TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/16 2006/18/0368

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Veröffentlicht am 16.01.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §14 Abs2;
NAG 2005 §21;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des D J in W, geboren 1986, vertreten durch Dr. Thomas Furherr, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Westbahnstraße 5/11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 20. April 2006, Zl. 304.724/9- III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 20. April 2006 wurde der vom Beschwerdeführer am 30. Dezember 2003 gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe diesen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG 1997" eingebracht, zumal seine Tante, welcher die Obsorge über ihn zugesprochen worden sei, österreichische Staatsbürgerin sei. Diesen Antrag habe die Bundespolizeidirektion Wien zuständigkeitshalber an den Landeshauptmann von Wien (die Erstbehörde) weitergeleitet, weil der Beschwerdeführer kein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 47 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG gewesen sei.

Die Erstbehörde habe den Antrag vom 30. Dezember 2003 mit Bescheid vom 11. Februar 2004 gemäß § 14 Abs. 2 iVm § 47 Abs. 3 FrG abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer Berufung erhoben habe.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer mit einem durch die österreichische Botschaft in Belgrad ausgestellten, vom 7. Dezember 2003 bis 4. Februar 2004 gültigen Visum C nach Österreich eingereist und seither bei seiner Tante in Wien aufhältig sei. Da er noch nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung für die Republik Österreich verfügt habe, sei sein nunmehriger Antrag als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu werten.

Zu seinen Angaben, wonach seine Tante, welcher die Obsorge über ihn zugesprochen worden sei, österreichische Staatsbürgerin sei, halte die belangte Behörde fest, dass er (bereits) nach alter Rechtslage kein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 47 Abs. 3 FrG gewesen sei. Auch nach dem mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG könne er von seiner Tante kein Aufenthaltsrecht ableiten, weshalb die allgemeinen Bedingungen für die Antragstellung und Erteilung eines Aufenthaltstitels, so auch § 21 Abs. 1 und 2 leg. cit. bei Erstanträgen, zu beachten seien.

Der Beschwerdeführer habe den gegenständlichen Antrag persönlich am 30. Dezember 2003 im Inland eingebracht und habe sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten.

Eine Überprüfung im Sinn des § 72 NAG sei von Amts wegen durchgeführt und festgestellt worden, dass weder der Antrag des Beschwerdeführers noch seine Berufung eine Behauptung humanitärer Gründe enthalte. Im konkreten Fall hätten zwar ein berechtigtes Interesse an einer Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation durch die Auswanderung nach Österreich, aber keine humanitären Gründe für die Erteilung eines diesbezüglichen Aufenthaltstitels festgestellt werden können. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen. Diese Entscheidung der belangten Behörde gründe sich aus formeller Sicht auf § 75 leg. cit. Der Beschwerdeführer hätte daher gemäß § 21 Abs. 1 und 2 NAG die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abwarten müssen. Die Antragstellung vor der Einreise sei von wesentlicher Bedeutung, und es führe eine nicht dem Gesetz entsprechende Antragstellung zur Abweisung des Antrages. Hiebei sei ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, entbehrlich.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung ablehnte (Beschluss vom 26. September 2006, B 925/06-15) und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 17. Oktober 2006, B 925/06-17).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellte der Beschwerdeführer den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes "und/oder" Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und ist die Entscheidung im Ausland abzuwarten.

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung für das Bundesgebiet verfügt habe. Beim gegenständlichen Antrag handelt es sich somit - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - um einen Erstantrag, auf den § 21 Abs. 1 leg. cit. anzuwenden ist.

2.1. Die Beschwerde bringt vor, dass sich die belangte Behörde während des gesamten Verfahrens nicht mit der Rechtsnatur des Beschlusses des Jugendfürsorgezentrums "SAVA" vom 27. Dezember 2000, mit welchem das Recht auf Pflege und Erziehung des Beschwerdeführers an die österreichische Staatsbürgerin M. übertragen worden sei, auseinandergesetzt habe und dieser Rechtsvorgang auch dahingehend verstanden werden könne, dass damit die Adoption des Beschwerdeführers durch M. angeordnet werde. Richtigerweise wäre dieser Beschluss als Adoptionsurkunde auszulegen gewesen, weshalb der Beschwerdeführer als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG anzusehen gewesen wäre, sodass die Stellung des Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gemäß § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG zulässig gewesen wäre.

2.2. Gemäß § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG sind abweichend von Abs. 1 zur Antragstellung im Inland Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes berechtigt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 9 leg. cit. ist Familienangehöriger (im Sinn dieses Gesetzes), wer Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie), wobei die Ehegatten, ausgenommen Ehegatten von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben müssen.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 leg. cit. ist im Sinn dieses Bundesgesetzes die Minderjährigkeit nach den Bestimmungen des ABGB zu beurteilen.

Gemäß § 21 Abs. 2 ABGB erlangen Minderjährige mit der Vollendung des 18. Lebensjahres die Volljährigkeit.

2.3. Mit ihrem Vorbringen, dass der obgenannte Beschluss (II.2.1.) auch als Anordnung einer Adoption angesehen werden könne, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, legt sie doch nicht einmal ansatzweise dar, auf welche ausländischen Normen - die nach der österreichischen Rechtsordnung maßgeblich sein könnten (vgl. dazu § 2 Abs. 4 Z. 2 NAG) - sich diese Auffassung stützt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2006, Zl. 2005/18/0647).

Schon deshalb war der Beschwerdeführer nicht als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG anzusehen und daher der Tatbestand des § 21 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. nicht erfüllt.

2.4. Im Übrigen wird in der Beschwerde nicht behauptet, dass einer der sonstigen Fälle des § 21 Abs. 2 NAG vorliege, in denen es zulässig ist, einen Erstantrag im Inland zu stellen. Auch aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich kein Hinweis darauf.

3. Auch mit dem weiteren Vorbringen, dass eine Missachtung der Vorschrift des § 21 NAG lediglich die Verletzung einer Formvorschrift darstelle, die nicht zwingend zu einer Abweisung des Antrages führen müsse, und der Beschwerdeführer "bestenfalls" zur Verbesserung seines Antrages hätte aufgefordert werden müssen, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Diesbezüglich wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0123, verwiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, dass das Erfordernis der Inlandsantragstellung im NAG - ebenso wie nach der "Vorgängerbestimmung" des § 14 Abs. 2 FrG - nicht als "formale Voraussetzung", sondern als "Erfolgsvoraussetzung" für einen Erstantrag zu qualifizieren ist.

4. Das Recht, den Antrag vom Inland aus zu stellen - und die Entscheidung darüber im Inland abzuwarten - käme daher fallbezogen nur gemäß § 74 NAG in Betracht.

Wie im hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153, ausgeführt wurde, räumt § 74 leg. cit. den Fremden kein durchsetzbares - und vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes - Recht auf Inlandsantragstellung ein. Zur weiteren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall eine Inlandsantragstellung unter Hinweis auf § 74 und § 75 leg. cit. nicht zugelassen.

Im Hinblick darauf erweist sich die Abweisung des gegenständlichen Antrages vom 30. Dezember 2003 gemäß § 21 Abs. 1 NAG als unbedenklich. Dabei war eine Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einer Niederlassung im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht erforderlich (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis Zl. 2006/18/0153).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. Jänner 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180368.X00

Im RIS seit

11.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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