TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/15 2006/04/0100

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Veröffentlicht am 15.12.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
26/01 Wettbewerbsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §861;
ABGB §862a;
UWG 1984 §28a;
UWG 1984 §29 Abs2 idF 2001/I/136;
VStG §1;
VStG §2 Abs1;
VStG §2 Abs2;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde des WV in V, vertreten durch Prunbauer, Themmer & Toth, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 6. April 2006, Zlen. Senat-MD-05-0044, 0055, 0056, 0057, 0064, 0094, 0095, 0101, 0102 und 0103, sowie Senat-MD-06-0003, 0009 und 0010, betreffend Übertretungen des UWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer in insgesamt 13 Fällen einer Übertretung des § 28a iVm § 29 Abs. 2 des Bundesgesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), BGBl. Nr. 448/1984 idF BGBl. I Nr. 136/2001, für schuldig erkannt. Der Beschwerdeführer habe es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ (Vorstand) der C. AG mit Sitz in 2331 Vösendorf, X.straße 54, in seiner Funktion als Vorstand zu verantworten, dass diese Gesellschaft ausgehend vom Firmensitz zu näher genannten Zeitpunkten gegenüber konkret bezeichneten - jeweils im Ausland ansässigen - Unternehmen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Eintragungen in ein näher genanntes Ausstellungs- und Messenverzeichnis mit Korrekturangeboten geworben habe, ohne entsprechend unmissverständlich und auch graphisch deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um ein Vertragsangebot handle. Das vom Beschwerdeführer hiefür verwendete (englischsprachige) Formular und eine deutschsprachige Version davon seien wesentliche Bestandteile dieses Tatvorwurfs. Über den Beschwerdeführer wurden deshalb gemäß § 29 Abs. 2 UWG (nach Herabsetzung der Strafe durch die belangte Behörde) 13 Geldstrafen zu je EUR 700,-- und Ersatzfreiheitsstrafen von je drei Tagen verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde zunächst auf die ihres Erachtens zutreffenden Ausführungen im Erstbescheid, die u.a. die Frage der Anwendbarkeit des österreichischen Rechts im gegenständlichen Fall behandeln. Demnach stehe fest, dass das vom Beschwerdeführer vertretene Unternehmen die inkriminierten Schreiben (Formulare, die u.a. ein Angebot für die kostenpflichtige Veröffentlichung von Firmendaten in einem Internet-Messekatalog beinhalten) an Empfänger im Ausland versendet habe, wobei diese Schreiben auch im Ausland zur Post gegeben worden seien. Die Rechtsfolgen seien allerdings in Österreich eingetreten, da die Formulare von den Empfängern an den in Österreich gelegenen Sitz des vom Beschwerdeführer vertretenen Unternehmens, dessen Marktposition durch die Annahme dieser Angebote gefördert werde, zu retournieren gewesen seien. Von der inkriminierten Vorgangsweise sei daher der österreichische (Werbe-)Markt betroffen. Die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen stellten Unterlassungsdelikte dar und seien - so die Behörde unter Bezug auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. April 1985, Zl. 84/10/0231 - jedenfalls als im Inland begangen anzusehen, weil die in Rede stehenden Angebotsschreiben des Beschwerdeführers offensichtlich vom inländischen Unternehmenssitz des Beschwerdeführers stammten und daher von diesem ausgingen. Die Vorschriften des UWG seien daher auf die vorliegenden Fälle anwendbar.

Auch als Tatort sei der inländische Unternehmenssitz anzunehmen, weil in den Angeboten nur die diesbezügliche Adresse des Beschwerdeführers genannt sei. Hinsichtlich der Tatzeit könne dahingestellt bleiben, wann die Vertragsangebote seitens des Beschwerdeführers zur Post gegeben worden und wann diese bei den Kunden eingelangt seien. Als maßgeblicher Tatzeitpunkt könne nämlich in allen Fällen der Zeitpunkt der Unterzeichnung der zugesendeten Angebote durch die Kunden herangezogen werden, weil die Angebote des Beschwerdeführers zu diesen Zeitpunkten jedenfalls noch aufrecht gewesen seien.

