TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/30 2006/18/0403

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Veröffentlicht am 30.01.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des MF in L, geboren 1962, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. September 2006, Zl. St-297/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Aufwand in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 22. September 2006 wurde der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 3. Juli 2000 schlepperunterstützt nach Österreich gelangt und habe einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juli 2005, mit dem die Behandlung einer Beschwerde abgelehnt worden sei, rechtskräftig negativ abgeschlossen worden. Zumindest seither halte sich der Beschwerdeführer ohne jegliche asyl- bzw. fremdenrechtliche Bewilligung und somit nicht rechtmäßig in Österreich auf. Er arbeite bei einer Leasingfirma, wo er etwa EUR 1.000,-- monatlich verdiene. Sein Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG ändere am unrechtmäßigen Aufenthalt nichts.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. "Hinsichtlich Eingriff in Ihr Privat- bzw. Familienleben ist eine Ausweisung dahingehend zu relativieren, als eine Abstandnahme davon schwerer wiegt, als die von ihnen geschilderten Auswirkungen auf Ihre Lebenssituation." Der Hinweis "auf die in Ihrem Heimatland treffende Situation (medizinische Versorgung)" sei unbeachtlich, weil mit der Ausweisung nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe.

Wie sich aus der Darstellung seiner persönlichen Verhältnisse ergebe (seine Familie halte sich in seinem Heimatland auf), "würde es sich bereits erübrigen zu erörtern, ob die Ausweisung im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten ist, da aus Sicht der Behörde und unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen nicht in relevanter Weise in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen wird (siehe VwGH-Erkenntnis vom 14.4.1993, Zl. 93/18/0112, und andere). ... Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährdet die öffentliche Ordnung in hohem Maße, die Ausweisung ist demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 30.9.0419)." Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen komme ein hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit österreichische Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch gemacht werden müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass das Verfahren über seinen Asylantrag rechtskräftig negativ beendet wurde und er über keine asyl- oder fremdenrechtliche Bewilligung für seinen Aufenthalt in Österreich verfügt. Im Hinblick darauf begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung gestellt. Ihm sei bei richtiger rechtlicher Beurteilung zuzubilligen, seinen Antrag im Inland abwarten zu können.

2.2. Nach § 81 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, ist das durch den Antrag eingeleitete Niederlassungsverfahren nach dem NAG fortzusetzen. Der Antrag des Beschwerdeführers wäre nach den §§ 21, 73 und 74 NAG zu behandeln bzw. zu beurteilen. § 74 NAG räumt dem Fremden kein durchsetzbares - und vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes - Recht auf Inlandsantragstellung ein. Die bloße Antragstellung verschafft dem Beschwerdeführer kein Bleiberecht in Österreich. Ein solcher Antrag bzw. ein insoweit noch offenes Verfahren steht daher der Ausweisung nach § 53 FPG nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0402).

3.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid schließlich unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, er habe sich einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, gehe in Österreich seit Jahren einer geregelten Beschäftigung nach und verfüge über eine Arbeitserlaubnis. Er werde in Österreich ständig medizinisch behandelt und könnte in Pakistan keine adäquate medizinische Versorgung erlangen. Durch sein Einkommen in Österreich könne er nicht nur seinen Unterhalt sicher stellen, sondern auch den seiner beiden Kinder in Pakistan. Diese würden bei einer zwangsweisen Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland "vor dem Nichts" stehen.

3.2. Diese Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg. Die Ansicht der belangten Behörde, es werde nicht in relevanter Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen und es würde sich daher erübrigen zu erörtern, ob die Ausweisung im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei, wird vom Verwaltungsgerichtshof schon im Hinblick auf den sechsjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht geteilt (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG). Die Ausweisung ist - anders als die belangte Behörde an anderer Stelle der Bescheidbegründung und in widersprüchlicher Weise meint - nicht schon wegen eines langen unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers zur Wahrung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten. Dies wäre vielmehr nur dann der Fall, wenn die auch nach dieser Gesetzesgestelle erforderliche Interessenabwägung kein Überwiegen der persönlichen Interessen des Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes ergibt (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 2006/18/0402). Eine nachvollziehbare Abwägung dieser Interessen ist dem widersprüchlich und teilweise unverständlich begründeten angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen.

3.3. Schließlich stellt auch die Begründung des angefochtenen Bescheides, dass "vor dem Hintergrund dieser Tatsache" (nämlich dass die Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei) "auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch gemacht werden" müsse, keine ausreichende Begründung der Ermessensentscheidung dar (vgl. das zu § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0034).

4. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Jänner 2007

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONBesondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180403.X00

Im RIS seit

02.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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