ist bei kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen zweifellos der Fall. Nach Punkt

2.6.1 ÖNorm B 2111 gilt als Preisbasis, falls im Vertrag nichts anderes vereinbart ist, das Ende der Angebotsfrist; bei Fehlen einer Angebotsfrist gilt das Datum des Angebots. Datum des Angebots und Ende der Angebotsfrist fielen im vorliegenden Fall zusammen (7. 5. 1991). Nach Punkt 2.6.8 ÖNorm B 2111 gilt ein Veränderungswert (Indexwert, Warenkorbsumme), der zu einem bestimmten Tag eines Monats ermittelt wird, für den ganzen Kalendermonat.

Aus Punkt 2.6.8 ÖNorm B 2111 folgt, dass der im Juli 1991 für den Monat Mai 1991 veröffentlichte (erhöhte) Index für den ganzen Monat Mai gilt und sohin für die Berechnung der Preiserhöhung gegenüber den dem Angebot zugrundeliegenden Index, der im Zeitpunkt des Anbotsabgabetermins (7. 5. 1991) gegolten hat, heranzuziehen ist. Die Klägerin konnte in ihrem Anbot nur den zur Zeit des Endes der Angebotsfrist geltenden Kollektivvertrag als Preisbasis heranziehen. Der Hinweis, die Klägerin hätte nach Punkt 2.6.1 ÖNorm B 2111 auch eine andere Preisbasis vereinbaren können, geht ins Leere. Die Besonderen Vertragsbedingungen sahen diese Preisbasis vor; hätte die Klägerin eine andere Preisbasis gewählt, wäre ihr Angebot als nicht den Bedingungen entsprechend von vornherein ausgeschieden worden. Eine Preisbildung auf Grund von reinen Schätzungen wäre auch einem echten Preisvergleich der verschiedenen Angebote hinderlich. Voraussetzung eines Preisvergleichs ist eine einheitliche Preisbasis; deshalb sehen die Besonderen Vertragsbedingungen in Übereinstimmung mit der ÖNorm B 2111 auch die Preisbasis am Ende der Angebotsfrist als maßgeblich an; damals galt noch der niedrige Indexwert.

Dass in der Folge der Kollektivvertragslohn rückwirkend mit 1. 5. 1991 erhöht wurde und dies rückwirkend für den ganzen Monat Mai 1991 zu einem höheren Indexwert führte, kann daher gemäß Punkt 2.6.8 ÖNorm B 2111 nur dazu führen, dass der Veränderungswert für den ganzen Kalendermonat Mai 1991 gilt und daher dir für die Anbotslegung maßgebliche Preisbasis (Ende der Angebotsfrist mit 7. 5. 1991) um den rückwirkend eingeführten Veränderungswert zu erhöhen ist. Es kann nicht zu Lasten der Bauunternehmer gehen, dass entgegen der grundsätzlichen Wertung des Gesetzes (§ 5 ABGB) die Kollektivvertragspartner rückwirkend Lohnerhöhungen vereinbaren, die zwangsläufig auf die Werklohnkosten durchschlagen müssen.Dass in der Folge der Kollektivvertragslohn rückwirkend mit 1. 5. 1991 erhöht wurde und dies rückwirkend für den ganzen Monat Mai 1991 zu einem höheren Indexwert führte, kann daher gemäß Punkt 2.6.8 ÖNorm B 2111 nur dazu führen, dass der Veränderungswert für den ganzen Kalendermonat Mai 1991 gilt und daher dir für die Anbotslegung maßgebliche Preisbasis (Ende der Angebotsfrist mit 7. 5. 1991) um den rückwirkend eingeführten Veränderungswert zu erhöhen ist. Es kann nicht zu Lasten der Bauunternehmer gehen, dass entgegen der grundsätzlichen Wertung des Gesetzes (Paragraph 5, ABGB) die Kollektivvertragspartner rückwirkend Lohnerhöhungen vereinbaren, die zwangsläufig auf die Werklohnkosten durchschlagen müssen.

Die Entscheidung der Vorinstanzen ist daher vollinhaltlich zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E57764 09A02639

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0090OB00263.99P.0405.000

Dokumentnummer

JJT_20000405_OGH0002_0090OB00263_99P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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