Im Übrigen begründete die belangte Behörde (nicht zuletzt durch Verweis auf den Erstbescheid), weshalb den vom Beschwerdeführer versendeten Formularen ein unmissverständlicher und deutlicher graphischer Hinweis, dass es sich dabei jeweils um ein Vertragsangebot handle, fehle.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde bekämpft die Auffassung, dass auf den gegenständlichen Fall trotz des Auslandsbezuges des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens § 28a UWG anwendbar sei. Der Beschwerdeführer bringt dazu - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, die belangte Behörde gehe in ihren Sachverhaltsfeststellungen selbst davon aus, dass die in Rede stehenden Angebote ausschließlich an Empfänger im Ausland gesendet worden seien und dass sogar die Postaufgabe im Ausland erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (4 Ob 28/02z) seien Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb gemäß § 48 Abs. 2 IPRG nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen, auf dessen Markt sich der Wettbewerb auswirke. In Fällen, in denen durch dasselbe Wettbewerbsverhältnis die Märkte mehrerer Staaten betroffen seien, seien die Folgen nach dem Recht jedes von ihnen gesondert zu beurteilen. Aus diesem Urteil ergebe sich, so der Beschwerdeführer, dass die Frage von Wettbewerbsverstößen im Ausland nach den entsprechenden Rechtsvorschriften des betroffenen Staates zu beurteilen seien, nicht aber nach dem österreichischen

UWG.

Zum selben Ergebnis gelange man bei Anwendung des § 2 VStG, wonach eine Tat nur strafbar sei, wenn der Tatort im Inland liege. Zwar könne der Gesetzgeber nach dieser Bestimmung auch ein Verhalten im Ausland unter Strafe stellen, doch habe er davon beim UWG aus guten Gründen nicht Gebrauch gemacht. Dass der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Formulare in Österreich verfasst habe, reiche jedenfalls, wie auch aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abzuleiten sei, nicht aus, um ein Handeln im Sinne des § 28a UWG im Bundesgebiet zu bejahen.

Die maßgebenden Bestimmungen des UWG lauten:

"§ 28a. Es ist verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Eintragungen in Verzeichnisse, wie etwa Branchen-, Telefon- oder ähnliche Register, mit Zahlscheinen, Erlagscheinen, Rechnungen, Korrekturangeboten oder ähnlichem zu werben oder diese Eintragungen auf solche Art unmittelbar anzubieten, ohne entsprechend unmissverständlich und auch graphisch deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um ein Vertragsanbot handelt.

§ 29. ...

(2) Wer diesem Verbot oder den in den §§ 27, 28 und 28a ausgesprochenen Verboten zuwiderhandelt, begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt - eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 2900 EUR zu bestrafen."

§ 2 Abs. 1 und 2 VStG lautet:

"§ 2. (1) Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, sind nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar.

(2) Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist."

Das in § 2 Abs. 1 VStG festgelegte Territorialitätsprinzip wird durch § 2 Abs. 2 leg. cit. insoweit präzisiert, als dort normiert wird, wann eine Übertretung im Inland begangen ist. Demnach sind hinsichtlich der Begehung einer Tat im Inland drei Fälle zu unterscheiden:

Der dritte Fall des § 2 Abs. 2 VStG betrifft so genannte Erfolgsdelikte, also Delikte, bei denen der Eintritt des Erfolges Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen des vollendeten Delikts ist (vgl. etwa Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage (2003), Anm. 7 zu § 5 VStG). Diese Voraussetzung ist im Fall des § 28a iVm § 29 Abs. 2 UWG nicht erfüllt, weil der Gesetzgeber in diesen Bestimmungen nicht auf den Eintritt eines Erfolges abgestellt hat. Ob der Beschwerdeführer oder das von ihm vertretene Unternehmen (wie im Erstbescheid, auf den die belangte Behörde verweist, ausgeführt wird) aus dem angelasteten Verhalten einen wirtschaftlichen Erfolg zieht, ist daher gegenständlich für die Qualifikation als Erfolgsdelikt nicht maßgebend.

Der zweite Anwendungsfall des § 2 Abs. 2 VStG betrifft Unterlassungsdelikte. Ein solches liegt dann vor, wenn nach dem Tatbild die Nichtvornahme eines gebotenen Tuns pönalisiert wird. Demgegenüber liegt ein Begehungsdelikt dann vor, wenn ein bestimmtes aktives Tun mit Strafe bedroht ist (vgl. Hauer/Leukauf, aaO, Anm. 4 zu § 31 VStG). Nach dem zitierten Gesetzeswortlaut verbietet § 28a UWG unter den dort genannten Voraussetzungen, für Eintragungen in bestimmte Verzeichnisse "zu werben oder diese Eintragungen ... anzubieten". In § 28a iVm § 29 Abs. 2 UWG wird demnach ein aktives Tun pönalisiert, sodass die Frage, ob die gegenständlich angelasteten Verwaltungsübertretungen im Inland begangen wurden, nicht nach dem zweiten, sondern nach dem ersten Anwendungsfall des § 2 Abs. 2 VStG zu beurteilen ist.

Im Beschwerdefall wäre das Verhalten des Beschwerdeführers daher nur dann strafbar, wenn er im Sinne des § 2 Abs. 2 erster Fall VStG im Inland gehandelt hätte. Im Erstbescheid, auf den die belangte Behörde verweist, wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die in Rede stehenden Angebotsformulare vom inländischen Sitz des vom Beschwerdeführer vertretenen Unternehmens stammten, also dort verfasst und von dort ausgegangen seien. Allein damit ist aber für die Lösung des gegenständlichen Falles noch nichts gewonnen, weil selbst das Verfassen dieser Formulare am inländischen Unternehmenssitz noch nicht die Frage beantwortet, ob der Beschwerdeführer dadurch im Inland tatbildmäßig gehandelt hat. Ein tatbildmäßiges Handeln im Sinne des § 28a UWG erfordert nämlich nicht bloß das Verfassen eines Anbotsschreibens, sondern das tatsächliche Bewerben oder Anbieten der in dieser Gesetzesstelle genannten Eintragungen.

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist ein Angebot ein empfangsbedürftiger Willensakt (vgl. Rummel in Rummel, ABGB (1990), Rz 1 und 2 zu § 861 und § 862a). So hat der Verwaltungsgerichtshof, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, im Erkenntnis vom 23. Dezember 1974, Zl. 1428/74, zur Frage des unzulässigen Anbietens einer gewerblichen Tätigkeit ausgeführt, dass von einem verbotenen Anbieten in Zeitungen erst gesprochen werden könne, wenn die Zeitung ihren Abnehmern zugänglich ist. Der Täter handle daher dort, wo die Zeitung verbreitet werde.

Entsprechendes gilt auch für die in § 28a UWG genannte alternative (dem Beschwerdeführer im Spruch angelastete) Form der Deliktsbegehung durch "Werben" für die Eintragung in die dort genannten Verzeichnisse, weil ein Werben für ein Produkt schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Kontaktnahme mit einem potenziellen Interessentenkreis (durch Zusendungen, Aufhängen von Plakaten, usw.) voraussetzt. So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 9. Mai 1967, Zl. 35/67, VwSlg. 7142/A, - im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 VStG - ausgesprochen, dass von einer Werbung mittels Druckwerken erst gesprochen werden könne, wenn diese dem in Frage kommenden Personenkreis zugänglich gemacht werden. Dem gegenüber ist für die belangte Behörde aus dem im Erstbescheid zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 84/10/0231, schon deshalb nichts zu gewinnen, weil der Verwaltungsgerichtshof auch in dem dort zu Grunde liegenden Beschwerdefall das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 VStG verneint hat.

In Ansehung des Tatbestandes des § 28a UWG kann daher nach dem Gesagten von einem Handeln im Sinne des § 2 Abs. 2 erster Fall VStG erst dann gesprochen werden, wenn der Empfänger vom Angebot bzw. Werben Kenntnis erlangen kann. Zum gegenteiligen Ergebnis gelangte man nur durch eine weite Auslegung der genannten Begriffe, die jedoch, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, im Strafrecht unzulässig ist (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000) E. 17 zu § 1 VStG).

Da der Beschwerdeführer sämtliche Anbotsschreiben an Empfänger im Ausland gesendet hat, und daher ein Anbieten im Sinne des Tatbestandes des § 28a UWG erst mit der Zustellung der Angebote im Ausland erfolgt ist, fehlt es im Beschwerdefall an der Inlandsbegehung der Taten. Das gegenständliche Verhalten des Beschwerdeführers wäre daher nach dem UWG nur dann strafbar, wenn dies gemäß § 2 Abs. 1 VStG für Fälle wie den gegenständlichen in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet wäre.

Da dies nicht zutrifft, erweist sich der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 15. Dezember 2006

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Besondere RechtsgebieteAuslandTatortInternet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006040100.X00

Im RIS seit

19.01.2007

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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